83. Vordeutungen des Todes.

1. Zu Kloster Corvey.

Es hat dieses Kloster von Gott, unter andern, diese sonderbare Gnade gehabt, daß, so oft als einer von den Brüdern sterben sollen, er, drei Tage zuvor, ehe dann er verschieden, eine Verwarnung bekommen, vermittelst einer Lilie an einem ehrnen Kranze, der im Chor hing; denn diese Lilie kam immer wunderbarlich herab und erschien in dem Stuhle desjenigen Bruders, dessen Lebensende nahte, also, daß derselbe dabei unfehlbar merkte, er würde in dreien Tagen von der Welt scheiden. Dies Wunder soll etliche hundert Jahre gewährt haben, bis ein junger Ordensbruder, nachdem er dadurch gleichfalls an sein Sterbestündlein ist erinnert worden, solche Erinnerung verachtete und die Lilie in eines alten Religiosen Stuhl versetzet hat, der Meinung, es würde das Sterben dem Alten besser anstehen, als dem Jungen. Wie der gute alte Bruder die Lilie hat erblickt, ist er darüber so hart erschrocken, daß er in eine Krankheit, doch gleichwohl nicht ins Grab, gefallen, [391] sondern bald wieder gesund, hingegen der junge Warnungs-Verächter am dritten Tage durch einen jählingen Tod dahin gerissen worden.

2. In der Stiftskirche zu Merseburg.

In der Stiftskirche zu Merseburg hat man, drei Wochen vor dem Absterben eines jeglichen Domherrn, bei der Nacht einen großen Tumult in der Kirche gehört, und es ist auf den Stuhl desjenigen Domherrn, welcher sterben sollen, ein solcher Schlag geschehen, als ob ein starker Mann, aus allen Kraften, mit geschlossener Faust einen gewaltigen Streich thäte. Sobald solches die Wächter, deren etliche sowohl bei Tag, als bei Nacht darin gewacht und wegen stattlicher Kleinodien, so darin vorhanden, die Runde gegangen, vernommen, haben sie es, gleich des andern Tages hernach, dem Kapitel angezeigt. Und solches ist demselben Domherrn, dessen Stuhl der Schlag getroffen, eine persönliche Vertagung gewesen, daß er in drei Wochen sterben müsse.

3. In der Domkirche zu Lübeck.

Bei den Lübeckern soll sich in der Domkirche vormals zugetragen haben, was folgt. Wenn auf eines Kanonikus Pult im Chor des Nachts eine Rose gelegt, und früh Morgens gefunden worden, [392] so hat man, ohne einigen Zweifel, daraus geschlossen, daß solchem Domherrn der Tod bald bevorstände. Man fügt hinzu: es habe sich begeben, daß, als einer unter selbigen Domherren, Namens Rabundus, eine solche Rose, welche ihm seine Sterbestunde anzeigte, auf seinem Palte angetroffen, er dieselbe davon weggeräumt und auf eines andern, seines Kollegen, Chorpult gelegt, nichts desto weniger aber dennoch, unlange darnach, der Natur die Schuld bezahlt habe. Man sagt auch daselbst: dieser Rabundus errege auch noch heut im Chor mit Klopfen einen Tumult, so oft das letzte Lebensziel eines Domherrn herbeinahet, und sagt man des Orts im Sprichwort: Rabundus hat sich gerührt, darum wird ein Domherr sterben.

Nach einigen soll Rabundus gesagt haben: er wolle nun, da es mit der Rose trüglich gewesen sei, dreimal klopfen. Dies Klopfen sind eigentlich drei erschreckliche Schläge unter seinem, im Chor befindlichen, sehr langen, großen und breiten Grabsteine, die nicht viel gelinder krachen, als ob das Wetter einschlüge, oder dreimal ein Kartaunenschuß geschähe. Und wenn der dritte Streich geschieht, läuft oder fleugt der Knall über dem Gewölbe, die ganze Kirche nach der Länge durch, mit so starkem Krachen, daß man denken sollte, das Gewölbe wird ein und die Kirche über den[393] Haufen fallen, wiewohl es einmal stärker kracht, als das andere.

4. Im Dom zu Breslau.

Auch hier ward der Tod eines Domherrn durch das freiwillige Läuten einer Glocke, oder Geräusch im Dome angedeutet. Es finden sich darüber im Dome folgende Verse:


Zur Rechten:

Mors venit et nescis aderit ubi, quomodo, quando,
Saepe deus signis hanc properare docet.
Quippe ut dissolvi debeat Canonicus illic,
Pulsus agit templum, murmura dira strepunt.
Credite his verbis monitor attente tuorum,
Martyr Vincenti numen inesse tuum.
Sed quoniam colitur venerabilis hic tua cervix,
In mortis luctu, poscimus, affer opem.
Es kommt der Tod, doch wo und wie und wann,
Weiß niemand; aber Gott giebt oft ein Zeichen,
Daß er sich naht. So oft ein Domherr hier
Verscheiden soll, entsteht ein Läuten und Geräusch.
In solcher Weisung zeigt sich deine Kraft
Binzentius, du treuer Freund der Deinen.
Du, dessen Haupt ein Heiligthum uns ist;
Hilf uns, o Heil'ger, in dem Todeskampf.
Zur Linken:

Res est praedigna, quam signa mente benigna,
Cunctis praelatis et canonicis sodalitatis,
[394]
Stallo sit pulsus, cum quis vadat moriturus.
Martyr Vincenti facis hunc clangore recenti,
Quos cum Baptista parce salute pia.
Bemerken, was sich seltsam hier ereignet:
Soll einer der Prälaten oder Herrn
Des Doms in kurzem sterben, so entsteht
Ein Glockenschla. Du heiliger Vinzent
Machst diesen Ton; o hilf mit Sankt Johann
Dort dem Entschlafenen zu ew'gem Heil.

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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Büsching, Johann Gustav. 83. Vordeutungen des Todes. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-49CE-F