Der melancholische Narr

Aus einer jungen Linde hab
Geschnitzt ich meinen Narrenstab;
Mein eigener Schädel wackelt drauf
Zwischen Schellen und Bändern als bunter Knauf.
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Lacht er?
Küß mich, küß mich, Klingelstock mein,
Sei mein Lieb, und ich bin Dein.
Ach, ich armer Narre!
Pst, pst, der Junker Lenz ist drauß',
Die ganze Welt sieht blühsam aus.
Du, Schellenschädel, rühr dich, sag:
Lacht er uns auch, der Frühlingstag?
Er schüttelt.
Küß mich, küß mich, Klingelstock mein,
Sei mein Lieb, und ich bin dein.
Ach, ich armer Narre!
Weg! Alle Fenster dichte zu!
Wir zwei alleine, ich und du,
Wir wissen doch das Glück gewiß;
Du, glöckle in der Finsternis
Und grinse!
Küß mich, küß mich, Klingelstock mein,
Sei mein Lieb, und ich bin dein.
Ach, ich armer Narre!

Notizen
Erstdruck in: Erlebte Gedichte, Berlin (Issleib) 1892, bzw. in: »Nemt, Frouwe, disen Kranz«. Ausgewählte Gedichte, Berlin 1894.
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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2011). Bierbaum, Otto Julius. Der melancholische Narr. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-31DC-1