Das Lied von Belgrad

1789.


Im Ton: Marlborough s'en va-t-en guerre etc.


Wir sah'n den Kaiser wieder
Gesund in unserm Wien;
Der Türke liegt darnieder,
Es schlug Held Coburg ihn,
Und Belgrad danken wir,
O großer Laudon, dir.
Wir sah'n u.s.w.
Laßt uns Te Deum singen
Drei ganzer Tage lang,
Und Dankesopfer bringen
Bei Glas und Glockenklang:
Drei Tage, so wie die,
Erlebten wir noch nie;
Wir sah'n u.s.w.
Eilt wack're Patrioten
Zum Jubelfest' herbei!
Sonst ward die Lust geboten,
Heut aber ist sie frei.
Laßt uns nur glücklich seyn,
Wir wollen uns schon freu'n!
Wir sah'n u.s.w.
Juheh! seht, Köpf' und Fenster
Sind schon illuminirt,
Zur Stunde der Gespenster
Wird heut noch jubilirt,
[44]
Und ganze Schaaren zieh'n
Schon durch die Gassen hin;
Wir sah'n u.s.w.
Es ist kein Ton der Freude,
Den man nicht heute hört,
Und allem Gram und Leide
Ist Thür und Thor gesperrt;
Der Türk am Heidenschuß
Allein heut trauern muß. 1
Wir sah'n u.s.w.
Es feiert das Tedeum
Die ganze Bürgerschaft
Zum halben Jubiläum
Von Belgrad's Wanderschaft,
Das heute fünfzig Jahr
In Türken Händen war.
Wir sah'n u.s.w.
Es wimmeln alle Strassen
Von Menschen ohne Zahl;
Ganz Wien mit allen Gassen
Ist nur ein großer Saal,
Wo jedermann sich heut
Nach seiner Weise freut.
Wir sah'n u.s.w.
Seht, die Studenten weihen
Schon Belgrad's Schulen ein,
Und singen laut in Reihen
Bei türkischen Schalmey'n,
Den Türken zum Verdruß,
Das Veni Spiritus.
Wir sah'n u.s.w.
[45]
Dort eilt ein Trupp von Knaben
Mit dankbar frohem Sinn,
Weil sie nicht Pferde haben,
Auf Steckenpferden hin,
Wo Laudon wohnt und schrei'n
Ihr Vivat, und juhey'n,
Wir sah'n u.s.w.
Hier raufen ein Paar Bassen,
Die erst mit Ahl und Pfriem
An ihren Leisten sassen,
Mit frohem Ungestüm
Das Haar einander aus,
Und flechten Roßschweif' d'raus,
Wir sah'n u.s.w.
Das frohe Posthorn schallet,
Daß Erd' und Himmel hallt,
Und mit den Peitschen knallet
Frohlockend Jung und Alt,
Und jeder singt damit
Den Türken dieses Lied:
Wir sah'n u.s.w.
»Verloren hat den Schimmer
Des Mondes Doppelhorn,
Held Laudon schlug's in Trümmer,
Und macht in seinem Zorn
Für uns zum Ohrenschmaus
Zwei Dutzend Hörner d'raus.«
Wir sah'n u.s.w.
Auf tausendfache Weise
Ergießt die Freude sich,
Die Jungen und die Greise
Frohlocken brüderlich;
Und aller Freude Lauf
Löst in den Wunsch sich auf:
Wir sah'n u.s.w.
[46]
»Der Türke liegt darnieder,
Woran ihm recht geschieht;
Nun kommt der Friede wieder,
Und all' sein Segen mit:
Dann macht der liebe Gott
Auch grösser unser Brod.«
Wir sah'n u.s.w.

Fußnoten

1 Die daselbst befindliche Statüe eines Türken zu Pferde war die ganze Nacht über mit einem Flor behangen, und mit Fackeln beleuchtet.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Blumauer, Aloys. Gedichte. Sämmtliche Gedichte. Lyrische Gedichte. Das Lied von Belgrad. Das Lied von Belgrad. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-3790-8