[370] Kurtzer Satyrischer Gedichte
Anderes Buch

1.
An den Leser
Lachen und Trauren haben einen Ursprung

Die kurtze Satyra, verzeih es Leser mir,
Wil ihr das Maul zu lang schon wieder lassen werden:
Wo Amt und Stand und Haus mit wichtigen Beschwerden
Dich ja beladen hat, so weise sie von dir.
Ob Sie gleich unnütz ist, und kein Blat vor den Mund
In ihrem Schertzen nimmt, und wahr redt unterm Lachen:
Kan sie doch Schertz und Ernst zu süßer Mischung machen,
Wen es verdreust, mit dem hat es wol einen Hund.
Laß sie zu dir hienein, da, wann du müßig bist,
Wann aus dem Miltze gleich die Schwermuth kommt gestiegen,
Wird ein Gelächter Sie doch alsobald besiegen,
Denn Momus selber lacht, wenn er die Verse liest.

2.
Abgesandter
Überreden ist Kunst

Wenn ein Gesandter ist ein allgemeiner Mann
Der einer gantzen Stadt zum besten lügen kan:
Was wil Longinus thun, der imt 6. Kutschen Pferden
Viel schwerer leugt, als fährt? Er wil Gesandter werden.

3.
Beständig wie ein Felß

Schaut unsern Jupiter, der auff dem Adler sitzt,
Die Riesen werden uns nicht mehr zu Kopffe wachsen,
Dort umb den Ober Gott, der in den Wolcken blitzt,
Steht Vater Promius: bey uns das Haus von Sachsen.

11.
Der Geitzige
Gegen sich am ärgsten

Du drückest wie ein Alb die Heller Tag und Nacht,
Und pflegest so dabey ohn Brod u. Tranck zu sitzen,
Ich weiß, daß voller Angst die dicken Thaler schwitzen,
Indem die karge Hand vor ihren Kasten wacht.
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Was quälstu dann dein Geld? Es suchet frey zu seyn,
Ich seh' ich hör es springt den Erben selbst entgegen,
Eh als du umbgesehn, so hastu kein Vermögen,
Zeucht täglich gleich der Drach auff deinem Söller ein.
Dann wann dich Streckfuß dehnt, so geht dein Schatz auch fort,
Das du verschorren hast, das hilfft auch dich verscharren,
Auff! Auff dein Charon pocht, Er wil nicht weiter harren,
Dein Erbe nihmt das Geld und dich des Todes Port.

12.
Auff einen reichen Kauffmann
Freundlich aber nicht treulich

Indem du nüchtern bist, so wiltu gantz verzagen,
Die theure Zeit sieht dir wie zu den Augen aus:
Wann du gegläselt hast da, wo ein freyer Schmaus,
Da hört man dich vollauff von goldnen Bergen sagen.
Red und trinck immer hin: Des Morgends redstu wahr,
Wenn man den Croesus sucht, so steht ein Codrus dar.

13.
Ein bekannter Nachtschwärmer
Biß zur Lust

Wieviel dein dürrer Mund der Gläser trucken macht,
Doch hörest du nicht auff, biß es beginnt zu tagen:
Kein Boden knacket so, den Polter Geister schlagen,
Als der gedielte Saal dir untern Füssen kracht.
Bald, wenn ein schneller Zorn dir aus der Gallen fährt,
So stehstu blanck und wilt den armen Offen stürmen,
Bald, wann der Stock erwarmt von andern Bacchus Würmen:
So lauffstu Kammern auff, und holst was du begehrt.
Dann kühlstu deinen Muth und schlägst die Gläser todt,
Und übergehst die Wand, daß alle Fenster klingen:
Wann du die Feind erlegt, so fängstu an zu singen:
Und ruffest Gläser her: Lyæus ist mein Gott.
Nu dis hastu gelernt, als Ræcus und sein Fahn
Zu Sturm im Himmel lieff: Da hastu helffen schlagen,
Drum ist dir Bachus gut: und wie ich höre sagen:
So hängt Silenus dir stets seinen Esel an.
[372]

16.
Natürliches Ring Spiel
Ringe gehören an die Finger

Ein edle Compagnie fieng nechst das Ring Spiel an,
Das voller Kurtzweil pflegt von Hand zu Hand zu gehen:
Als in dem Circkel must ein lustig Mägdlein stehen,
Hat es den Spiel Ring drauff ins Nachbarn Hand gethan.
Nu schaut der Ring fiel ihm zum Kleider Thürlein ein:
Wie seltzam ist der Fall! Was hilffts es ist geschehen,
O Einfalt volles Kind! Was wiltu drüber flehen?
Da wo sein Finger ist, da wünscht der Ring zu seyn.

19.
An seinen Freund, der sich zum Fenster hinaus begeben müßen
Hütte dich vor einem andern Auge

Als Mavors einesmals aus süßer Liebes Pflicht
Bey seiner Venus lag, nahm ihn Vulcan gefangen,
Mein Freund! Du bist dem Garn auff gutes Glück entgangen:
Das halff dir: Dein Vulcan sah' auff ein Auge nicht.

