6.

Das ist des Lebens innigster Verstand:
Bescheiden sein im guten Augenblick,
Das Nahe voll umfassen, alles rings
Durchfühlen und genießen – aber nicht allein.
Was will ein Herz allein? Es schlägt und schlägt
Und müdet sich ins Leere. Sehnsucht ist
Sein Loos, und Sehnsucht fühlen, heißt: in sich
Dem Leben fern sein.
Oh Geliebte, komm.
Ich will dich fühlen und lebendig sein.
Was brauch ich Himmel, Ewigkeit und Gott?
Ich habe dich. Der Augenblick mit dir
Ist Ewigkeit in Gott. Wenn meine Hand
[373]
Die runde Fülle deines Busens fühlt,
Fühl ich, daß Leben haben Gott sein ist.
Denn du bist schön. Und Schönheit ist der Sinn
Der Welt. – Schönheit genießen, heißt die Welt
Verstehn.

Notes
Erstdruck in der ersten Auflage des »Irrgartens«, 1901.
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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2011). Bierbaum, Otto Julius. 6. [Das ist des Lebens innigster Verstand]. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-2F73-B