Venus Anadyomene

Das ist die alte Stimme wieder,
aus langen Träumen jung erwacht;
sie sang die allerersten Lieder,
trunken und schüchtern, – sie singt und lacht:
»Ueber dem grünen Roggenmeere
wiegte die Glut zwei Pfauenaugen,
blühend roch die brütende Leere;
tief im grünen Roggenmeere
lag ein Knabe mit blauen Augen.
Das war, als du noch Fehle hattest,
noch alte Furcht und fremde Scham,
als du noch keine Seele hattest,
die nur aus Deinem Blute kam.
Aber du sahst die Falter leuchten,
mit flackernden Flügeln bunt sich greifen;
träumte dir von zwei dunkelfeuchten
Augen, und die sahst du leuchten
unter bunten, flatternden Schleifen.
[204]
Das war die Zeit des Schaums der Säfte,
die Aehren stäubten gelben Seim,
vieltausendjährige Ueberkräfte
erregten schwellend einen Keim;
ahntest unterm andern Kleide
andre nackte Glieder klopfen,
deine Hände flackerten beide,
in die einsam heiße Haide
quoll ein erster Samentropfen.
Das that die Sehnsucht dieser Erde,
die opfernd um die Sonne schweift;
sie sprach das allererste Werde, –
beichte! die Sprache der Mannheit reift.«

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TextGrid Repository (2012). Dehmel, Richard Fedor Leopold. Gedichte. Aber die Liebe. Die Verwandlungen der Venus. Venus Anadyomene. Venus Anadyomene. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/