20.
Ein anders
Wenns geräth, ists zu loben

Lieb ist auch eine Pest, die aus der Gruben fährt,
In welche man dich sieht durch Thür und Fenster dringen:
Du bist wie Curtius: Der Sprung ist nur verkehrt,
Ihn sahe man ins Loch, dich aus dem Loche springen.

21.
Ein anders
Ohne Federn gefährlich

Was vor ein Icarus fleugt zu dem Fenster naus?
Ich kenne seinen Fall, er hat sich ja verstiegen:
Ihr Buhler, thut es nach, und mercket dieses Haus:
Der vor in Federn lag, muß ohne Federn fliegen.

24.
An seinen Freund
Es ist nicht so viel daran gelegen

Ich schicke von der Hand die naßen Blätter dir:
Wo du was ändern wilt, nihm nicht die Feder für,
Ein Strich macht alles gut: Du darffst nicht Sterne schreiben,
Die Laster dürffen nicht wie gute Bücher bleiben.
[373]

25.
An einen Eunuchum, als er ein Weib genommen
Nichts ohne Beweiß

Weil dir das Beste fehlt, das auff der Unterbahn
Dir als dein Vatertheil die Mutter ließ verschüren:
Nihmstu dir gleich ein Weib, so wirstu doch kein Mann;
Die Zeugen die sind fort, du kanst dich nicht ausführen.

26.
An sein Weib
Wo keine Enten, da kein Gequacke, d.i.
Non entis nullæ qualitates

Wo nichts darinnen ist, kan auch heraus nichts kommen
O ärmstes Weib, du büst niemals die Jungfer ein:
Es ist ja Schand und Spott also betrogen seyn,
Du hast ein rechtes Weib zum Manne dir genommen.

27.
Ein anders
Es liegt nicht am Krähen

Das Mundstück an der Braut, sprichstu, ist trefflich gutt,
Trompeter, wie daß du den Ansatz nicht kanst sehen:
Du bläsest doch, obgleich es an dir mangeln thut,
Doch hört man manchesmal auch einen Kapphahn krähen.

29.
An die Adels-Krämer
Die Tugend nicht der Brieff

Ihr, die ihr Adel habt in euern Bauden feil,
Zu welcher alle Welt nach Tituln kommt gelauffen,
Und einem ieden misst sein Maaß und Grad und Theil,
Wie theuer meint ihr wohl die Tugend zu verkauffen?

30.
An unsre a la Mode Brüder
Geld verthun, erfordert Kunst

Die Junckern, welche du eh' als die Glocke schlägt,
Um die der Bürger sonst des Abends pflegt zu eßen,
Dort a la mode siehst die Pflaster Steine meßen,
Die haben zu Pariß die neuste Tracht verlegt.
Drum wann die Cavalier de la Speranze gehn,
Und auff dem Marckte hin frantzösisch schreyn und lallen,
Daß ihrer Worte Macht muß an die Fenster schallen,
Wo ihre Damen sind, bleib nicht bestürtzet stehn.
Die Reden, die sie führn, die sind so weit nicht her,
Ihr Thun und Hand Werck ist; Wie außer viel Beschwerden
[374]
Und mit manier man sol der Heller ledig werden.
Nein, umb so arm zu seyn, reiß ich nicht über Meer.

37.
An des Amyntas Bruder
Das seelige Landleben

Was wiltu in der Stadt, mein liebster Freund, gewinnen,
Der du so fromm und deutsch an Mund und Hertzen bist:
Du kanst dein liebes Weib dem Nachbar nicht vergünnen:
Den etwan die Frantzoß auff allen Seiten frist.
Du kanst die Leute nicht biß in den Himmel heben,
Die Honig auff dem Mund und Gall im Hertzen führn:
Du kanst denselben nicht Gemach und Bette geben,
Die ihren frechen Leib an härne stricke schnürn.
Du kanst biß auff das Blut dein Mündlein nicht beklauben,
Und armer Waysen Haab in deinen Nutzen ziehn:
Du kanst nicht alle Wort auff andre Meinung schrauben,
Und mit Verrätherey den Henckers Knecht bemühn:
Du kanst nicht wie ein Alb auff unsern Weibern kleben,
Und wie ein Drescher pflegt, die kalten Mütter bähn:
Von was wiltu dich nährn? Von was denckstu zu leben?
Bleib. Dann im Fall du zeuchst, ist es mit dir geschehn.

