Kurtzer Satyrischer Gedichte
Fünfftes Buch

1.
Wie die Gelegenheit, so das Gedichte

Damit die Motte nicht darff über Hunger klagen,
Noch sonder Tichter darff der Kramer Dütten drehn,
Wird hier das Fünffte Buch der gute Leser sehn,
Mit welchem sich schon wil der harte Lands Knecht tragen.
Es sind ja Pappelstiel, und wo von eiteln Sachen
Was schlechters kan als wol die Pappelstiele seyn;
Ich theile Schandfleck aus, und nehme sie auch ein:
Denn ieder wil mich draus ohn Danck zum Tichter machen.

2.
Der Friede kommt von oben her
Von Kayserl. Feldherrn

Als Cæsar einest saß und dacht in seinen Sinnen:
Die Welt ist mein: Ich wil den Frieden nun beginnen,
Sprach seinem Adler zu der große Jupiter:
Auff, schwing dich über Ihn, dort sitzt der Erden Herr.
Die weiße Henne fast der Adler unter allen,
Und läßt sie in die Schoss des ersten Kaysers fallen:
Dieweil sie einen Zweig in ihrem Schnabel hielt,
Vom Oelbaum abgeraufft, war sie des Friedens Bild.
Nachdem das Kayserthum so grausam wird bestritten,
Und bloß auff Frieden gehn des Ferdinandus Sitten,
Schickt ihm der höchste Gott zum Stiffter solcher Ruh,
Durch Hertz und Witz versehn, den weisen Gallas zu.
Wird er den Friedens Zweig dem Kayser übergeben,
Ist vor der Hennen weit der Gallas zu erheben,
[394]
Und weiter Ferdinand dem Cæsar vorzuziehn,
Der Tod dort, aber hier wird nichts als Leben blühn.

3.
Nicht ieder kommt nach Corinth
Von eben demselbigen

Weiß am Verstand, und weiß ist Gallas an den Haaren,
Der Vorgesetzter ist der Kayserlichen Schaaren:
Stillt er den Hahn und schafft den kalten Heintzen bei,
Sag' ich, daß er ein Sohn der weißen Hennen sey.

4.
Goldne Zeit aus der eisernen
An die das beste hoffende

Ihr Weisen habet Recht, die goldne Zeit geht an,
Die Ihr durch Geist und Schrifft vor diesem kund gethan:
Die Welt erneuert sich: Sie streicht vom alten Rücken
Die tieffen Runtzeln hin, und wil sich wieder schmücken.
Was wollt ihr mehr, ihr könnt die rechten Zeichen sehn,
Dem Löwen wil der Hahn ja in die Ohren krähn:
Die Biene Honigseim aus gelben Lilgen machen,
Und auch die Henne selbst wil vor den Adler wachen.

7.
Am Haubte liegt es
Als ihm ein guter Freund eine Peruque verehret

Indem das Fieber, das uns Flecke setzen kan,
Die Haare mir beginnt vom Schädel abzuzwacken,
Darauff die Glatze gläntzt wie Elephantenbacken,
So stell' ich meinem Haubt ein Leichbegängnüß an.
Ich sehe mir selbst zu, wie ich ein Theil allhier,
Eh' ich gestorben bin, muß hier zu Grabe schicken:
Biß unter mir sich drauff die Träger werden bücken:
Doch du gestehst es nicht, und kommst zu Hülffe mir.
Weil du der Stirnen Ruhm und Ehre sincken siehst
Und nackt und bloß da stehn die Wittwen meiner Wangen,
Hast du der frechen That den Zügel nicht verhangen,
Und diesem meinem Haubt ein fremdes auserkiest:
Die Rabenschwartze Zöpff' (es hat sie selber dir
Minerva auffgekraußt und in ein Haupt gelesen)
Die heißen meine Schläff' in Sicherheit genesen,
Und schützen das Gehirn aus ihrer vollen Zier.
[395]
Weil aber Deutschland es dir nicht zu geben weiß,
So schickstu über See und Land die theuren Sorgen:
Und nicht umbsonst: Es muß der Gallier dir borgen,
Und der getrennte Schott' erweist dir seinen Fleiß.
Du achtest mich ja hoch: Das Alter und der Tod
Reibt alles auff: Die sol ich gantz und gar nicht achten:
Ihr Borsten weg, der Ruhm, nach dem ich werde trachten,
Theilt sich in König Reich, es hat hinfort nicht Noth.

