[377] Kurtzer Satyrischer Gedichte
Drittes Buch

1.
Wo Gunst, da Kunst
An den Leser

Daß Maro seinen Geist, das Flaccus seinen Mund,
In solcher Pracht erhebt, so zierlich weiß zu zwingen,
Geschicht, weil sie die Verß in denen Haüsern singen,
Allda die Majestät der Welt Beherrschung stund.
Ich tichte weit von Rom. Allhier wo alle Kunst,
Wo alle Wißenschafft umb Arctos liegt verfroren,
Es leiht mir kein August und kein Mæcenas Ohren,
Kein Leser stöhrt den Fleiß durch solche Gnad und Gunst.
Doch ist noch mancher Freund, der meine Bücher trägt,
Und mit dem Nachbar list: Sie fluchen auff die Waffen,
Sofern ihr Czepko nicht kan im Parnassus schlaffen,
Wiewol er sich dahin offt auff ein Ohr gelegt.
Ihr Freund, ich wolte wol mein Deutschland zu verehrn,
So gut als ein Virgil Arma Virumque ruffen:
Doch eher dürfft ihr nicht auff solche Blätter hoffen,
Biß mich wird ein August und ein Mæcenas höhrn.

2.
Tödtende Erfahrenheit
Von einem unverständigen Artzt

Vespillo wird berühmt vor andern Aertzten werden,
In dem er seine Kunst auff manchen Schlag versucht,
Itzt Pulver stöst und siebt, itzt Träncke seudt und kucht:
Und seine Krancken schickt fein ordentlich zur Erden.
Man muß nur seiner Art und Wißenschafft gewohnen,
Und wer wil einen Artzt vor die Gerichte ziehn:
Er tödtet ohn Entgelt, man weiß es zuvorhin,
Dem er sein Recht gethan, der muß ihn noch belohnen.

4.
Kehre vor deiner Thür
An einen Welschen

Rück' nicht ohn Unterlaß den Trunck den Deutschen für:
Man sieht dich Tag und Nacht in Huren Haüser rennen;
[378]
Dein Knab ist unser Schild: Sol dein Geschlecht in nennen?
Was er im Affter führt, das ruffet Schwager dir.

6.
Es gehöret mehr dazu
An einen Stadt Verkehrer

Die Fiedler und darzu die Dudler sollen dir,
So um die Kretscham Saul ein Dorff voll Bauern jagen,
Die Städte durch das Land vor ihren Tisch betagen,
Und Bürgermeister seyn, die du zeuchst andern für.
Du sprichst, wo Jungfern stehn, da zeucht man Zapffen auff,
So kan man Städt' und Land verdudeln und verfiedeln:
Wie wird den Erbarn Rath die Noth im kurtzen igeln:
Der Feind kommt: Zuvor, bleib: Dann wird ihr Wort seyn: Lauff!

8.
Sold, Übung, Straffe gehöret den Soldaten

Fragt ihr, woher es seyn, wann eine Schlacht geschieht,
Und in dem freyen Feld ein Heer das andre sieht:
Daß erstlich Unsre fliehn: Solt' es nicht daher kommen,
Daß zu viel Lauffgeld Sie vor auff die Hand genommen.

9.
Ruhm gehet vor Reichthum
An einen Neidischen Verfolger

Du sprichst ich hätte nichts gelernt als Verse schreiben,
Mit denen niemand ihm den Hunger kan vertreiben:
Hergegen bläst dich auff das grosse Schreiber Ammt,
Und durch die Wissenschafft hönst du uns allesammt.
Es ist wol wahr, ich kan die Leute nicht verjagen,
Nicht fälschlich schwehrn, nicht Geld in fremden Schreibtisch tragen:
Indem ich aber weiß, acht ich mich hochgelehrt,
Wohin mit seinem Geld ein solcher Mann gehört.
Nun Juncker nicht zu stoltz: Du must mich nicht verachten,
Die Verse heißen mich nach Ruhm und Ehre trachten:
Der Höchste wird mich führn in seinen Himmel ein,
Wenn deine Goldne Kett einmahl wird eisern seyn.

