Afrikanische Distichen

»Wir auch wollen«, so sprach der pudelbegleitete Kanzler,
»An der Sonne den Platz, der uns Deutschen gebührt.«
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Schön. Wir nahmen ihn ein. Es steckten die Assessoren,
Steckten die Leutenants ihn ab mit schneidiger Hand.
Schwarz im Gehrock und schwarz in der hochgeschloßnen Soutane
Folgten des Christentums Boten der Staatsgewalt.
Streng in zwei Lager geteilt, Konkurrenten auf Tod und Leben,
Aber im übrigen ganz himmlicher Liebesbrunst voll.
Ordnung herrschte fortan, Disziplin, Polizei und Gesittung,
Wo der Wilde bisher Greuel auf Greuel gehäuft.
Lieblich am Palmenstamm hing die kühn stilisierte Verordnung,
Jede Giraffe erhielt Halsband und Mark und Korb.
Aktenregale, vom Holz der Urwaldbäume gezimmert,
Bogen sich bald von der Last emsig beschriebenen Papiers,
Und es fungierte genau das löbliche Steuerkataster,
Jeder Knopf ward gebucht, der einer Hose entsprang.
Denn (das versteht sich von selbst) es wurde die ruchlose Blöße
Jedes Wilden fortan von der Regierung behost,
Und mit keuschem Kattun ward verhüllt, was das südliche Klima
Leider den Weibern dort allzu üppig beschert.
Emsig kauerte nun vorm Tintenfaße die Jugend,
Lernte das Abc, lernte die Wacht am Rhein,
Heil dir im Siegerkranz, Vater unser, du sollst nicht begehren
Deines Nächsten Weib, kurz, was den Menschen erhebt.
Aber, auf daß nicht bloß die Seele vom Guten erfüllt sei,
Sondern der Körper auch wisse, was sich gehört,
Drillte der Herr Sergeant mit vaterländischen Flüchen,
Tritten in das Gesäß, oder woandershin,
Streng nach dem Reglement die waffenfähige Menge
In der adligen Kunst disziplinarischen Mords.
Also geschah, was der Geist der Kultur wünscht, daß es geschehe,
Wurde des Alkohols auch mitnichten gespart,
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Ebensowenig wie der trefflichen Nilpferdpeitsche,
Die die Arbeit versüßt, wenn sie sonst sauer schmeckt.
Kurz, es entwickelte sich die allerschönste Idylle,
Tränen weinte der Lust Neger und Negerin,
Tränen der Rührung aber benetzten die Brillengläser
Manchem Geheimen Rat, der in Berlin residiert.
Wie? Und jetzt? Was ist das? Das klingt ja wie Schüsse? Herr Lehmann,
Riechen Sie nichts? Das riecht brenzlig, wie mich bedünkt?
Aufruhr? Was ist denn los? Warum denn? Wieso denn? Weshalb denn?
Wie? Ein Leutenant hat seinen Schwarzen gepfählt?
Ja, und die Schufte schießen mit unseren Mausergewehren
Jetzt auf uns. Ach ja! Das ist der Lauf der Welt.
Undank! Haben wir drum sie im Christentum unterwiesen,
Daß sie als Christen tun, was sie als Heiden getan?
Sehen Sie, das ist der Lohn! Wir haben zu gut sie behandelt.
– Aber das Pfählen? – Ach Gott, daran sind sie gewöhnt.
Nein, das Pfählen ists nicht, auch die Peitsche nicht. Recht hat Herr Lehmann;
Daran sind sie gewöhnt: Aber das Standesamt,
Aber die Hosen, der Drill, die Verordnungen und die Gebete,
Das macht sie so rabiat: preußisch wolln sie nicht sein.
Was im Sande der Mark Assessorengenerationen
Langsam nur fertig gebracht, geht doch in Afrika
Nicht in einem Jahrzehnt; die schwarzen Halunken haben
Allzulange sich nackt frei wie die Teufel gefühlt.
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Und nun sollen sie flugs vor jedem Amtsschimmel Ehrfurcht
Haben, wie Piefke sie hat? Nein, Herr Assessor, das ist
So unmöglich, als wie, daß Sie von heute auf morgen
Lernten die Kunst, ein Mensch ohne Polizei zu sein.
Eines schickt sich, sagt Goethe, für alle nicht. Bester Assessor,
Entassessoren Sie sich, wenn Sie in Afrika sind,
Bloß ein ganz klein wenig, und denken Sie dran, daß Neger
Keine Piefkes sind. Dann wird es besser gehn.
Unsern Platz an der Sonne, gewiß, den wollen wir suchen,
Aber verdüstert ihn, bitte, nicht gleich mit euch.

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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2011). Bierbaum, Otto Julius. Afrikanische Distichen. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-348C-E