994. Die Goldkohlen

Zu Salzburg war eine Kräuterfrau oder Kräutelbrocklerin, wie man sie dort nennt, die ging auf den Wunderberg nach Wurzeln und Kräutern, denn was da alles Gutes darauf wächst, ist gar nicht zu sagen: Tausendgüldenkraut und bittrer Enzian, Goldwurzel und Salomonssiegel, Allermannsharnisch und Teufelsabbiß, Lungenkraut und Edelleberkraut, Engelsüß und Johannisblut, Dosten und Dorand, Himmelskerzen und Herzleuchte, Farnkrautmännlein und Farnkrautweiblein und viele hundert andere Heilwurzeln und Würzkräuter, so daß es nur eine Lust ist, auf selbem Berge zu kräuteln. Wie nun das Weiblein emsig ihres Geschäftes oblag, kam sie zu einer Wand des Berges, da lagen schwarze Brocken, sahen ohngefähr wie Kohlen aus, die warf sie auch alsbald in ihren Korb, und als dieser voll Kräuter war, ging sie heim. Zu Hause blitzte es aus den Kohlen hell und klar, gediegen Gold saß drin, die Hülle und Fülle. – Ei, des Dinges willst du mehr holen, das ist der wahre Jakob und die Herzenstrostmünze! – rief die Alte. Kehrte alsbald eilend wieder um zum Berge, fand aber da, wo die schwarzen Kohlen gelegen hatten, nichts als ein unsaubres Kräutlein: Ziegenlorbeeren.


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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2011). Bechstein, Ludwig. 994. Die Goldkohlen. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-2583-8