9.
Wehe dir Schadenfroh
Über Einäscherung des schönen Kletschkischen Meyerhoffs

Hier wird nach langer Zeit kein Hoff nicht wieder stehn,
An welchem seine Lust der Bürger vor gesehen:
Ich hör Arcadia wil seinen Stall beflehen,
Weil es nicht aus und ein das schöne Vieh sieht gehn.
Pan unser Hirten Gott steckt keine Hüttung aus,
Kein Strauch ist, da er mehr könt' in dem Schatten schertzen:
Die Gärte sind ohn Baüm: es wil Pomona stertzen,
Den Abschied setzet ihr der Mauer wüste Graus.
Die Stöcke sind verwaißt, es lieget Kind auff Kind
Umb seine Mutter her: Die Aest auff dürrer Erden:
Die Ställ' und Scheunen selbst die müßen Pfäle werden,
Dadurch die Graben hier durchaus verbauet sind.
Der Ceres göldnes Haupt hört keine Sichel nicht
Mit löblichem Gethön umb ihre Haare rauschen:
Man kan vor eine Sens' itzt Röhr und Schwerdter tauschen,
Anstatt der Mandeln liegt der Aeßer nackte Schicht.
Mein Pilgram, bleibstu je um diesen Abraum stehn,
Hier liegt der Meyer Hoff und auch sein Herr begraben:
Doch können sie noch was von Hülff und Hoffnung haben,
Auff diesen Winter wird der Maüer her vor gehn.

10.
Natur läst sich nicht bergen
An einen Hoffe graffisirten Edel Mann

Ich hienge gerne dir ein rechtes Schand Mahl an,
Nun, die Natur die sprach: Ich hab es schon gethan.
Er ist ein Dieb, er führt das Zeichen an der Stirnen,
Dann ließ den Titul ab, wenn er sich wird erzürnen.
[396]
Natur, ich laß es seyn, der Warheit Senff ist scharff,
Weil ihm, was er verdient itzt niemand sagen darff,
So sieht man durch das Land sein Urtheil auffzuhängen,
Er wird ein Edel Mann: Man sol den Dieb gestrengen.

11.
Willen über Natur
Von Christina Margaretha Czepconin und Sigismund Ernsten Schildbachs Geburth
An Herren Gottfried Schildbachen

Gott theilt die Wünsch: Du hoffst die Tochter, ich den Sohn,
Wir tragen keines so und beydes doch davon:
Die Tochter haben dir, den Sohn mir zugedacht,
Sie selbst, so uns verkehrt zu Vätern itzt gemacht:
Nun wohl, der Sohn wird dir, die Tochter mir bescheert:
Gott mischt die Lust u. hat sie dennoch gantz gewährt:
Doch alles ist und bleibt bey Freunden stets gemein,
Die Treu wil gantz und gar nicht unterschieden seyn:
Wolan, was die Natur versagt, laß uns vollziehn,
So krieget seinen Wunsch von uns ein jeder hin:
Gib mir den Sohn, ich wil die Tochter geben dir,
Dem Sohne fehlt ein Weib einmahl, ein Mann auch ihr:
So kriegst die Tochter du, Herr Schildbach, ich den Sohn,
Und ieder trägt das Sein und Ihres Sie davon.

Antwort Herrn Schildbachs
Aus dem Lateinischen

Mein Freund, wie unter uns die Wünsche Gott getheilt,
Lehrst du, es wird im Wunsch ein ieder übereilt:
Ein Theil wird uns versagt, ein Theil wird uns gewährt,
Es kriegt ein ieder doch, was er von Gott begehrt,
Die Tochter lach' ich an, ich nehme sie zu mir,
Und gebe dir den Sohn nicht sonder Wunsch dafür:
Nicht sonder Wunsch woll' es zu seiner Zeit geschehn,
Daß Sohn und Tochter wir vermählet mögen sehn.
Ein ieder hält' und gibt das Sein aus seiner Hand,
Und kriegt am Sohn und an der Tochter zwier sein Pfand.

