[156] Nachbildungen

[157][159]

1. Strophen

(Byron.)


O mein einsam – einsam – einsam Kissen,
Wo bleibt mein Herzensfreund, der süße, traute?
Ist es sein Schiff, das ich im Traum erschaute,
Weit, weit von hier, von Stürmen fortgerissen?
O mein einsam – einsam – einsam Kissen,
Die Stelle küss' ich, die sein Haupt umfangen;
Wie sind die Nächte langsam hingegangen,
Seit er mich ließ in diesen Kümmernissen!
O mein einsam, mein betrübtes Kissen,
Laß süß mich träumen, laß mein Herz nicht brechen!
Mein Liebster kommt – ich habe sein Versprechen;
Noch ist der Tod zu früh – du mußt es wissen.
Und hab' ich ihn – nicht mehr mein einsam Kissen,
In meine Arme will ich heiß ihn pressen;
O dann sei aller Kummer rasch vergessen,
Dann sei sein liebend Herz mein Sterbekissen!

[159] 2. Robin Adair

(Burns.)


Sei mir aufs neue gegrüßt,
Robin Adair,
In Lieb' und Treue gegrüßt,
Robin Adair!
Weinend betrittst du den Strand;
Reich' mir die zitternde Hand;
Hier ist dein Vaterland,
Robin Adair!
Gott erhörte mein Flehn,
Robin Adair!
O dieses Wiedersehn,
Robin Adair!
Bist noch der Alte? Sprich!
Mancher freite um mich;
Aber ich dachte an dich,
Robin Adair!
[160]
Segle nicht wieder fort,
Robin Adair!
Bleibe im sichern Port,
Robin Adair;
Glücklich werden wir sein!
Ja, dieses Herz ist dein;
Laß es nicht mehr allein,
Robin Adair!

[161] 3. Marilia de Dirreo 1

(Thomas Antonio Gonzaga.)


Ich bin kein obdachloser Hirtenknabe
Von rauhen Worten und von groben Sitten,
Marilia, ohne Herd und andre Habe,
Der heute Hitze, gestern Frost erlitten;
Nein, ich besitze selber Haus und Weide
Und ziehe mir Gemüse, Oel und Wein;
Ich hüte Schafe, doch die Milch ist mein,
Die Wolle auch, mit der ich mich bekleide.
Mein Antlitz sah ich jüngst in einer Quelle
Und brauchte nicht vor Runzeln zu erschrecken;
Kommt einer mir zu nahe – auf der Stelle
Bedien' ich ihn mit meinem langen Stecken.
[162]
Gut bin ich auf der Flöte unterrichtet,
Zu meines eignen Meisters Neid und Grimm;
Auch sing' ich – meine Stimme ist nicht schlimm –
Nur solche Lieder, die ich selbst gedichtet.
Doch bin ich deshalb glücklich? – Gott behüte!
Jetzt mußt du das Geständnis mir verzeihen:
O süße Schäferin, nur deine Güte
Kann meinen Schätzen wahren Wert verleihen;
Nimm alles, alles hin, Marilia, throne
Als Herrin über Herden, Haus und Land;
Schön ist der Reichtum, – doch für deine Hand
Gäb' ich mit Freuden eines Königs Krone.
Aus deinen Augen strahlt des Himmels Wonne,
Wie frischgefallner Schnee sind deine Wangen,
Die in der vollen Glut der Mittagssonne
Wie junger Mohn, wie zarte Rosen prangen;
Die Locken wie gedreht aus feinstem Golde,
Balsamisch duftet deine Nähe – nie,
Marilia, rief des Dichters Phantasie
Ein Bild hervor wie deins, du Einzigholde.
Wenn auch der Fluß aus seinem Bette träte,
Daß meine wohlbestellte Saat verdürbe;
Wenn sich die Pest bei mir zu Gaste bäte,
Daß mir ein Schäfchen nach dem andern stürbe –
[163]
Das würde jetzt mir wenig Sorgen machen;
Und blendet mich der Glanz der Städte? – Nein!
Marilia, reich und glücklich werd' ich sein,
Wenn deine Augen mir entgegenlachen.
Wie wird fortan, am Arme deines Gatten,
Der Wälder Einsamkeit dein Herz erquicken!
Zur Mittagsstunde mußt du mir gestatten,
In deinem Schoße leise einzunicken.
An Lustbarkeiten, die ich gern versäume,
Ergötze sich der Nachbarn wilde Schar –
Ich flechte Blümchen in dein blondes Haar
Und schneide deinen Namen in die Bäume.
Wenn einst erlöschen unseres Lebens Flammen,
Hier oder wo wir sonst uns niederließen,
Wir bleiben doch, wir bleiben doch beisammen;
Ein gleiches, gleiches Grab wird uns umschließen.
Ein Monument, umgrünt von Trauerweiden,
Dem Hirtenvolke sichtbar, trage dann
Den kurzen Text: »Wahrhaft beglücken kann
Die Liebe nur – das wußten diese beiden.«

