Fünf Treppen hoch

Fanny Meißner

in treuer Freundschaft zugeeignet.

[81] Ich besaß es doch einmal,

Was so köstlich ist!

Daß man doch zu seiner Qual

Nimmer es vergißt.

Goethe.

[82]

1.

Fünf Treppen hoch, fünf Treppen hoch,
Dem Himmel nah, dem blauen,
Die Tauben nur vermögen noch
In unser Heim zu schauen.
Tief unten liegt die Welt, es dringt
Nur in verlornen Tönen
Herauf, was so betäubend klingt,
Ihr Jubeln und ihr Stöhnen.
Wenn es auch oben einsam ist,
Du sehnst Dich nicht hinunter,
Und wie Dein kleiner Vogel bist
Du immer froh und munter.
[83]
Vom Kirchthurm in die traute Ruh'
Des Stübchens manchmal klingen
Die Glockenstimmen ... aber Du
Kannst doch viel schöner singen.
Fünf Treppen hoch, fünf Treppen hoch
Halt ich Dich treu geborgen,
Was gilt die Welt mir unten noch
Mit ihren grauen Sorgen.

[84] 2.

Schau! über unserm Fenster
Da bauet rasch und fest
Ein schmuckes Schwalbenpärchen
Behutsam sich sein Nest.
Das ist ein gutes Zeichen!
Die bringen Glück und Freud,
Wenn auch die Ahne sagte:
»Das schwatzen dumme Leut.«
Sie war stets eine kalte,
Bärbeißig-harte Frau,
Nur Unglückszeichen konnte
Sie deuten ganz genau.

[85] 3.

Bald jährt sich unser Hochzeitstag,
Wo ich durch Sturm und Regen
– Die zitternd mir im Arme lag –
Dich hertrug – mir zum Segen.
Wie bist Du demuthvolles Kind
So hilflos dort gesessen,
Im Schornstein wimmerte der Wind,
Ich kann es nie vergessen.
Mein heißes Blut begehrte Dich,
Doch rührte mich Dein Bangen,
Und einem tiefen Mitleid wich
Mein liebendes Verlangen.

[86] 4.

Jetzt schlägt die Uhr –
Ei schilt mich nur,
Sonst geh' ich nicht hinaus!
Mein liebster Platz
Ist immer, Schatz,
Bei Dir im stillen Haus.
Viel Pracht und Glanz
Im Wirbeltanz
Vorbei da unten jagt.
Nach all der Macht
Und Kleiderpracht
Hab' sonst ich nie gefragt.
Jetzt aber schleicht
Sich schmeichelnd-leicht
Gar mancher Wunsch zu mir,
So hohe Schuh,
Ein Kleid dazu
Brächt' ich gar gerne Dir.
[87]
Ei lächle nicht!
Ein armer Wicht
Träumt viel den langen Tag,
Fern muß ich sein,
Und du allein ...
Das ist die größte Plag.
Die dumme Uhr! –
Ja schilt mich nur
Und jage mich hinaus.
Viel Arbeit harrt,
Für mich bewahrt,
In meines Meisters Haus.

[88] 5.

Die Arbeit geht mir von der Hand,
Aber mein Sinn ist trüb ...
Ich liebe Dich und bau auf Sand
Denn Du – hast mich kaum lieb,
Ich füge fleißig Rad zu Rad,
Doch thut das Herz mir weh!
Ich muß dran denken früh und spat,
Bis ich Dich wiederseh!
Dann sag mir: »Ich gehör' Dir an!«
Dein liebliches Gesicht,
Dein Mund, er küsset mich sodann,
Doch – Deine Seele nicht ...

[89] 6.

Ich muß die Menschen immer wieder segnen,
Die gütevoll mir einst mein Handwerk lehrten.
Bin ich doch einer von den Vielbegehrten!
Und jedem Meister darf ich stolz begegnen.
Nur Träge schreien stets von Mühe, Frohne,
Nach Willkür kann mit meiner Zeit ich schalten,
Um Deinetwillen nur mag ich es halten,
Als ob ich stände noch im kargen Lohne.
Bald will ich Meister sein und nicht Geselle,
Und darum heißt es frisch die Hände rühren,
Dann kann ich bald in jenes Haus Dich führen,
Das auf der Erde Dir die liebste Stelle.