12.
Es ist der Hunde Brauch
An einen unbarmhertzigen Steuer Schinder

Indem ein armer Mann die Steuer solte geben,
Sprach er: Ich habe nichts, Herr, als das bloße Leben:
[397]
Der saure Schwede sprach: Du Hund, was bellst du viel?
Nicht eine Stunde geb ich dir Geduld und Ziel.
Der Bürger seuffzete: Das heist ein Ding verstellen,
Was bitten ist, das nennt der geitze Seehund bellen:
Jedoch es kan auch seyn: es weiß fast iedermann:
Wenn Hunde Diebe sehn, so bellen sie sie an.

13.
Greiff in deinen Busen
An den Longinum

Longinus irrt, daß er mich einen Ketzer heist,
Weil ihm selbst die Natur ein anders sagt und weist,
Vom Reiger, der die Lufft kan mit den Flügeln trennen,
Weiß mein Geschlechte sich von Alters her zu nennen.
Das weiß ein iedes Kind durch diese gantze Stadt,
Daß einen Kater er zu seinem Vater hat,
Und daß die Pfoten sich von einer Kätzin schreiben,
Wem wird der Kätzer nun mir oder ihm verbleiben.

14.
Verkehrte Bekehrung

Nechst sah' ich vor das Thor den armen Sünder führen,
Der Pater schry ihm zu: Das Beil wird dich zuvieren,
Der Pfahl durchbohrn, das Rad zerschelln, der Rost verzehrn,
Der Teuffel hole mich wirst du dich nicht bekehrn.
Der arme Tropp erschrack: nahm an den rechten Glauben,
Der Pater wuste hoch die schöne That zu schrauben:
Was rühmst du dich, aus Furcht, aus Angst nimmt er ihn an,
Du hast ihn nicht bekehrt, der Hencker hats gethan.

15.
Prüfe die Geister

Daß sich der Teuffel kleid' in eines Engels Schein,
Wird unter andern dir Franciscus Zeuge seyn:
Auch andre Orden mehr. Denn was (Ach Abendtheuer!)
Liegt unterm Himmelthau verdecket? höllsches Feuer.

16.
Hure und Hölle eines
An Caligulam

Wann dich, daß sie dir Leib und Seele mögen schwächen,
Die Rasende Begier, der wütende Gebrechen,
Das stinckend' Ungemach, gleichwie die Noth kommt an,
Die Knöpff und Senckel löst, ist es um dich gethan.
[398]
Denn wil die Brunst, als wie die Fraas ihr Toben schärffen,
Und deinen Leib herum auff einem Aaße werffen,
Das wie ein Klotz im Sumpff auf ieden Schlag sich henckt,
Und Augenblicklich dich in Sumpff der Höllen senckt.
O Mensch der Geilheit Aaß, daß du nicht seyst verlohren
Durch schnöde Hurerey, ward Gott ein Mensch gebohren:
Er wird mit dir vermählt, Ach denck an die Geburt,
Und schau auff was vor Art du lösest deinen Gurt.

18.
Verlaümbder
An Caprisecum

Pamphilia ist Frau, du suchst Sie auszutragen,
Die Stadt weiß nichts von ihr als Liebs' und Guts zu sagen:
Der Athem stinckt dir selbst: Nun, das ist allen kund;
Der Hintere bey ihr ist reiner, als dein Mund.

24.
Frembde Sitten, Frembde Völcker
An die heutigen a la Mode Brüder

Da noch ein Deutscher Ernst in Zucht und Kleidung war,
Bezwang das deutsche Volck der fremden helle Schaar:
Itzt, seit der Deutsche führt der frembden Völcker Sitten,
So hat der frembden Heer die Deutschen überstritten.
Wir haßen unsre Ehr', ein ieder sucht sein Theil,
Und trägt den freyen Stand in dienstbarn Waffen feil:
Ich rede deutsch, wir sind im a la Mode Orden,
Zwar alte Männer vor, itzt alle Memmen worden.

