754. Die Fleischer zu Gerstungen

Zu Gerstungen hat sich eine seltsamliche Mär zugetragen, indem es den Fleischern allda fast genau so ging, und zwar mit dem Grafen von Brandenburg, wie den Metzgern der Stadt Osnabrück mit dem Grafen von Tecklenburg. Der Graf von Brandenburg hatte dasselbe Recht, den Fleischern ihre Taxe zu setzen, und der Fleischbote, welcher Limpert hieß, war, wie dort von der Tecklenburg herab ein Zwerg, so hier von der Brandenburg herab ein lahmer Krüppel, der seine Freude daran hatte, sich samt seinem Esel nicht zu eilen, bis endlich die Geduld der Fleischer zu Gerstungen zu Ende war und der Gildenmeister, ein zorniger Mann, den langsamen Krüppel eine unglaublich schnelle Reise machen ließ, nämlich die in die Ewigkeit, indem er ihn totschlug. Dann zerhackten ihn die Fleischer, luden die Stücke in des [494] Esels Körbe und jagten diesen wieder zur Brandenburg hinauf. Das verdroß nun freilich den Grafen auf der Brandenburg, den bisherigen Schutz- und Schirmherrn der Gerstunger, gar sehr, und befehdete fortan die Stadt, daß sie keinen guten Tag mehr sah, so daß endlich flehentlich um Gnade gebeten ward. Und da machte der Graf von der Brandenburg, gerade wie der Tecklenburger, auch drei harte und schwere, schier unerschwingliche Auflagen. Er heischte einen Scheffel voll Silberheller, alle von einem und demselben Gepräge, auch drei himmelblaue Windhunde und drei mannshohe Eichenstecken ohne Knoten. Wenn binnen Jahresfrist diese Stücke nicht beigeschafft wären, so müsse die Stadt die ganze Metzgerzunft dem Grafen gebunden überliefern, und dann wolle er sehen, ob ihre Gliedmaßen härter wären als die seines zerhackten Fleischboten. Da war guter Rat teuer im Städtlein Gerstungen an der Werra, doch endlich ward er gefunden, ganz so wie die Osnabrücker ihn auch fanden; Agiotage für die Silberheller, wobei die Jüden gute Geschäftcher machten, Glasröhren für die Eichenstecken und ein himmelblaues Zimmer mit Zubehör für die Paarung schneeweißer Windhunde. So gelang das schwere Kunststück, und so ward des Grafen Zorn gesühnt, nächstdem wurde der Fleischscharrn in ein Pflegehaus für arme Krüppel verwandelt, und auf den Platz, wo die Fleischer den Limpert zerhackt hatten, ward ein breiter Stein gelegt, der heißt noch heute der Limpertstein. – Die genaue Wiederholung dieser Sage aber mit allen Umständen und ganz geringen Verschiedenheiten an so weit voneinander entfernten Orten und Burgen ist sehr merkwürdig. Von der Brandenburg schmückt heutzutage nur noch die umfangreiche Trümmer das friedliche Werratal, und an Gerstungen zieht die thüringische Eisenbahn hin.

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TextGrid Repository (2011). Bechstein, Ludwig. Sagen. Deutsches Sagenbuch. 754. Die Fleischer zu Gerstungen. 754. Die Fleischer zu Gerstungen. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-22FF-C