10.
Nichts ohne Wunderwercke
Von dem Durchlauchtigen Hause von Oesterreich

Seht unser Oesterreich steht über den Gestirnen,
Es grünt und blüht ie mehr, ie mehr es Feinde hat,
Was machstu hier o Welt, es wird sich früh und spat
Die gantze Welt zu todt an diesem Hause zürnen.
[379]

12.
Glückl. Weiber Abgang
An den Sylvius

Hört doch, was Sylvius zu mir vorgestern sprach,
Nichts üblers kan uns Gott, als durch ein Weib begaben:
So sprach er; als er gleich das Sechste ließ begraben,
Und holt ihm unverwandt das Siebende hernach.

15.
Schertz ohne Galle
Von einem Handelsmann und Fleischhacker

Es kam ein Handels Mann nechst einem Fleischer bey,
Die zugen sich nun auff, und schertzten beyde frey:
Der von dem Beile sprach: Laß mich, sonst ruff ich dir,
Knecht kom in Stall und halt allda die Ochsen mir:
Der Handelsmann erwuscht ihn stracks und sprach: Wie nu?
Ich halt ihn schon, steht auff Ihr Gäst und schlaget zu.

16.
Vollbrütig, Gutthätig
An einen gefräßigen Polyphemus

Wenn man dich sieht als wie ein Ungeheuer kommen,
Vor dem die Thüren, Bänck und Tische gantz verstummen,
Da flucht der Koch, ja selbst die Bräter schrumpffen ein,
Denn du solst seine Furcht und ihr Erschrecknüß seyn.
Und nicht umbsonst; denn so du frist, so kan dein Magen
Mehr Fleisch, als Pohlen vor auff Schweidnitz trieb, ertragen,
Und wenn du saüffst, so rinnt durch deiner Gurgel Schlauch
Das Faß von Heidelberg in den so tieffen Bauch.
Als weit du reichst, wo du die Taffel kanst bebrütten,
Da sieht es wüster aus, als in den Bauerhütten:
Die bey uns Wirth und Vieh und Körner ledig seyn,
Was nicht der Schlund, das ziehn drauff beyde Diebsäck ein.
Wann du als eine Bach im brüchiglosen Wasen,
Den die Vollbrätigkeit vergruntzt und auffgeblasen:
So stürtzt dein satter Wanst den Vorrath wieder aus,
Mit dem dein Wirth versieht die Mast Schwein unterm Hauß.
Es hat sich sehr genarrt, der dich zum Hunger leiden
In unsre Pest gelegt, du bist zu unbescheiden:
Ob die Besatzung gleich mit uns umschloßen ist,
Sperrst du dich wie ein Wolff, wo du es rauchen siehst.
[380]
Als du dich in den Tisch, da, wo ich war, gefunden,
Und Krüg und Schüßeln leer, als weit ich sahe, stunden,
Mein lieber Polyphem! Da nahm ich meinen Bauch
Und gieng davon und dacht: Er frist dich endlich auch.

18.
Gute Zucht, gute Sitten

Was wolt ihr eure Söhn in frembde Länder schicken,
Den Leib und Sinn mit Tracht und Sprachen auszuschmücken:
Ihr Mütter thut es nicht, der Bauer ingemein,
Wenn er den Mist besieht, redt wol und gut Lad ein.
Spansch, wenn er klagt, daß man wil nach Rebeldern fragen:
Welsch, wann mit Gabeln sich die Cavaliere tragen.
Und wann er saüisch frist, giebt er frantzösisch zu:
Die Deutsche Sprache bleibt vor dieser Schaar zu Ruh.
Man hört nichts als Don Hans, als Signor Merta ruffen,
Wann Balger Dominus läst Mons. Bartheln ruffen.
Das sind die Sprachen bloß: Wer sich läst weiter ein,
Der muß gestehn, daß sie sehr scharff gelehret seyn.
Man hört die Schöppen ja (es sind sehr hohe Sachen)
Vom Ent, und vom non Ent im Kretscham Schlüße machen:
Kein Dorff ist, wo man nicht die schweren Fragen rührt,
Und endlich in den Stock ein ander drüber führt.
Zwar Schaaff und Küh und Pferd, und Hoff und Haus u. Leben,
Muß vor das Lehr Geld er den scharffen Schulherrn geben:
Ihr Mütter eure Söhn, indem ihr kratzt und schabt,
Verlehnen auch ihr Gut und alles was ihr habt.
Das ist der Unterscheid: Die Bauern hinterm pflügen
Begreiffen ihre Kunst und Wißenschafft im Kriegen:
Viel Bauern Kinder sehn in Finstern Zimmern an,
Draus kaum der Zehnde das, was hier ein Bader kan.