Fußnoten

1 Brasilianisches Idyll aus dem vorigen Jahrhundert. – Obige Uebersetzung bildet den Anfang des in Brasilien und Portugal sehr geschätzten Gedichts. – Gonzaga, einer der Urheber der Minasverschwörung, wurde im Jahre 1792 von Rio de Janeiro nach Mozambique deportiert und starb daselbst 1809.

[164] 4. Idylle

(Aug. Barbier.)


»Unter rankendem Blätterdach

Duften Blumen und rauscht der Bach,

Badet schimmernd sich die Libelle,

Welche flüchtig den Spiegel streift,

Während die lüstern erregte Welle

Ihr nach dem schillernden Fittich greift.«

(Gottschall.)


Plätschernd über moosbedeckte Steine
Kommt die Quelle, in krystallner Reine,
Einem kühlen Becken zugehüpft;
Wo im Schilfe die Platanen flüstern,
Ist ein Mädchen, nach dem Bade lüstern,
Ihrem leichten Morgenkleid entschlüpft,
Spiegelt in der Flut die nackten Glieder,
Schreitet langsam vorwärts, duckt sich nieder,
Horcht und flüchtet rasch ins hohe Rohr –
Will, Verschämte, schon Gefahr sich zeigen?
Muntre Sänger jubeln auf den Zweigen,
Goldne Käfer summen dir ums Ohr.
[165]
Doch des Kindes Furcht ist schon vergangen.
Sechzehn Lenze zählt sie; unbefangen
Ist ihr Herz; kein eitler Schwätzer pries
Ihrer Augen Schmelz – er müßte warten,
Wenn er's thäte, denn der Mutter Garten
Ist ihr Königreich, ihr Paradies.
Und sie labt sich an des Wassers Frische;
Spielend wagen sich die kleinen Fische
Jetzt heran, und mit den Händchen schlägt
Sie die Flut, die gleich in farb'ge Kreise
Sich zerteilen muß, und leise, leise
Ihr Gemurmel ans Gestade trägt.
Schwalben sucht sie schäkernd zu ergreifen,
Die an ihrer Stirn vorüberstreifen;
Auch gefangen dürften sie entfliehn;
Ameischen, die schlechten Schwimmerinnen,
Läßt sie gern den Rasensaum gewinnen
Und in Gottes Namen fürderziehn.
Rosenblätter werden dann mit Lachen
Hingestreut; sie sendet duft'ge Nachen
Auf die hohe See und bläst sie fort.
Hui, es stürmt! Die Schiffe wehn zur Küste;
Wen'ge retten sich an ihre Brüste
Wie in einen stillen kleinen Port.
[166]
Doch genug gescherzt! Mit ernster Miene
Folgt sie jetzt dem Fleiß der klugen Biene,
Deren Köpfchen in der Sonne glimmt,
Bis das Tierchen des Gehölzes Stille
Zueilt, und das Zirpen einer Grille
Seine Morgenlieder überstimmt.
Wie, nun ist sie gar im warmen Sande
Eingeschlummert? An des Beckens Rande
Ruht ihr Haupt, von Locken halb bedeckt,
Die noch immer tief ins Wasser reichen;
Einem Schwane ist sie zu vergleichen,
Der den Kopf in sein Gefieder steckt.
Sie erwacht. Ein Rascheln und ein Rauschen –
War's ein Menschenfuß? O banges Lauschen!
Droht Verrat, Gespötte, Mädchenraub?
Wie die Frucht des welschen Maulbeerbaumes
Wird sie rot und in des Wellenschaumes
Kräuseln zittert sie wie Espenlaub.
Endlich streicht sie ihre blonden Locken
Von den Augen, immer noch erschrocken,
Und den Feind erspähend lacht sie schon.
Wer die Neckerei ihr nicht ersparte,
Nur ein Geißbock ist's mit langem Barte,
Glotzt sie an – haha! – und läuft davon.

