[94] 22.

Mein Herzens-Sohn, doch nicht der meiner Lenden,
Das heimathlose Kind, das ich erzogen,
Es kommt auf raschem Schiff zu Dir geflogen
Nur diesen Boten will ich zu Dir senden.
Aus reinen Händen sollst Du rein empfangen
Die morschen Blätter sammt dem letzten Willen,
Selbst hören von dem alten Mann, dem stillen,
Der nach vollbrachter Arbeit heimgegangen. –
Und sollt' ein blühend Enkelkind Dir leben,
Ein Mädchen, ähnlich Dir an Reiz und Milde,
So werbe ich und fleh', vor meinem Bilde
Mögst ihre Hand Du meinem Knaben geben.
Laß' nimmer ihn aus Deinem Hause scheiden;
In seinen Augen kannst allein Du lesen,
Wie theuer mir der Herzens-Sohn gewesen.
Mög' doch mehr Glück ihm blühen als uns Beiden! –
[95]
Oh lächle nicht ob dieser letzten Bitten,
Der Knabe hat ein Herz, hat eine Seele
So fromm wie meine war – eh' Wahn und Fehle
In ihr genistet – eh' ich viel gelitten! ...
Wie war es einsam auf den fremden Wegen,
Wie wird es einsam sein in fremder Erde. –
Wirst Du auch beten, daß sie leicht mir werde?
Dir und der Heimath meinen – letzten – Segen! –

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TextGrid Repository (2012). Christen, Ada. 22. [Mein Herzens-Sohn, doch nicht der meiner Lenden]. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-511B-F