345. Die goldne Laus

Zu Bismark oder nicht gar weit davon ist im Jahre 1350 ein Kreuz vom Himmel gefallen, welches alsbald, sowie es erhoben ward, Wunder tat. Man erbaute ihm daher eine besondere Kirche, weihete sie der Himmelskönigin und nannte sie Zum heiligen Kreuze. Den Teufel verdroß das sehr, daß so viele Andachten zum heiligen Kreuz geschahen, und um das Kreuz zu höhnen, schuf er ein ungeheuerliches Getier in Gestalt einer Laus und setzte es über dem Kirchengewölbe in den Turm, da sahen es die Leute, absonderlich die Wallfahrer, wie Gold blitzen und mit den Füßen zappeln, und dadurch wurde die Andacht vom heiligen Kreuze abgelenkt, denn eine goldne Riesenlaus sah man nirgend anderswo, heilige Kreuze aber allenthalben. Aber was an Mehrung des Zulaufs und der Opferspenden das Kreuz nicht tat, das tat nun die Laus, deswegen wurde dieselbe von einer goldnen Spange umfangen und an einer goldnen Kette festgehalten und empfing zu ihrer Speise täglich ein Pfund Fleisch. An jedem Wallfahrtstage wurde den Gläubigen die Laus von oben her, vom Gewölbe, gezeigt; sie war so groß wie eine Taube, und unten an der Kirchturmmauer war sie in ihrer natürlichen Größe abgebildet. Jetzt steht die Kirche Zum heiligen Kreuz schon längst nicht mehr, auch das heilige Kreuz selbst ist verschwunden, aber die Trümmer der Kirche liegt noch einsam in der Feldflur bei Bismark, nach Stendal zu, der Weg dahin, der alte Wallfahrerweg, heißt noch die heilige Gegend. Auch die Laus ist verschwunden, aber ihr Name blieb an der Trümmer haften, die heißt noch bis heute die goldne oder auch die verwünschte Laus.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Holder of rights
TextGrid

Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2011). Bechstein, Ludwig. Sagen. Deutsches Sagenbuch. 345. Die goldne Laus. 345. Die goldne Laus. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-21B3-D