[90] 7.

Die liebste Stelle ... arme, arme Waise!
Die liebste Stelle war im fremden Haus ...
Doch dankbar hängt Dein immertreues Herz
An jenen Menschen, welche dort einst lebten,
Sich Dein erbarmten und Dich herzlich pflegten
Als schwach und hilflos Du.
Wenn Du im Dämmerlichte des Erinnerns
Mir sprichst von unsern frohen Kindertagen,
Dann wird lebendig mir die alte Zeit ...
Ich sehe einen unbeholfnen Buben
Mit sonnverbranntem Antlitz, großen Ohren,
Den heißen Kopf durch grüne Büsche stecken
Und schüchtern ausspähn, ob des Nachbars Mädel
Sich noch herumtreibt in dem großen Garten,
Und hör' ihn stotternd deinen Namen rufen
Und dreimal »Kuckuk!« schrein ....
Und meinem Lockruf bist Du rasch gefolgt;
Oh eine kluge Spielgefährtin warst Du mir,
Die ernsthaft-still an meiner Seite saß,
[91]
Wenn ich Geschichten, grause, ihr erzählte,
Die an des Ahnen Werktisch ich ersann,
Dieweil ich sorgsam Rad zu Rädchen fügte,
Und ringsumher die fert'gen Uhren schlugen,
Die meines Vaters Vater kunstvoll machte.
Zuweilen aber wollt' kein Schräubchen sitzen,
Wollt sich kein Rädchen fügen und kein Stein.
»Du wirst mir nie ein rechter Lehrling, nie!
Nie ein Geselle wie Dein Vater war,
Ein Meister niemals, wie ich selber bin ...«
So schalt der Alte, glotzte durch die Brille
So grimmig, daß ich jählings nimmermehr
Dein Stimmchen durch die Lüfte zittern hörte,
Das erst die Arbeit mich vergessen ließ,
Weil es, mich rufend, Ringel ringel-reihe!
Vom Gartenzaune leis' herübersang ....
Und dann die dämmerstillen Feierstunden,
Wenn Du mit Deinen nackten kleinen Füßen
Frischweg mit mir durch Feld und Thal gelaufen.
Denk ich daran, so fasse ich es kaum,
Wie schnell die Zeit verrann ...
Mir wird zu Muth' als säßen plötzlich wir
In jenem Hause bei den guten Menschen,
Als wären wieder Beide wir daheim
Und hätten niemals, niemals uns verlassen.
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
[92]
Siehst Du, da steht das Haus und auf dem Sims
Da schnäbeln, drehen, zieren sich die Tauben;
Die Schwalben schießen zwitschernd hin und her,
Und auf dem Schornstein zanken sich die Spatzen.
Die kleinen Zicklein machen tolle Sprünge
Rund um den Haushund mit dem Zottelpelz,
Der vor der Thür liegt und sich heiser bellt,
Wenn Vagabundenvolk des Weges kommt.
Die schwarze Henne trippelt rufend glucksend,
Von einer flaum'gen Küchleinschaar umgeben
Vorsichtig durch den Hof.
Und erst die Bäume! .... Die breite alte Linde,
Der Fliederstrauch, der seine vollen Zweige
Bis an das Dach des niedern Hauses streckt
Und mit den blauen Blüthenbüscheln leise
Im Winde an die schmalen Scheiben pocht.
Die Schlehenhecken, die den Garten säumen,
Vermengt mit manchem wilden Rosenstrauch.
Die rothen Hagebutten und die blauen Schlehen,
Die gaben, aufgereiht an alte Wollenfäden,
Gar köstliches Geschmeide für Dich einst. –
Und draußen vor dem Zaune rechts und links,
Da stehen bei dem morschen Gitterthor
Die beiden steifen, schattenlosen Pappeln,
Die immer staubbedeckt und ängstlich scheinen,
Weil niemals frisches Grün die Blätter schmückt
Und stets ein Zittern durch die Zweige irrt.
[93]
Doch nun hinein in unser altes Häuschen ...
Statt einer Flur hat es die große Küche,
An beiden Seiten sind zwei Stuben nur,
Die geben Raum für karges Hausgeräthe,
Der grüne Ofen mit der plumpen Bank,
Der schwere Tisch mit festgefügten Bänken,
Darüber dann in einer Fensterecke
Mit Tannenreis umkränzte Heiligenbilder,
Das Messingherz mit blanken Flügeln dran
Und mitten drin das rothe Seelenlämpchen,
Das grobgeschnitzte Bettgestell voll hoher Kissen,
Die buntbemalte Truhe mit dem Sonntagsstaat ...
Das Alles steht vor mir bekannt und lieb,
Als wär ich dort gewesen all die Tage.
. . . . . . . . . . . . . . . . . .
Ganz unterm Dache aber steckt ein Stübchen,
In dem Nichts steht als nur ein Kinderbett.
Ein schläferiges Mägdlein kniet dort,
Das folgsam seine schmalen Hände faltet
Und mühsam nachlallt was die alte Frau
– Mit ihrem Wackelkinn und tausend Runzeln –
Ihm vorspricht, jedes lange Wort betonend,
Als müsse Gott das ganz besonders hören.
Am Fenster lehnt ein Mann mit weißem Haar
Und ernsten, starken, aber gütigen Zügen.
Er regt die Lippen nicht, er betet leise,
[94]
Und seine rauhe schwielenvolle Hand
Legt federleicht er auf des Kindes Köpfchen
Als übermannt vom Schlaf es flüsternd umsinkt
Und tiefe Athemzüge durch das Stübchen wehn.
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

