Salas y Gomez

(S. meine Schriften Teil 2. Seite 291)

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Salas y Gomez raget aus den Fluten
Des stillen Meers, ein Felsen kahl und bloß,
Verbrannt von scheitelrechter Sonne Gluten,
Ein Steingestell ohn alles Gras und Moos,
Das sich das Volk der Vögel auserkor
Zur Ruhstatt im bewegten Meeresschoß.
So stieg vor unsern Blicken sie empor,
Als auf dem »Rurik«: »Land im Westen! Land!«
Der Ruf vom Mastkorb drang zu unserm Ohr.
Als uns die Klippe nah vor Augen stand,
Gewahrten wir der Meeresvögel Scharen
Und ihre Brüteplätze längs dem Strand.
Da frischer Nahrung wir bedürftig waren,
So ward beschlossen den Versuch zu wagen,
In zweien Booten an das Land zu fahren.
Es ward dabei zu sein mir angetragen.
Das Schrecknis, das der Ort mir offenbart,
Ich werd es jetzt mit schlichten Worten sagen.
Wir legten bei, bestiegen wohlbewahrt
Die ausgesetzten Boote, stießen ab,
Und längs der Brandung rudernd ging die Fahrt.
Wo unterm Wind das Ufer Schutz uns gab,
Ward angelegt bei einer Felsengruppe,
Wir setzten auf das Trockne unsern Stab.
Und eine rechts, und links die andre Truppe,
Verteilten sich den Strand entlang die Mannen,
Ich aber stieg hinan die Felsenkuppe.
Vor meinen Füßen wichen kaum von dannen
Die Vögel, welche die Gefahr nicht kannten,
Und mit gestreckten Hälsen sich besannen.
Der Gipfel war erreicht, die Sohlen brannten
Mir auf dem heißen Schieferstein, indessen
Die Blicke den Gesichtskreis rings umspannten.
Und wie die Wüstenei sie erst ermessen,
Und wieder erdwärts sich gesenket haben,
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Läßt eines alles andre mich vergessen.
Es hat die Hand des Menschen eingegraben
Das Siegel seines Geistes in den Stein,
Worauf ich steh, – Schriftzeichen sind's, Buchstaben.
Der Kreuze fünfmal zehn in gleichen Reihn,
Es will mich dünken, daß sie lang bestehen,
Doch muß die flücht'ge Schrift hier jünger sein.
Und nicht zu lesen! – deutlich noch zu sehen
Der Tritte Spur, die sie verlöschet fast;
Es scheint ein Pfad darüber hin zu gehen.
Und dort am Abhang war ein Ort der Rast,
Dort nahm er Nahrung ein, dort Eierschalen!
Wer war, wer ist der grausen Wildnis Gast?
Und spähend, lauschend schritt ich auf dem kahlen
Gesims einher zum andern Felsenhaupte,
Das zugewendet liegt den Morgenstrahlen.
Und wie ich, der ich ganz mich einsam glaubte,
Erklomm die letzte von den Schieferstiegen,
Die mir die Ansicht von dem Abhang raubte;
Da sah ich einen Greisen vor mir liegen,
Wohl hundert Jahre, mocht ich schätzen, alt,
Des Züge, schien es, wie im Tode schwiegen.
Nackt, langgestreckt die riesige Gestalt,
Von Bart und Haupthaar abwärts zu den Lenden
Den hagern Leib mit Silberglanz umwallt.
Das Haupt getragen von des Felsen Wänden,
Im starren Antlitz Ruh, die breite Brust
Bedeckt mit übers Kreuz gelegten Händen.
Und wie entsetzt, mit schauerlicher Lust
Ich unverwandt das große Bild betrachte,
Entflossen mir die Tränen unbewußt.
Als endlich, wie aus Starrkrampf, ich erwachte,
Entbot ich zu der Stelle die Gefährten,
Die bald mein lauter Ruf zusammen brachte.
Sie lärmend herwärts ihre Schritte kehrten,
Und stellten, bald verstummend, sich zum Kreis,
Die fromm die Feier solchen Anblicks ehrten.
Und seht, noch reget sich, noch atmet leis,
Noch schlägt die müden Augen auf und hebt
Das Haupt empor der wundersame Greis.
Er schaut uns zweifelnd, staunend an, bestrebt
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Sich noch zu sprechen mit erstorbnem Munde, –
Umsonst! er sinkt zurück, er hat gelebt.
Es sprach der Arzt, bemühnd in dieser Stunde
Sich um den Leichnam noch: »Es ist vorbei.«
Wir aber standen betend in der Runde.
Es lagen da der Schiefertafeln drei
Mit eingeritzter Schrift; mir ward zu Teile
Der Nachlaß von dem Sohn der Wüstenei.
Und wie ich bei den Schriften mich verweile,
Die rein in span'scher Zunge sind geschrieben,
Gebot ein Schuß vom Schiffe her uns Eile.
Ein zweiter Schuß und bald ein dritter trieben
Von dannen uns mit Hast zu unsern Booten;
Wie dort er lag, ist liegen er geblieben.
Es dient der Stein, worauf er litt, dem Toten
Zur Ruhestätte wie zum Monumente,
Und Friede sei dir, Schmerzenssohn, entboten!
Die Hülle gibst du hin dem Elemente,
Allnächtlich strahlend über dir entzünden
Des Kreuzes Sterne sich am Firmamente,
Und, was du littest, wird dein Lied verkünden.

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TextGrid Repository (2012). Chamisso, Adelbert von. Gedichte. Gedichte (Ausgabe letzter Hand). Sonette und Terzinen. Salas y Gomez. 1. [Salas y Gomez raget aus den Fluten]. 1. [Salas y Gomez raget aus den Fluten]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-4C48-5