39.
An den argwöhnischen Leser
Nicht ich, sondern dein Gewißen

Der du die Verse liest, dis bilde dir nicht ein,
Sammt meine Galle solt auch deinen Stand besprützen,
Die Furcht ist dir zu hoch, du kanst was seichter sitzen,
Und darffst um deinen Ruff hier nicht bemühet seyn.
Da wo der Kramer wohnt und Pfeffer Dütten dreht,
Und was der Koch erkaufft zum Futter der Pasteten,
Da geh und hol ein Blat und frage nach Poeten:
Die liest man, wann der Wind aus faulen Löchern weht.
Der hinterm Offen sitzt, und Banck und Tisch beschwert,
Anstatt des Griffels führt ein Art von groben Kohlen,
Der ist vor dich, bey dem kanstu dir Verse holen.
Dann meine Feder ist vor wahr nicht deiner werth.
[375]

40.
Blinde Liebe
Eines vornehmen Herren Hochzeit
Kinder führen des Vatern Nahmen

Ihr Freunde last es seyn: Der Herr, was ihm behagt,
Läst sich zur Schleußern traün: es ist auch keine Schande:
Was nach ihm wird gebohrn, das gleichet seinem Stande:
Dann er kam von dem Knecht und dieses von der Magd.

41.
Ein Anders
An die neugemachte Frau
Demuth, thut gut

Was pralest du daher? ob dich voll Schein und List
Des Herren Geld, und dann des Cantzlers Brieff erhaben:
Bedencke, wann um dich die Mägd und Diener draben,
Daß du des Herren Bett und Kammer Kachel bist.

46.
Falscher Gottesdienst
Nicht nach der Warheit, sondern dem Schein

Die hinterm Pater knyn und neue Creutze schreiben,
Die hat nicht eine Sach erleuchtet und bekehrt,
Der rufft ein Landgut an, und der es ihm gewährt,
Den muß er vor heraus mit frommen Finten treiben:
Ein Andrer, den der Muth pflegt Pöfel ab zu reißen,
Schlägt Aemter aus der Brust, indem der Pater list,
Und bleibt, wie er vermeint, ein Evangelscher Christ,
Sein Ammt sei nur Catholsch, nach dem muß er sich heißen.
Und jener, weil er sonst hat Treu und Lohn verlohren,
So glaubt er, was man sagt, auch mit dem andern hin;
Vor wahr, auch selber die, so in die Klöster ziehn,
Die haben nicht allein den Rosen Krantz erkohren.
Ich seh' in manchem Wamst ein Art von Ketzern stecken,
Die mehr als, Arme Leuth, euch können schädlich seyn:
Auch der euch ehrt, der kan der Worte kurtzen Schein,
Wie lang der Mantel ist, nicht allezeit bedecken.
Den Pöfel acht' ich nichts. Dann wann der kommt getreten,
So lebt er ohn Verstand und stirbet wie ein Vieh:
Du denckst, er ehret Gott, und weiß dann voller Müh
Kaum eine Pfanne Bier auff Römisch an zu bethen.
[376]

47.
Der Wohlgebohrne Prodigus
Den Stand führen, macht offt alles verlieren

Es müßen Rosen dir auff deiner Taffel blühn,
Die der gelehrte Koch mit Speisen weiß zu zieren:
Man sieht sechs schöne Roß an deiner Kutschen ziehn,
Und so viel Bey Pferd auch an Reuters Händen führen:
Die Knaben dienen dir in gleicher Lieberey;
Man hört dir die Trompet und auch die Laute klingen:
Der Rhein läst Baccharach, die Tonau ihr Tockay,
Wann du es nur befiehlst in deine Schaale springen.
Es sieht ja Herrisch aus: doch niemand wils verstehn,
Dann soltu es vollführn, so must du sachter prahlen,
Es dürfft' in kurtzer Zeit der bleiche Schuldner gehn,
Und bey dem Richter schreyn; Er sol mich auch noch zahlen!

48.
Traum ohne Schlaff

Noch schöner als der Mond (er gieng in vollem Schein
In vollen Hörnern auff) kam Chloris hergetreten,
Die auff den Feder Schmauß ihr Limpidor gebeten,
Ich sah', erschrack und schlieff mit offnen Augen ein.
Wer weiß ob Luna bloß damals gehörnert war,
Weil dieser Luna auch eins jeder kont entbieten:
Sie schliech bedachtsam her in halb gestohlnen Schrieten,
Und reicht ihr Honig ihm zusammt dem Stocke dar.
Ihr Hembde war so dinn als Spinnen Weben gehn,
Nu Phoebus brach drob ein: halt an, was wiltu rennen?
Der thut dir nichts, der uns den Tag pflegt an zu brennen,
Wo du nicht hin gedenckst, da kan dein Phoebus stehn.

50.
An den Leser
So viel Gedichte, so viel Bücher

Dis funfftzig geht auch aus: Mein Deutscher, gute Nacht:
Wann dein Poete dir verdrüßlich ist gewesen,
Bistu selbst Schuld daran, weil du es nicht bedacht,
Daß man hier funfftzig mal auffhören kan im Lesen.

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TextGrid Repository (2012). Czepko von Reigersfeld, Daniel. Kurtzer Satyrischer Gedichte Anderes Buch. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-6020-1