990. Die Goldzacken

Am Untersberge, dessen Gipfelseitenansicht, von weitem gesehen, merkwürdig einem Menschengesicht gleicht, hat es schon gar manchen geneckt und, wenn nicht in das Innere, doch außen in Wald und Geklüft irregeführt, denn es ist gar ein gewaltiger Bergstock, der stundenweit seinen Hochrücken streckt und in den weißen Blöcken seines Marmors Geflechte zeigt, rot wie der Bart des Barbarossa. Da war zu Fagen ein Scheuerbauer, hieß Sebastian Fletscher, der kam auch einmal an eine Felswand, die etwas überhing, blitz, da hingen Zacken von purem blanken Gold weit herunter, daß man sie mit der Hand erreichen konnte, gerade solche, wie der Holzmann in der Geisterkirche am Ochsenkopf fand, aber der Fehler war der, daß man die Goldzacken nicht mit der Hand abbrechen konnte wie Eiszapfen. Indes war der Fletscher klug, er dachte, du willst heimgehen und deine Haue holen, willst dir aber zuvor ein Merkzeichen machen, daß du den Ort wiederfindest; trug also einen tüchtigen Haufen Steine zusammen, gerade unter die Goldzacken, und lief nun, was er konnte, heim und holte die Haue. Wie schwang um ihn die Hoffnung so goldene Flügel und hing sie ihm an Haupt und Füße, daß er mehr flog als ging. Da er nun wieder hinaufkam, der Bastel, so lag richtig sein Steinhaufen noch da, aber – o weh – die Goldzacken waren nicht mehr da – dergleichen bleibt nicht ewig sitzen und sichtbar. Die rechte Stunde war für immer vorüber, und der arme Fletscher hatte nun keinen andern Lohn als den Hinweg für den Herweg.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2011). Bechstein, Ludwig. Sagen. Deutsches Sagenbuch. 990. Die Goldzacken. 990. Die Goldzacken. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-205F-4