25.
Deutschland geh' in dich
An die deutschen Lappländer

Was fürchtet Ihr so sehr der Lappen ihre Schaar,
Der Finnen ihre Macht? Ach nehmt der Deutschen wahr:
Wir selbst wir stecken ja hier unter ihren Kappen:
Und weil uns jene scheern, sind wir die grösten Lappen.

26.
Wo nicht vor das Vaterland, iedoch mit dem Vater Lande
Über eines treuen Land Mannes Abschied

Nachdem des Himmels Reich in grimmen Schlachten glüt,
Und niemand keine Treu in deutschen Hertzen sieht:
Nachdem ein ieder läst das allgemeine Wesen,
Aus deßen Fall er ihm sein eignes weiß zu lesen.
[399]
Nachdem wir die Gesetz und alles Recht verlohrn,
Und alle müßen thun, was einer auserkohrn:
Nachdem man hat den Hut der Freyheit abgezogen,
Und das verfluchte Joch um ihren Hals gebogen.
Nachdem der Pöfel sich zu fremden Göttern sellt,
Und nichts von Erbarkeit und guter Auffsicht hält:
Nachdem der Deutsche Muth von großen Haüsern kommen,
Die Furcht und Heucheley indeßen eingenommen.
Nachdem das Band der Welt der Glauben abgethan,
Und Mißtreu Frieden heist, der alles stürtzen kan:
Nachdem das Vaterland zu Sturm und Grund gegangen,
Und seine letzte Hülff und Oelung hat empfangen.
Nachdem der Schatten selbst des ersten Standes fleucht
Und mit der Leichen sich in ihre Grufft verkreucht,
Stirbst du, o theurer Mann, wolt ihr es recht verstehen,
Er wil zu Grabe hin mit unserm Lande gehen.

27.
Ehrlicher nach dem ersten
An Jactantium

Zuvor war er ein Artzt, itzt ändert er den Orden,
Dieweil Jactantius ein Todten Gräber worden:
Gantz recht: denn dieses Ammt ist jenem beygethan,
Der Todten Gräber endt, da, wo der Artzt hub an.

30.
Der geborgt, bezahle
Über den Frieden

Den Frieden, darauff wir so fleißig untergehn,
Den Frieden, darnach wir schon dreißig Jahre stehn:
Den Frieden, darum wir mit Gold und Silber lauffen,
Wird man zu allerletzt umb einen Böhmen kauffen.

31.
Gleiche Müntze
Vor die Ehe

Ein Pfaffen Kind rieff mir ein Glaubens Pein'ger zu:
Das ist ein Huren Kind. Ich sprach: Freund, wer bist du?
Wo man die Ehe bricht, und sie verbeut nicht minder,
Verzeih es mir, da sind die meisten Huren Kinder.
[400]

32.
Sicherer finden als machen
An die eilfertige Achtermacher

O Schweidnitz, die du dich so ehrlich hast gewehrt,
Und öd' und wüste bist, und keinen Arm begehrt
Zum Nachtheil deiner Pflicht die Zeit nicht auffzuheben,
Wie haben mich und dich Verräther angegeben.
Hart ist der Schluß, und schwer muß dein Verhängnüß seyn,
Ihr Herren, die ihr wollt die Güter ziehen ein:
Das Schwein kan nicht gewehrn, nachdem euch so sol dürsten,
Denn wie ich glaub' ihr sehnt euch nicht nach seinen Würsten.

35.
Du glaubst es selber nicht
An Purpurcultum

Der Tischler machet nicht durch Hobeln und Beziehn
Zum Heiligthum ein Bild, du machst es durch dein Knien:
Dein Vater hat dich nicht den Gottesdienst gelehret
Wenn er die Peltze flickt, als wie es sich gehöret.
Wenn er die Götzen fand, die vor ihm stets verblichen,
So sprach er: Ducket euch, ihr sollt in Ofen kriechen:
Bedencke wie du dich hast deinem Gott entwandt:
Was du verehrst, das hat dein Vater vor verbrannt.