[95] 8.

Ich zog dann fort, und als ich wiederkam,
War leer das Haus ... Die Alten längst gestorben,
Das blonde Kind weit in die Welt gegangen ...
Ich mußte lange – lange – lange suchen,
Bis ich Dich fand ...
Bei harten Menschen fand ich wieder Dich,
Bei harter Arbeit ... Ohne Wunsch und Klage,
So müd und einsam, ohne Glück und Jugend ...
Da kam die Stunde, wo Dich innig liebte
Mein starkes Herz!
Wo ich, der Armuth und der Arbeit Sohn,
Um Dich, Du bleiches Kind des Elends, freite,
Das mich nicht liebte, aber mir vertraute
Und vor mir stand voll Schreck und scheuem Zagen
Und weinend schwieg. –
[96]
Doch als Du später Deine liebe Hand
Vor dem Altare legtest in die meine,
Als ich fünf Treppen hoch Dich junges Wesen
Herauftrug in die luftige Hochzeitskammer,
Da war ich stolz!
Viel stolzer als ein mächtiger Fürst,
Der seine Braut heimführt in goldne Säle ...
Du blinzelst, schüttelst kichernd Deine Locken,
Weil ich von jenem Tage wieder träume
Im Vollmondlicht ...
Weil ich die reiche Seligkeit,
Die damals mir geworden, ganz durchschwelge;
Doch horche nur, Du blonde Ueberkluge:
Das Häuschen, wo als Kinder wir oft spielten,
Schenk' ich Dir einst.
Vielleicht schon morgen kommt das Glück herauf
Und schüttet gelbes Gold in unsere Hände ...
Vielleicht bleibt es noch fort die kurze Weile
Und kommt dann ungesehen angeflogen
Ganz ohne Gold ...
[97]
Und doch das ganze Glück! ... Mich dünkt, ich hör'
Schon seinen Flügelschlag in solchen Nächten,
Und eine feine Kinderstimme flüstern:
Bald wirst Du mich in Deinen Armen halten,
Ich bin das Glück! ...
Bis dahin aber laß mein dunkles Haupt
An Deinen Knien lehnen, laß mich träumen,
In meine Zauberwelt entzückt versunken,
Umwoben von geheimnißvollen Mächten
Im Vollmondlicht.

[98] 9.

Ei lache nicht, es werden wohl
Noch einmal meine Träume wahr,
Wenn es nicht morgen kommen soll,
Kommt alles Glück doch über's Jahr.
Du bist die Jugend, ich bin jung,
Wir sehen weit, wir gehen weit,
Wir haben Muth und Kraft genung,
Vor uns liegt eine lange Zeit.
Ei lache nicht! und sage nicht,
Ich sei ein Träumer, ein Poet,
Du selber bist mir ein Gedicht,
Wie keines in den Büchern steht.