22.
Gefährlicher Banco rotto
Als Gentil zum andernmahl umbgesattelt

Die Seele trug Gentil dem Pfaffen wieder an;
Sechs Gulden gab er ihm, die jener bald verthan.
Erst galt sie mehr, dann da, als er Romanisch worden,
Hat er ein reiches Ammt, stund in der Landherrn Orden.
[381]
Gentil! wie fällt der Werth, halt an, wo du die Pflicht
Auch künfftig brichst; glaub es, sechs Heller gilt sie nicht:
Mein Pfaff! unlängst und itzt, und künfftig ist verlohren
Dein Geld. Warum? Er hat die Seele längst verschworen.

24.
Mit der Saüle, das Gebaüde
An Deutschland

Ich sag es, Deutschland, dir, Sol Oesterreich ja fallen,
Wie iedem seinen Fall der Himmel auserkiest:
Du fällst mit ihm: Ich hör, ich höre Haüser schallen,
Dann mit der Saulen fällt, was drauff gebauet ist.

26.
Diæt Hochtrabender Quacksalber

Iß'st du? Der Artzt der nimmt die besten Austern dir,
Hält sie vor Ungesund, ob sie Ihm gleich nichts schaden.
Trinckst du? alsbald du wilt die Zung im Golde baden
Fast er den Kelch und setzt vor sich den Malvasier.
Kranckst du? er kocht dir Tränck, ob er nicht gleich davon
Den minsten Tropffen schmeckt, und macht dir viel Beschwerden.
Stirbst du? Weil er dir hilfft fein nach der Kunst zur Erden,
Heischt als ein Hencker er noch vor den Tod sein Lohn.
Ja wol, man kan ihm kaum gerecht im Zahlen seyn,
Verdrüßlich, weil man lebt, beschwerlich, wann wir sterben,
Und unrecht nach dem Tod ist dieser Leute Werben:
Es steht da selten wol, wo sie gehn aus und ein.

30.
Nicht der Anfang, sondern der Ausgang
Welscher Krieg unter Urbano IIX.
Pont. Max.

Der alte Vater wil in Welschland Kriege führn,
Und läst voll Geistlichkeit vor Glocken Drommeln rührn:
Der friedsam hat gelebt, läst itzt die Bienen schwärmen,
Wer ihren Stachel fühlt, wird sich von Stund an härmen.
Sey wach, o großes Rom, der Finne fragt nach dir,
Der alten Gothen Geist waltzt sich vom Arctos für:
Ihr Herrn, ihr werdet noch der Barbarn ihre Diener,
Der Barbarn, oder ja zu vor der Barberiner.
[382]

31.
Beydes wahr
Von General Torsten Sohn

Ihr dürstet so: dabey sol man ihn lernen kennen,
Sol man den Torstensohn, sprach Criticillus, nennen:
Mein Freund ihr irrt: daß er (dis kommt mir beßer bey)
Nicht durstig, sondern gar zu Thurstig vor uns sey.

37.
Kein Tag ohne Erinnerung
Über seines liebsten Freundes Herrn Albrecht von Donaths Geburtstag, welcher auff der Heil
Drey Könige Tag eingefallen

Tag sey gegrüßt, du gieb, Apollo, Verse her,
Ihm sey ja kein Gewülck und dir kein Strahl zu schwer:
Heut (und wer wolte nicht die Freud in ihm vermehrn)
Seh ich drey Könige das große Kind verehrn:
Heut! ach der Güttigkeit! verehret nach Begier
Sich selbst das grosse Kind den Eltern und dann mir.
Verzeiht es mir, so weit ein Mensch vor Schätze geht,
Nach selbigen die Welt mit ihren Kindern steht,
So weit geht dis Verehrn den Königlichen bey:
Dann denckt, daß dis von Gott, von Menschen jenes sey.