36.
Nicht zu hoch
An einen umgekehrten Verkehrten

Du bist ein schnöder Mensch, und sprichst: Ich bin ein Gott,
Ich habe Stadt und Land erlöst aus aller Not:
Du schöner Heyland du. Erlösung zu erwerben,
So muste Christus Gott und Mensch am Creutze sterben.
Nun ihn gehst du nichts an: Rom hielt zwar den Gebrauch,
Daß sie nach ihrer Zeit die Bürgermeister auch,
Hieß Götter auff dem Marckt und allen Straßen nennen,
Jedoch, es muste vor ein Holtz Stoß sie verbrennen.
Wann dich vor einen Gott dein Volck anbeten sol,
Must du zuäschert auch (es sol ihm gehen wol),
Zuäschert oder ja drey Ellen von der Erden
Auff deutschen Brauch geschnürt ans Griech'sche Γ werden.
[401]

38.
Steuer Einnahme. Auff den 9. May des 1645. Jahres
An Herrn Ernst von Nimptsch der Fürstenthümer Schweidnitz und Jauer Kayserl. Steuer Einnehmer und Fraülein Susannen, Wolgebohrnen von Gersdorff, Hoch Zeit-Tag

Die schwere Steuer macht, Ihr werther Ritters Mann!
Daß Eurer Hochzeit ich kein Carmen steuern kan:
Die Musen wollen mir ja nicht zu Steuer kommen,
Denn in der Steuer wird ein Reim nicht angenommen.
Und Eure Braut, der selbst die Venus Steuer giebt,
Und was an Pracht und Zier der Himmel sonsten liebt:
Verdient, daß diesen Tag berühmte Seelen feyern,
Und ihrem großen Ruhm erwünschte Sachen steuern.
Jedoch wo kommen, Herr, mehr solche Steuern ein,
(Die andern mag ich nicht) an Hoheit, Witz und Schein,
Als selbst in eurer Brust die Steuer abzuführen,
Drum könt ihr bloß die Welt mit ihrem Lobe zieren.
Und weil ihr euren Stand verändert, nehmts in acht,
Herr Nimptsch, daß nicht das Ammt auch ändre diese Nacht:
Denn [es] ist mir recht (es sind der Liebe süße Gaben)
So wird die schöne Braut die Einnahm heute haben.

41.
Über des Edlen Herren Abraham von Franckenbergs Seriphiel
Den Zehlenden

Die Zahl, ein' edle Kunst, die offenbahrt uns Gott,
Und er wird offenbart durch sie aus weiser Noth:
Ihr erster Ausfluß ist das allgemeine Wesen,
In dem hat die Geburth das Ein ihm auserlesen:
Du Göttliche Gewalt, Du Thron Fürst dieser Krafft,
Die aus dem Ein entspringt, und würckt und alles schafft:
Und wir selbständig sehn durch alle Zahlen flüßen:
Willkom'n Seriphiel. Mach uns die Kunst zu wißen.
So weit das große Tieff: in dem die Sternen stehn,
Und ringrecht durch den Trieb des Grundbewegers gehn,
Sich in der Ewigkeit in Ihm weiß auszustrecken:
So weit wil dir den Zweck der Herrschung Gott auffstecken.
Du kanst der Sternen Zahl und sagst Sie aus der Hand,
Ob ihrer mehr noch sind als Thetis grauer Sand:
[402]
Kein Vogel, Fisch und Thier im Himmel, Meer und Erden
Brüt, streicht und wirfft. Ihm muß die Zahl erst von dir werden.
Und aus der Zahl da fleust das Wesen ieden ein,
Da wo ein Einfluß sich dem andern macht gemein:
Du machst, daß alle Ding' in dem sie durch dich gehen,
Dort in der Algebra, hier Mercava bestehen.
Gott schleust die gantze Welt in deine Ziffern ein,
Es ist gezehlt, wie lang sie sol seyn, und nicht seyn:
Es ist gezehlt, schau umb: Sie stehn dir im Gesichte,
Die Sündfluth und der Tag des Herrn und das Gerichte.
Im ersten Ein da quillt das wesentliche Meer
Der Unvergänglichkeit ohn End' und Anfang her:
Das rinnt von Zahl auff Zahl durch dieses große Gantze,
So wir sehn und nicht sehn in ungeendtem Glantze.
Daß in den Zahlen uns, in uns die Zahlen wir
Umschaun, und in das Ein gekehrt seyn für und für:
So bringt Herr Franckenberg ein geistlichs Licht getragen,
Das untern Engeln Er im Himmel auffgeschlagen.
Du Edler Franckenberg! Dein himmlischer Verstand
O seelge Freundschafft! macht mit Engeln uns bekannt:
Wir können diesen Dienst mit Zahlen nicht bezahlen,
Das Ein, das muß es thun: Drein sie gehn, draus sie strahlen.
Erweckte Seelen auff! Was vor kein Cabalist,
Es sey Pythagoras, es sey der Trismegist,
An Ziffern ausgezehlt durch Glauben und durch Schweigen,
Wird itzt ein Engel Euch an Fingern zehln und zeigen.
Und du Seriphiel, umziffre diesen Berg,
Den Gott bestritten hat: feur an dis heilge Werck:
Führ uns durch die zwölff Zahln ins ungezehlte Wesen,
Wo alle Zahl zerfleust: wenn sie das Ein nur lesen:
In diesem Ein besteht das Reich der Ewigkeit,
Das nichts als ein Gemüth und Licht ist weit und breit:
Mein Mensch, das Reich, das Ein ist hier: Wilt du es wißen:
Findstu es nicht in dir, must du es ewig mißen.
[403]