[99] 10.

Jetzt horche auf den Glockenschlag,
In meine Augen schau!
Vor einem Jahr, mit Stund und Tag,
Nannt' ich zuerst Dich »Frau!«
Hoch oben saßen wir allein,
Und draußen war es grau ...
Heut' sitzen unten wir beim Wein,
Der Himmel ist so blau!
Wo werden über's Jahr wir sein? ...
Ich weiß es schier genau!
Da führ' ins eigne Haus ich ein
Die junge Meistersfrau.

[100] 11.

Du kannst tanzen?!
Dich zierlich schwingen,
An meiner Hand
Den Reigen schlingen?
Ich dachte nie dran,
Daß auch ich es kann –
Mit einmal fand
Dein eitler Mann,
Daß er tanzen kann!
Du kannst tanzen,
Dich flüchtig heben
An meiner Brust
Und weiter schweben!
Ich dachte kaum
Im seligsten Traum
An solche Lust!
Jetzt lacht Dein Mann,
Weil er tanzen kann!

[101] 12.

Du tanzest so schön! Mit neidischen Blicken
Verfolgen dich alle, mein zierliches Weib,
Die Frauen, sie zischeln, fragen und nicken,
Ich aber umspanne den blühenden Leib.
Geliebte, nur ich will dich leiten und führen,
Nur ich will dich pressen so fest an mein Herz.
Es darf dich kein Andrer zum Tanze erküren,
Mich streife dein Athem, mir lächle dein Scherz!

[102] 13.

Das ist der Frühling, mein junges Weib,
Er macht das Herz Dir klopfen,
Auf Deinen Blumenwangen glänzt
Der Thau in hellen Tropfen.
Das ist die Liebe, mein junges Weib
Die still Dich überkommen ...
Und die Dein zitternd-scheues Herz
Im Frühling Dir genommen.

[103] 14.

Nein! ... Nein!
Es ist
Kein Traum ...
Was jetzt wie
Einer Braut
Dir bang den
Busen hebt,
Aus Deinem
Auge schaut,
Durch Deine
Glieder bebt!
Es ist
Kein Traum ...
Nein! ... Nein!
Ja? ... Ja?!
Es ist
Das Glück!
Was Du mir
[104]
Anvertraut,
Erröthend,
Demuthsvoll,
Was ich nicht
Ueberlaut
In Lüfte
Jubeln soll ...
Es ist
Das Glück!
Ja! ... Ja!

[105] 15.

Viel schneller, als ich es gedacht,
Viel heller kam das Glück uns noch;
Wir wohnen ja fünf Treppen hoch,
Da hat der Storch es rasch gebracht.
Vom Kirchthurm flog er durch die Nacht
Mit seiner schlafbefangnen Last;
Nun küsse sanft den kleinen Gast
Und harre, bis das Glück erwacht.

[106] 16.

Ganz eingerahmt in weichem Flaum
Sind heute unsre Scheiben,
Ich sehe durch die Lücken kaum
Das wirre Flockentreiben.
Der Thurm hat eine Mütze auf
Schneeweiß, und Edelsteine
Umglitzern ihn bis an den Knauf
Im Wintersonnenscheine.
So guckt er freundlich aus der Fern'
In unser Nest das warme,
Als freute auch den alten Herrn
Das Kind in deinem Arme.

[107] 17.

Das Alles währt
Nur kurze Zeit,
Dann wird es jählings thauen,
Dann wird gar schnell
Im blauen Kleid
Der Himmel niederschauen.
Der alte Thurm
Wird wieder grau
Und alle Schwalben kommen,
Es kommen dann,
Allmälig, lau,
Maidüfte angeschwommen.
Sie locken Dich
Hin durch den Wald
Zu Deiner liebsten Stelle ...
Weib! ... wenn es thaut,
Dann bin ich bald
»Herr Meister!« – nicht Geselle.

[108] 18.

