761. Der Hahn auf der Sachsenhäuser Brücke.

(S. Grimm, Deutsche Sagen Bd. I. Nr. 186 S. 234.)


In der Mitte der Sachsenhäuser Brücke sind zwei Bogen oben zum Theil nur mit Holz zugelegt, damit dies in Kriegszeiten weggenommen und die Verbindung leicht, ohne etwas zu sprengen, gehemmt werden kann. Davon giebt es folgende Sage.

Der Baumeister hatte sich verbindlich gemacht, die Brücke bis zu einer bestimmten Zeit zu vollenden. Als diese herannahte, sah er, daß es unmöglich war, und wie nur noch zwei Tage übrig waren, rief er in der Angst den Teufel an und bat um seinen Beistand. Der Teufel erschien und erbot sich, die Brücke in der letzten Nacht fertig zu bauen, wenn ihm der Baumeister dafür das erste lebende Wesen, welches über die Brücke gehen werde, überliefern wolle. Der Vertrag wurde geschlossen und der Teufel baute in der letzten Nacht, ohne daß ein Menschenauge in der Finsterniß sehen konnte, wie es zuging, die Brücke ganz richtig fertig. Als nun der erste Morgen anbrach, kam der Baumeister und trieb einen Hahn über die Brücke vor sich her und überlieferte ihn dem Teufel. Dieser aber hatte eine menschliche Seele gewollt und wie er sich also betrogen sah, packte er zornig den Hahn, zerriß ihn und warf ihn durch die Brücke, wovon die zwei Löcher entstanden sind, die bis auf den heutigen Tag nicht können zugemauert werden, weil Alles in der Nacht wieder zusammenfällt, was Tags daran gearbeitet ist. Ein goldener Hahn auf einer Eisenstange steht aber noch jetzt zum Wahrzeichen auf der Brücke.

Nachdem im Jahre 16351 in der Vitzthumschen Belagerung dieser Hahn abgeschossen worden ist, ist an dessen Statt ein anderer aufgesteckt und in denselben folgende Verse auf Pergament geschrieben inwendig hineingethan worden.


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Und war ihm da sein letzter LohnDaß ihm die Schwedisch GarnisonZu Sachshausen damals logirend,Und die Inwohner wohl vexirend,Nachdem er lang am Main gewachtDurch einen Schuß herunterbrachtDardurch er ins Wasser baden gingWar vorhin nicht gewohnet der DingDa man einen neuen gesetzt hatDer nun vertritt des alten Statt.Inskünftig auch der kann zeigen anWie's gegangen ist dem alten Hahn.Der neue Hahn ward aufgesetzet hierDen eilsten Tag JanuarijDes nächst darauf folgenden JahrAls eben damals Bauherrn warenHerr Hans Heinrich zum Jungen genanntHerr Philips Leuthwein auch nach der HandUnd endlich weiland Herr Hans HammerDer kurz zuvor aus diesem JammerIst abgeschieden aus der WeltEh' der neu Hahn ward aufgestellt.Der diesen Rhythmus machen thätHeißt Johann Flitner ein PoetIn seiner Jugend coronirtUnd mit dem Lorbeerkranz geziertWar im Latein besser: ein FrankDarum er auch den Wein gern trank.

Fußnoten

1 S. Lersner S. 26.

CC-BY-3.0


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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2025). Collection 15. 761. Der Hahn auf der Sachsenhäuser Brücke. 761. Der Hahn auf der Sachsenhäuser Brücke. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). Kolimo+. https://hdl.handle.net/21.11113/4cd0m.0