[167] 5. Não te amo

(Almeida Garrett.)


Lieben kann ich dich nicht.
Liebe kommt aus dem Herzen;
In meinem – ich sag' es mit Schmerzen –
Flackern nur Todeskerzen,
Leuchtet kein himmlisches Licht.
Wünsche verzehren mein Sein.
Liebe ist kindliches Lallen,
Unschuldiges Wohlgefallen;
O, für des Sünders Krallen
Bist du zu schön und zu rein!
Liebt die verschwiegene Nacht
Oder den Glanz der Gestirne,
Wer, tödliche Lust im Gehirne,
Für den Kuß einer Dirne
Schüchterne Minne verlacht?
[168]
Milde strahlendes Licht,
Du erfüllst mich mit Schrecken!
Ich möchte mein Antlitz bedecken.
Wünsche in mir erwecken
Kannst du – doch Liebe nicht.

[169] 6. Edward Gray

(Tennyson.)


Emma Moreland, das freundliche Kind,
Traf mich draußen und kam auf mich zu:
»Hast dein Herz verloren?« frug sie geschwind,
»Edward Gray, wann heiratest du?«
Als sie mich so zur Beichte gekriegt,
O da weinte ich bitterlich:
»Süße Emma Moreland, ewig versiegt
Ist der Liebe Born für mich!
Inniglich liebte mich Ellen Adair;
Vater und Mutter wurden ihr gram –
Dort liegt sie begraben, – frage nicht mehr,
Von wannen ich eben kam.
Scheu war sie, nicht kalt, – ich wußt' es zu spät;
Denn ich mied, ja ich mied sie lang',
Strich durch die Meere, von Hochmut gebläht,
Als sie mit dem Tode rang.
[170]
Grausame Worte, die sie gehört,
O wie thun sie mir jetzt so weh!
Bist ein eitles Ding, so sprach ich bethört,
Gar zu leicht für Edward Gray.
Dort barg ich mein Antlitz im feuchten Gras
Und rief: Meine Zeit ist um;
Mich reut, was ich that – und dies und das;
Doch ihr armes Grab blieb stumm.
Da schrieb ich auf den bemoosten Stein,
Nun ihres Grabes schönste Zier:
Hier liegt Ellen Adairs Gebein,
Und auch Edwards Herz liegt hier.
Wie Vögel flattern von Baum zu Baum,
So mag Liebe kommen und gehn.
Süße Emma Moreland, mein einziger Traum
Ist, Ellen wiederzusehn.
Bitterlich weinte ich über den Stein,
Bitterlich weinend geh' ich fort:
Dort liegt Ellen Adairs Gebein,
Doch auch Edwards Herz liegt dort!«

[171] 7. Die drei Vögel

(François Coppée.)