Wenn das weiße Mondenlicht
Durch die klaren Scheiben rinnt
Und Dein holdes Angesicht
Sacht mit Schleiern überspinnt,
Wenn das Kind an Deiner Brust
Träumend lächelt – fremd der Welt –
Ahnt mir, daß es unbewußt
Noch mit Engeln Zwiesprach hält ...

[109] 19.

Deine Locken sind es,
Dein Gesicht,
Nur bleich wie Du
Ist das Kindlein nicht.
Deine Stirne ist es
Und Dein Mund
Und auch Dein Auge
So kindlich-rund.
Dein Lächeln ist es,
Dein Zucken gar ...
Das immer
Heimliches Weinen war.

[110] 20.

Nicht gräm' Dich stumm ob unserer Noth,
Viel ist uns noch geblieben.
»Die Liebe ist stärker als der Tod!«
So steht es, mein Weib, geschrieben.
Nicht halte Deine Thränen zurück,
Vor mir dem treuen Gefährten;
Heut' liegt in der Wiege noch das Glück,
Und morgen tief in der Erden ...

[111] 21.

Doch schärfer als sonst ist der Schmerzenszug
Auf Deinem Antlitz ausgeprägt.
Du gönnest dir nicht Ruh genug,
Zu treu hast du das Kind gepflegt.
Doch weißer als sonst ist heute Dein Mund
Und Deine Augen glänzen erregt,
Du athmest mühsam! ... Thu mir kund,
Ob einen Wunsch Deine Seele hegt?
Und schwerer als sonst Deine kleine Hand
Sich plötzlich auf meinen Scheitel legt;
Du wirst so still ... Sag, was entschwand
Aus Deinem Aug' wie fortgefegt?
Und kalt und starr wird Dein holder Leib,
Dein Herz nimmer sanft an meinem schlägt ...
So rede, ... Weib ... mein Weib! ... Mein Weib!!
Herrgott! ....... todt! ......

[112] 22.

Anzünden das Licht ...
Warum? – Wozu
Beleuchten
Die öde Ruh,
Das eigene Leid,
Die feuchten
Einsamen Kissen,
Das winzige Kleid,
Das zerrissen
Im Fenster schwebt,
Und bewegt vom Wind
So sachte webt,
Als trüg' es mein Kind ...
Das gestern – gelebt.

[113] 23.

Vorbei ...
Für allezeit!
Nichts blieb zurück!
Dahinter weit
Das Glück,
Dahinter fern
Alle Freud',
Jeder Stern!
Wohin ich seh',
Hilfloses Leid
Und Weh!

[114] 24.

Durch die frostige schweigende Nacht
Scholl dumpfes Klopfen
An meiner Thür;
Da hab' ich gedacht,
Du seist erwacht
Und sie haben mir
Dich heimgebracht ...
Oh! – Kalte Tropfen
Fielen auf diesen Traum der Nacht.

[115] 25.

Wie draußen Alles vorübertreibt,
Und wie sie Alle lustig sind;
Oft staut die Menge sich, dann bleibt
Am Werkstattfenster stehn ein Kind.
Das hebt sich auf den Zehen und schaut –
Oh wären doch die Scheiben blind!
Es lacht mich an vertraulich-laut,
Mein junges Weib! ... Mein kleines Kind!

[116] 26.

Ich habe mich heute redlich gemüht,
Die Schläfe pochen, die Stirne glüht,
So lange bin ich gesessen.
Ich fügte Rad und Rädchen geschwind,
Ich sprach mit Meister und Gesind,
Lern' ich also vergessen? ...

[117] 27.

Ein holdes Wort, ein weicher Ton
Zog seltsam durch mein Leben,
Im Vollmondlicht als Knabe schon
Hört' ich sein leises Weben.
Doch jählings ist der Zauber fort,
Der mich so lang umsponnen,
Der weiche Ton ... das holde Wort ...
Im Vollmondlicht zerronnen.

[118] 28.

Dahin sind sie,
Ich lebe noch –
Das Mondlicht fällt herein..
Fünf Treppen hoch,
Fünf Treppen hoch ...
Vereinsamt und allein!

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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Christen, Ada. Fünf Treppen hoch. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-4F36-8