42.
Über eben des Edlen Herren Abrahams von Franckenberg Raphael
Den Heilenden

Drey Theil, als Seel und Geist und Leib, Mensch sind in dir,
Wir sehn, so iedes bricht, aus seinem Mittel für:
Gesundheit und Vernunfft und Heiligkeit sich färben,
Wo nicht, so muß der Mensch dran krancken oder sterben.
Der Geist ist frisch, wenn er Gott nach dem Wesen kennt,
Gott nach dem Willen ehrt: Gott nachzufolgen brennt:
Und dieses hat er bloß im Glauben auserkohren,
Ohn ihn ist kennen, ehrn und brennen gantz verlohren.
Die Seel ist frisch: wann sie rein als die Engel liebt,
Fromm, als die Geister ist, frey, als die Jünger, giebt:
Und dieses kan allein die Weißheit in ihr machen,
Ohn Sie sind lieben, seyn und geben todte Sachen.
Der Leib ist frisch: wann er an Sinnen Kräffte spürt,
An Gliedern Stärcke fühlt, an Adern Speise führt:
Und dieses kan in Ihm die Mäßigkeit erhalten,
Ohn Sie sehn wir die Kräfft' und Stärck' und Speis' erkalten.
Ohn Glauben seyn, das ist Ohn Gotts Erkänntnüß seyn:
Ohn Weißheit seyn, das ist entbärn der Tugend Schein:
Ohn Maaße seyn, das ist sich tödten vor dem Sterben,
Mensch, auff den Schlag muß Geist und Seel u. Leib verterben.
Auff daß du nun nicht gantz verterbest, suche Heil,
Und schau der Raphael gibt iedem Theil sein Theil:
Der treue Raphäel, der als ein Artzt voll Ehren
Gesundheit und Vernunfft und Heiligkeit kan lehren.
Mensch, ist der Geist ie kranck: Er wird ergeistern sich,
Und in das Hertze Gott's versenken ihn und dich:
Und durch die neue Krafft des Wesens überfeuchten,
Biß nichts im Glauben wird als JESUS wieder leuchten.
Mensch, ist die Seel ie kranck: Er wird sie führn zur Zucht,
Die er in JESUS Hertz und seiner Sanfft Muth sucht:
Wird deine Seele da mit Blut und Waßer reinen,
Biß nichts als Weißheit wird durch deinen Willen scheinen.
Mensch, ist der Leib ie kranck: Er wird ein Artzney glühn,
Und der Natur ihr Hertz und deßen Dunst abziehn:
[404]
Und die Grund Feucht' in dir u. die Grund Hitz' ergäntzen,
Daß nichts als Mäßigkeit durch Sinn und Leib wird gläntzen.
Wer nun, als wie es Leib und Seel und Geist ist wehrt,
Gesundheit und Vernunfft und Heiligkeit begehrt:
Muß Sie durch Mäßigkeit, durch Weißheit u. durch Glauben,
In Gotts, in JESUS Hertz und der Natur ausschrauben.
Vom Himmel kommt die Kunst nicht von der Erden her,
Der Herr von Franckenberg ist so treu und gewehr:
Daß keinen Zweiffel du auch solt darüber tragen,
Sol sie der Raphäel aus seinem Munde sagen.
Mensch, hier hast du das Hertz (ach über seel'ge Cur)
Aus Gott, aus JESU, aus der güttigen Natur:
Du hast kein Hertze, wirdt du deines nicht drein sencken,
Und das dir jenes giebt ans Franckenbergsche dencken.