40.
Ehe ärger, als beßer
Beantwortung einer immerwährenden Frage

Du fragst mich allemahl, wann wird es besser seyn?
Wo es dich nicht verdrüßt, ich wil es dir wol sagen:
Dann wird es beßer seyn, wann ieder nach Behagen
Sich in den alten Stand wird laßen weisen ein.
Alsdann so wird der Blind im Pfarrock einher gehn,
Der Krumme seinen Dienst dort hintern Mauern suchen,
Der Schlimm in Klöster ziehn mit Eyer Brod und Kuchen:
Der Blaße vor der Thür mit seinem Hüttlein stehn.
So wird, (verzeih es mir, ich rede, wie ich bin)
Der Kürschner wieder nehn, der Fleischer Vieh begreiffen,
Der Pfeiffer auff dem Thurm ein Lied zu Tische pfeiffen:
Der Drechsler drehn, den Strang der Seiger-Wächter ziehn.
Wann alles so gesetzt in alten Stand wird seyn,
So wird es beßer auch, als wie ich hoffe, werden:
Mein Bruder, was schafft dir mein Antwort vor Beschwerden,
Glaub es, was ich geredt, das weiß ich nicht allein.
[383]

43.
Nicht prale, sondern zahle
Von dem Alvendo

Alvendus kaufft ein Gutt von funffzehn tausend Cronen
Das wol ist angebaut, und da viel Leute wohnen:
Er hat es um das Geld gefunden, wie man spricht,
So wol kaufft er. Warumb? Er zahlet keines nicht.

44.
Glauben verlohren, alles verlohren
An einen Schuldner

Als man dich wandern hieß, Mein Freund, des Glaubens wegen;
Fieng sich der Glauben an in deiner Brust zu regen:
Du giengst, u. nahmst dir Geld auff deinen Glauben aus,
Verschriebst voll Glauben drauff dem Nechsten Hoff u. Haus.
Itzt, weil die Straff und Pein des Glaubens wil vergehen,
Und vor den Glauben Hauß und Hoff ohn das nicht stehen:
Verlischt des Glaubens Krafft: Denn du giebst weder Geld
Noch Hauß dem Glaubiger, der dir zu Fuße fällt.
Das heißt auff Glauben Gott nicht Haus noch Hoff befohlen,
Es heißt dem Nechsten Geld auff Glauben abgestohlen:
Nihm nur den Glauben an, dein Glauben nimmt dir schon,
Weil du nicht Glauben hälst, des wahren Glaubens Lohn.

45.
Die Gicht vertritt des Henckers Statt
An die Lucia

Wie Fulvia, als ihr geleget ward zun Füßen
Des Römschen Redners Haubt, die Zunge raus gerißen,
Und sie an einen Pfahl gehefftet auff der Bahn,
Um, daß sie den Anton zuvor gestochen an.
So hastu auch, in dem er dich an deinen Ehren,
O keusche Lucia, so fälschlich wil versehren,
Dergleichen Rach und Pein dem Vicebock gedraüt,
Weil seiner Zungen Gifft noch Gott noch Menschen scheut.
Halt an, o Lucia, ob du in deinem Leiden
Ihm nicht die Zunge siehst aus seinen Rachen schneiden,
Noch selbst durchbohren kanst; o Lucia halt an,
O süße Rach! es hats die Gicht vor dich gethan.
[384]

50.
Nicht zur Auffrückung, sondern Verbeßerung
An den argdencklichen Leser

Ist was nicht deutsch und nicht verständlich etwan hier,
Mein Leser, oder bin ich gar zu derb an Worten,
Und treffe deine Stirn und Art an meisten Orten,
Wirff alle Schuld auff dich und nicht auff mein Papier.
Sein Leben giebt mir ja die Schelt Wort an die Hand,
Und könnt ich von Natur und Art nicht Verse schreiben,
Der Eifer würde sie dir in die Nasen reiben,
Den ich empfind, alsbald ich deine Sünd' erkannt.
Dich kenn ich nicht, doch treff' ich deine Laster an,
So bist du mir vielmehr als dir bekannt gewesen,
Ob ich dich nicht gesehn, kanst du dich hier schon lesen,
Zuförderst wer du bist, und dann, was du gethan.
Wiltu zum Richter gehn? Halt an, der Tag ist da,
Dann wo du zornig bist, hat dich, wie ich kan schließen,
Dein Argwohn schön verdammt! Durch wen? Durch dein Gewißen,
Vernein es, wie du wilt, es spricht doch allzeit: Ja.

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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Czepko von Reigersfeld, Daniel. Kurtzer Satyrischer Gedichte Drittes Buch. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-5D16-0