Ungewitter

Auf hohen Burgeszinnen
Der alte König stand,
Und überschaute düster
Das düster umwölkte Land.
Es zog das Ungewitter
Mit Sturmesgewalt herauf,
Er stützte seine Rechte
Auf seines Schwertes Knauf.
Die Linke, der entsunken
Das goldene Zepter schon,
Hielt noch auf der finstern Stirne
Die schwere goldene Kron.
Da zog ihn seine Buhle
Leis an des Mantels Saum:
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»Du hast mich einst geliebet,
Du liebst mich wohl noch kaum?«
»Was Lieb und Lust und Minne?
Laß ab, du süße Gestalt!
Das Ungewitter ziehet
Herauf mit Sturmesgewalt.
Ich bin auf Burgeszinnen
Nicht König mit Schwert und Kron,
Ich bin der empörten Zeiten
Unmächtiger, bangender Sohn.
Was Lieb und Lust und Minne?
Laß ab, du süße Gestalt!
Das Ungewitter ziehet
Herauf mit Sturmesgewalt.«

Notes
Erstdruck 1827.
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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Chamisso, Adelbert von. Ungewitter. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-4CA0-0