43.
Auch im Feinde ist Tugend zu loben
Von Königsmarckischen Einfällen

Es sey, daß König stammt und kommt vom Worte können
Dadurch man kan Gewalt und Macht und Recht beginnen:
Es sey, daß sich das Wort vom Kühnen rühmt und schreibt,
Ist es, daß Königs Marck ein Marck von beyden bleibt.
Was nennt das Marck ihr nun von den Arctoischen Waffen,
Den Königs Marckt den Marckt von Kühen und von Schaaffen:
Arg macht ihr es, der Held ist kühn und wird euch kühn,
Daß ihr zun Ochsen theils des Plato werdet fliehn.
Von euch wird manche Marck noch Königs Marck bekommen,
Den merckt es, welcher Märckt' in Deutschland eingenommen,
Bringt Länder, bringt zuletzt selbst Königreiche bey,
Last weg den Marckt, drauff lest, was denn sein Nahme sey.

48.
Grab Schrifft einer weißen Frauen

Das Todes Alkahest, das löst mich auff allhier:
Mein Freund, ich werd' auffstehn in Engels reiner Zier:
Ein schwartzes Ertzt wusch ich, und es ward weiß und roth,
Giebt dieses uns die Kunst, was zweiffelst du an Gott?
[405]

49.
Gott liebt, die er in der Kindheit abfordert
Über zweyer betrübter Eltern Klage ihres verstorbenen Söhnleins

Ihr Eltern klaget nicht umb euer Liebes Kind,
Ihr wißt ja, daß dem Herrn auch lieb die Kinder sind;
Ob euer Jüngster Sohn mit euch nicht spielt noch schertzt,
Seht, wie Ihn Christus selbst der Kinder Vater hertzt;
Ob ihr das Werthe Pfand nicht auff den Armen tragt,
Seht, wie es schwebt und gläntzt vor Gott, und ihm behagt:
Ob Euern seelgen Schatz der Tod macht kalt und bleich,
Seht ihn, ein Theil von euch (o Trost!) in Gottes Reich.
Und darumb, Eltern, tragt nicht seinetwegen Pein,
Denn Gott wil, daß das Kind so früh sol seelig seyn.
Die Rothe Ruhr führt es ja aus der argen Welt,
Doch JESUS rothe Blut dafür in Himmels Zelt.

50.
Rechne alle Abend mit dir ab
An den Leser

Weg mit der Satyra und aller Tichterey,
Hier geht der Laster Sturm und Castalis vorbey:
Es ist nicht noth durchsehn der andern Leute Leben,
Weil viel Gefahr und Schuld aus unserm ist zu heben.
Ein ieder, wenn er sich zu Bette hat gelegt,
Den Wachsstock ausgelöscht, sich nichts im Hause regt:
Erforsche nur von Sich, was er den Tag begangen,
Er wird Bericht genung, mehr als ihm lieb, empfangen.
Wann sein Gewißen Ihm die Seinen stellet hin,
Darff Andrer Fehler er nicht durch die Hechel ziehn:
Nun die Gewalt sol auch bey mir inkünfftig gelten,
Ich wil von Nacht auff Nacht mein Hertz und Leben schelten:
Wil sagen: Diesesmahl, geb ich dir noch Gehör,
Verzeih' ich dir die Schuld: thu es hinfort nicht mehr:
Folgst du mein Leser mir, so wirst du frey von Nöthen,
Darffst keiner Satyra, das lerne vom Poeten.
[406]

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