Mamsell La Regle

Halb griechische, halb auch französische Donne,
Ist Regula die wackerste Ma Bonne;
Nimmt sorgsam überall, nimmt Tag und Nacht
Die lieben Kinderchen gar wohl in acht;
Weiß wohlgewandt zu gängeln, weiß spazieren
Den kleinen Trupp vorsichtiglich zu führen;
Und läßt fürwahr die trauten Kindelein
Gefahr und Leid nicht eben leicht bedräun.
Das kleine Volk nicht zu skandalisieren,
Mag man sich gern ein wenig mit genieren.
Oft hat's mich, wann um nichts und wieder nichts,
So Einer da, unartigen Gezüchts,
Aus Übermut, der Bonne bloß zum Possen,
Nicht folgsam war, oft hat's mich bald verdrossen.
Doch wenn sie gar zu steif, mit Schneckenschritt,
Durch nackte Gäng' und Sand-Alleen tritt,
Und hin und her hofmeistert: »Feingerade!
Hübsch Füßchen aus- und einwärts hübsch die Wade!
Den Rücken schlank! Fein Hals und Kopf empor!
Zurück die Schultern! Bauch ein! Brust hervor!«
Und wehren will, zur Linken oder Rechten,
Eins auszutraben, Strauß und Kranz zu flechten,
Das laßt hier ein und aus zum Ohr dort wehn!
Laßt, Brüderchen, die alte Strunsel gehn!
Nur Kinder mag also ihr Laufzaum schürzen!
Was thut's, ob wir 'mal stolpern oder stürzen?

Notes
Entstanden 1774, Erstdruck 1775.
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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Bürger, Gottfried August. Mamsell La Regle. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-474A-7