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Da kam vom Heiligen Vater der Brief,
Der unsern Prälaten nach Rom berief;
Zum Fürsten der Kirche, zum Kardinal
Erhebt ihn des Dreimalgekrönten Wahl.
Der alten Günstlinge junger Genoß
Erschien er am Hof, wo bald ihn umfloß
Der trüglichen Sonne blendendes Licht,
Das dort auf schwankendem Boden sich bricht.
Selbstsüchtig schritt, ehrgeizig hinan
Er unverdrossen die schwindliche Bahn,
Und hatte, bei üppiger Lust und Pracht,
Mit nichten noch an Yglano gedacht.
Einst saß er am offenen Fenster allein
In der scheidenden Sonne verlöschendem Schein,
Und starrte, befallen mit finsterem Mut,
Hinaus in die blutig dämmernde Glut.
Da regte Geräusch sich im Säulengang,
Hin warf er den Blick, noch schimmerte lang
Ein farbiges Spiel dem Geblendeten vor;
Yglano erschien, als der Schein sich verlor;
Und wie er ihn scharf in das Auge gefaßt,
Ward eines ihm klar, er erzitterte fast:
Die Sonne sinkt, dein Stern geht auf!
Der lenkt für dich des Geschickes Lauf.
Wie kühn er den Wurf schnell überschaut,
Trat hastig er vor und grüßt' ihn vertraut,
Und sprach, als ein welterfahrener Mann,
Geflügelten Wortes zuerst ihn an:
»Du kommst mich zu mahnen an deinen Sohn,
Mich anzuspornen, das merk ich schon;
[291]
Doch solches, mein Alter, ist nicht am Ort;
Vergaß ich denn je ein gegebenes Wort?
Und was ich bin, dir schuld ich es nur,
Dein bin ich, deine Kreatur;
Ich sag es laut, ich bekenn es frei; –
Du zweifelst, ob ich erkenntlich sei?
Du hast mich erzogen und meiner gepflegt,
Hast, guter Vetter, mich liebgehegt,
Du halfest dem Liebling nach deiner Macht;
Doch eines hast nicht recht du bedacht.
Du hättest gern recht hoch mich gestellt,
Zu wirken, zu schaffen in Kirche und Welt;
Ein Kardinal! das Wort schallt recht, –
Sein Sinn ist: der Knechte niedrigster Knecht.
Mein guter Vetter, o wüßtest du doch,
Wie gespannt du mich hast in ein schmähliches Joch!
Der Neid umlagert die Pfade der Gunst;
Es gilt, sich zu drehn und zu wenden, für Kunst.
Dich lockt die Larve, du trauest ihr wohl?
So schlag an das Herz, da klingt es hohl;
Von Ränken und aber Ränken umgarnt,
Der stellt dir ein Bein, der vor Schlingen dich warnt.
Die Schuld, die heimlich im Finstern schleicht,
Die hat das Ziel am ersten erreicht;
Verworfene Dirnen, um Sünde und Geld,
Und Schächer beherrschen die christliche Welt.
Du wähnest annoch, gutherziger Mann,
Daß deinen Sohn ich befördern kann?
Ich bin, ob sündenhaft, zu rein,
Um irgend in Rom vermögend zu sein.
In meinem Bistum vermocht ich's einmal
Zu schalten, zu walten nach Einsicht und Wahl;
[292]
Das schlechteste Dorf ist ein kleines Reich,
In Rom ist der Zweite dem Letzten gleich.
Der Heilige Vater ist schwach und alt, –
Der müden Hand entsinkt die Gewalt, –
Er ist sehr krank, – er leidet viel, –
Er sehnt sich selbst nach dem letzten Ziel.
Er könnte... sterben, der alte Mann,
Er könnte! mein lieber Vetter, und dann...
Ich meine nicht... versteh mich nur:
Er könnte, es liegt im Lauf der Natur.
Sieh krampfhaft deine Knie mich umfahn!
Verbeßre, vollende, was du getan,
Zieh mich empor aus dem Sündenpfuhl
Und bahne den Weg mir zum heiligen Stuhl!
Dann bricht mir an der gehoffte Tag,
Wo alles ich dir zu vergelten vermag;
Dein Sohn... Gebiete, Vetter, du bist
Mein einziger Gott, mein Heiland, mein Christ!«
Gelassen darauf Yglano: »Genug,
Zuviel gesprochen in einem Zug;
Was aber dahinter verborgen, und nicht,
Wir fördern es, mein ich, sogleich an das Licht.
Der Kardinal ist Euch zu gering,
Es dünkt Euch Pabst sein ein anderes Ding;
Wir wollen sehn, wir wollen sehn!
Euch mag nach Eurem Glauben geschehn.«
Er hub die Hand bedrohlich fast,
Zog Kreis auf Kreis in die Luft mit Hast:
»Sie hocus pocus Schiboleth!
Es wird erst Tag, wann die Nacht vergeht!« –
Ihm schaute zu, und atmete kaum,
Der Kardinal, wie im Fiebertraum;
Das Wort war gesprochen, das Werk vollbracht;
Er rieb sich die Augen, es war noch Nacht.
[293]

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Chamisso, Adelbert von. Gedichte. Gedichte (Ausgabe letzter Hand). Lieder und lyrisch epische Gedichte. Vetter Anselmo. 3. [Da kam vom Heiligen Vater der Brief]. 3. [Da kam vom Heiligen Vater der Brief]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-4DD9-8