Ich sagte dem Tauber: Fleug', bis du entdeckt
Die Blume mit wonnigem Duft,
Die Herzen bezaubert und Liebe erweckt!
Doch der Tauber: »Zu schwer ist die Luft.«
Dem Falken: Erspähe, was Herzen bezwingt;
Und ist es versengendes Licht,
Sei der Retter, der es dem Himmel entringt!
Doch der Falke: »So hoch steig' ich nicht.«
Da sprach ich zum Geier: Nicht länger verwehrt
Sei dies Herz dir mit seinem Leid;
Nur lasse den Teil, der noch unversehrt!
Doch: – »Zu spät« – war des Geiers Bescheid.

[172] 8. Lied aus der Verbannung

(Gonçalves Dias.)


(Fräulein Carolina von Kosnitz in Porto-Alegre zugeeignet.)


»Minha terra tem palmeiras,

Onde canta o sabiá.«

Palmen schmücken meine Heimat,
Und so traulich ist es da,
Wo von grünen Blätterkronen
Uns begrüßt der Sabia.
Zeigt mir holden Waldesschatten,
Fluren, die den unsern gleich,
Sterne, wie sie niederleuchten
Auf der Liebe Zauberreich.
In den trüben Winternächten,
O, wie gramvoll denk' ich da
An das Land der Palmenhaine
Und des Sängers Sabia.
[173]
Denn es strahlt in Schönheitsfülle,
Wie ich sonst sie nirgends sah,
Und in allen Traumgebilden
Ist es meiner Sehnsucht nah,
Mit dem Flüstern seiner Palmen,
Mit dem Gruß des Sabia.
Laß, o Gott, erst dann mich sterben,
Wann mein Land ich wiedersah,
Und die Heimat mich beglückte,
Wie es hier noch nie geschah;
Wie die Palmen es verkünden
Und der Ruf des Sabia.

[174] 9. Excelsior

(Longfellow.)


Die Nacht lag auf den Alpen schwer,
Da zog ein Jüngling noch umher,
Ein Banner tragend weit durchs Land,
Auf dem der fremde Wahlspruch stand:
Excelsior!
Das Antlitz bleich, das Auge klar,
Der Blick ein Strahl und wunderbar
Die Stimme, hell wie Schwerterklang
Und süß melodisch, wenn er sang:
Excelsior!
Rings aus den stillen Hütten bricht
Wie trauter Gruß des Herdes Licht;
Die Gletscher drohn, Gespenstern gleich,
Er aber lispelt warm und weich:
Excelsior!
Ein alter Dörfner warnt: »O laß
Dein nutzlos Müh'n, geh nicht fürbaß;
Ein grauser Schneesturm fliegt herbei.«
Der Jüngling ruft: Die Bahn ist frei;
Excelsior!
[175]
Ein Mädchen fleht: »O halte Rast;
Sei meiner Heimat lieber Gast«;
Des Jünglings Wimpern sind betaut,
Doch unbezwungen singt er laut:
Excelsior!
»Entfleuche dem Lawinenball,
Der Föhren Dröh'n, der Wasser Schwall!«
Das ist des Alten letztes Wort.
Hoch in den Bergen tönt es fort:
Excelsior!
Und als es wieder Morgen war,
Drang zu der frommen Brüderschar
Sankt Bernhards, wie aus tiefer Gruft,
Der Seufzer durch die Winterluft:
Excelsior!
Den Wandersmann – ach, welcher Fund! –
Grub aus dem Schnee der Klosterhund;
Noch fest umklammert hielt die Hand
Das Banner, drauf der Wahlspruch stand:
Excelsior!
Da lag die herrliche Gestalt,
Erstarrten Herzens, todeskalt;
Vom Himmel fiel ein Meteor,
Und es erklang wie Engelchor:
Excelsior!

Notizen
Erstdrucke nicht ermittelt. Die Gedichte 1-7 erschienen bereits in den ersten 3 Auflagen der Gesammelten Dichtungen, 1873, 1875 und 1879. Nr. 8 und 9 wurden für die hier vorliegende vierte Auflage hinzugefügt.
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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Dranmor, (Schmid, Ludwig Ferdinand). Nachbildungen. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-82A6-5