[125] Die Hexe Luft und die beiden Jäger

Ost und West, die Zwillingssöhne
Buhlten um ein Jungfräulein,
Ähnlich klangen ihre Töne
Vor der Schönen Fensterlein.
Luft hieß ihre leichte Schöne,
Federn trug sie auf dem Haupt,
Daß sie ew'ge Myrthe kröne,
Ist ihr Fenster myrthumlaubt.
Lange steht sie so im Glanze,
Ihr sind beide einerlei,
Sie verwechselt beid' im Tanze,
Also ähnlich sind die zwei.
Und so weit wird es noch kommen,
Daß sie stiftet Bruderzwist;
Ihren Zweifeln zu entkommen,
Denket sie auf eine List.
Einen Mann, den muß ich haben,
Denkt das arme Jungferlein,
Der mir kann das Herz erlaben,
Denn ich bin nicht gern allein.
Zweifelnd denkt sie an die Künste,
Die ihr Mutter Feuer lehrt,
Macht am Freitag Weihrauchdünste,
Kocht den Zaubertrank am Heerd.
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Deckt dann vor dem Bett ein Tischlein,
Setzt zwei blanke Teller drauf,
Und zwei Gläser und zwei Fischlein,
Gleich als käm' ein Gast in's Haus.
»Wer dann zu dir könnt von allen,
Hat die Mutter ihr gesagt,
Ist der Stärkste im Gefallen,
Und der sei dir zugesagt.«
»Der sei deiner Liebe Meister,
Mächtig deiner Schönheit Kraft,
Denn es wollen stets die Geister,
Daß das Mächtigste sich schafft.«
Es ist Nacht, die beiden Lauten
Klingen vor dem Fensterlein,
Und dann schaut sie ihren Trauten;
Schweigend tritt er zu ihr ein.
Ob es Ost, ob's West gewesen,
Denket sie vergebens nun.
Gleicher waren nie zwei Wesen,
Dieser Zweifel will nicht ruhn!
Spricht er nicht, er kann doch sehen,
Wie sie ihn zum Tische winkt,
Und sie fühlt des Athems Wehen,
Wie er aus dem Becher trinkt.
Wie er's Tüchlein wohlgefalten
Nimmt vom blanken Teller ab,
Läßt die Speisen doch erkalten,
Und verschmähet ihre Gab.
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Dennoch muß sie nun empfangen,
Eh er sie in's Bette führt,
Eine Gabe ohn' Verlangen,
Die als Zeichen ihr gebührt.
Abgebrannt sind beide Lichter,
Und der Freund sitzt noch bei ihr,
Macht so drohende Gesichter,
Daß sie flieht zur Kammerthür.
Er das Messer aus dem Gürtel
Ziehet und ganz stille sitzt,
Und der Mond aus seinem Viertel
Schauet, wie es herrlich blitzt.
Nein, sie wagt es nicht zu nehmen,
Wie es vorgeschrieben ist,
Sei es Schrecken, sei es Schämen,
Sie verwünschet jetzt die List.
Sie entschlüpfet in die Kammer.
Er das Messer wirft nach ihr;
Als er flieht mit schwerem Jammer,
Steckt das Messer in der Thür.
Morgens kommen beide Brüder
Sie zu grüßen, doch dem West
Fehlt das Messer, seine Lieder
Klagen ein gestörtes Fest.
Das ihm Traume ihn gequälet
Und vergangen ist zu nichts,
Weil sich alles hat verfehlet
In dem Schrecken des Gesichts.
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Tröstend giebt sie ihm die Hände,
Küsset ihm die müde Brust,
Und es drehen sich die Wände
Bald in hoher Hochzeitlust.
Doch kein Kind will ihn erfreuen
Und er wünschet es so sehr,
Bis sie sich mit Zaubereien
Setzt in schrecklichen Verkehr.
Könnte sie's voraus nur wissen,
Irrwisch heißt des Zaubers Kind,
In dem Kindbett muß sie büßen
Ihres Zaubers schwere Sünd.
In ein Tuch das Kind zu schlagen,
Tritt der Mann zum Schrank der Frau,
Hat ihn eilig eingeschlagen,
Und es liegt da viel zur Schau.
Alles was sie ihm verborgen,
Doch er schauet nicht danach,
Reisset nur in großen Sorgen
Weiche Tücher aus dem Fach;
Sieht das Messer draus entfallen,
Das sie heimlich drin bewahrt,
Das in jener Nacht voll Qualen
Er verlor durch Zaubers Art.
Jener Traum, der ihm vergessen,
Denn der Zauber ist vorbei,
Tritt in's Leben; wie besessen
Fühlt er sich durch Zauberei;
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Alles glaubt er schon erlebet,
Was ihm jetzo erst geschieht,
Und die Qual ihn neu umschwebet,
Die ihn jene Nacht durchglüht.
»Also du bist es gewesen,
Die mich jene Nacht geplagt,
Daß ich nie vom Schreck genesen,
O, das sei hier Gott geklagt.«
»Hast du mich voraus gequälet,
Lang im schweren Liebesdienst,
Straf ich dich, nun wir vermählet,
Und ich zahl' wie du's verdienst.«
»Hab' ich auch nicht wollen speisen
Von der Fische Zauberei,
Ist gehärtet doch dies Eisen,
In dem Trank und macht mich frei.«
Ihre Brust will er durchstechen,
Doch das Kindlein schreit helllaut,
Und die kleinen Augen sprechen,
Haben sich rings umgeschaut.
Blinde Wuth ist ihm verschwunden,
Aber nicht der harte Zorn,
Als des Herzens Riß verwunden,
Schmerzt im Fleische ihm der Dorn.
Wenn sie weint bei seinen Schlägen,
Zeigt er ihr das Messer nur,
Spricht dann: Ohne Lieb' kein Segen,
Und du bist die ärgste ...

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TextGrid Repository (2011). Arnim, Ludwig Achim von. Gedichte. Ausgewählte Gedichte. Die Hexe Luft und die beiden Jäger. Die Hexe Luft und die beiden Jäger. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-0C70-7