Der Siben Weisen in Grecia Sprichwörter / In Rheimen gestelt. Auß dem Spil Chasparis Brusch ij.

Der Erst.

Solon von Athen.

Sprich niemand selig vor seim end /
Vnglück kompt vnuersehens bhend.
Vnd wiltu leut zusamen gebn /
Gib gleich vnd gleich zusamen ebn.
Denn gleich vnd gleich vereint sich wol /
Sonst ists vnraths vnd jamers vol.
Einn gůten freund straff du alleyn /
Wilt loben in / thůs vor der gmeyn.
Edel geborn ein schlechtes ist /
Tugent adelt zu aller frist.
Wer sich kümmert eins übels hart /
Das doch sein můß / derselbig narrt.
Doch ist der noch vil thorechter /
Der sich im vnglück förchtet sehr.
Vertraw nit leichtlich iederman /
Du wissest denn vor was er kan.
Wer lügen reden darff / vnd kan /
Der darff gwiß alles anders than.
Für bösen leuten hüte dich /
Denck nit / daß etwas bleib heymlich:
Gott weyß vnd sihet alle ding /
Wie klein vnd gring sichs auch anfieng.
Wider die Göttlich Maiestet /
Nichts args bei leib vnd leben redt.
Wem Gott schutz helt / der bleibet wol /
Wer auch die gantz welt krieges vol.
Noch hab ich einen spruch gefürt /
Der billich zu den andern ghört /
Den wil ich euch auch hören lan:
Bedencks end / das ist wolgethan.
Denns leben hie auff diser erd /
Gewißlich ists / nit ewig werdt.
Wir müssen sterben allzumal /
Wir hie / vnd andre überal.
Drumb wer nun wol vnd seliglich
Gestorben wer / vnd hette sich
Gethan von disem jamerthal /
Zur ausserwelten Engeln zal.
Dem wer am besten / Hie auff erdn
Wirt vnd kan es nicht besser werdn.
Wolan jr habt mich wol gehort /
Lebt wol vnd volget meinem wort.
[385]
Es ist nit gnůg / daß mann hör vil /
Wers thůt / der trifft das rechte zil.

II.

Thales von Mileto.

In aller sünd vnd missethat /
Dich selbs am meysten förcht / gerad.
Als werestu selbs richter / der
Dich straffen würde nach der schwer.
Das lebn ist ein vergengklich ding /
Es hat sein end / wie sichs anfieng.
Zucht aber / tugent / ehr vnd rhům /
Bleibt ewig in seim eygenthumb.
Nichts nützers hie auff erden ist /
Dann halte maß zu aller frist.
Denn bald mann jm zu vile thůt /
Bringt es kein frommen / noch kein gůt.
Gott nit alleyn sicht / was du thůst /
Sonder was du auch denckest sust.
Befleiß dich nit auff schöne gstalt /
Sondern daß dein hertz schon sei gmalt.
Sich lernen selbs erkennen wol /
Ist warlich müh vnd arbeyt vol.
Was du an andern tadeln thůst /
Sich / daß auch dich des selbn nicht glust.
Wie du gegen deim vatter dich
Erzeygst vnd heltst / so werden sich
Auch deine kinder gegen dir
Verhalten / das glaub endtlich mir.
Alt leut die aller ehren werdt /
Solln allzeit von dir werden geehat.
Wer sein Oberkeyt in ehren hat /
Der ehrt Gott selbs. Drumb ist mein rath
Mann thů jr gůtes / als mann sol /
Dasselb gfellt Gott im himel wol.
Noch hab ich einen spruch / dem solt
Ihr warlich sein von hertzen holdt.
Der laut also: Wilt schadloß sein /
Vnd bleiben bei ehr vnd gütern dein /
So hüt dich / daß du für iemand
Versprechest was mit deiner hand.
Gott gsegen euch jr lieben herrn /
Halt glerte leut vnd künst in ehrn.
Kein höher schmuck auff erden ist /
Glaubt mir / ich sags on allen list /
Denn wer für andern etwas kan /
Den mag mann nenn einn Edelman.
Damit kan mann sich auch mit ehrn /
Auffrichtig vnd gar leicht ernern.

III.

Chilon von Lacedemon.

So weng sich ein geringer man /
Für mir darff förchtens vnderstan /
So wenig sol auch der jhenig /
So mächtig ist / verachten mich.
Hastu eim lieb vnd dienst gethon /
So rhüm dichs nit / vergißes schon.
[386]
Gott stürtzt was hoch auff erden ist /
Erhebt nidrigs zu aller frist.
Ein lester maul das vmb sich beißt /
Schadt jme selbs am allermeist.
Dann es auch můß einnemen wort /
Die es gewiß nit geren hort.
Eim todten übel reden nach /
Ist über dmaß ein grosse schmach.
Das gold probiert mann an eim steyn /
Des menschen hertz am golde reyn.
Hüt dich / vnd sih allzeit für dich /
Daß nit dein zung vorn sinnen flieg.
Dann reden (sagt mann) vnbedacht /
Hat leuten gar bald schaden bracht.
Betrüglichs lästern / wort verkern /
Schendt manchen man an leib vnd ehrn.
Ein lästerzung / ist nicht ein zung /
Was denn ein schwert vnd schlange jung.
Mein liebster spruch ist diser gewest /
Lern kennen dich selbst auff das best.
Behüt euch Gott / ich far daruan /
Vil klůgheyt habt jr ghöret an.
Wer nun rechtschaffen klůg wil sein /
Beweiß es nit mit wortn allein.
Sonder beweiß es mit der that /
Die leer ist herrn Chilonis rath.

IIII.

Bias von Prienen.

Avff erden ist kein edler haab /
Denn daß mann gůts gewissen hab.
Das gröste vnglück das da kan
Auff erd einn menschen übergan /
Ist dises / daß zu mancher frist /
Ein mensch des andern teuffel ist.
Wer lauter gar nichts mehr begert /
Der mag gnent werden reich auff erd.
Hergegen arm der jhenig ist /
Der mehr begert zu aller frist:
Das ist ein fromm rechtschaffen hertz /
Welchs / ob es wol möcht / iemād schmertz /
Jamer / zůfügen / vnd vnglück /
Braucht es doch gar kein arge dück.
Der aber ein boßhafftig man /
Der gern wolt iemand schaden than /
Wenns jm nur werden möcht so gůt /
Wie offt mancher gottloser thůt.
Was gůt that hast empfangen du /
Schreib Gott alleyn dem schöpffer zů.
Vnd weil noch starck vnd jung du bist /
Schaw daß du dich vffs alterrüst.
Das darff gar vil / drumb lern / dauan
Du möchst einmal dein narung han.
Keuscheit vnd zucht du allzeit hab /
Fürd aller höchste morgengab.
Was du auff erd wilt fahen an /
Darinn solt nit bald schliessen than.
Weg mans / nit wags / bedenck mans wol /
Als denn mans bhend vollenden sol.
Glück laß du dich nit wunder nemen /
Es kan hofiern vnd wider klemmen.
[387]
Ein lüg des hertzen diebstal ist.
So vil hab ich zu diser frist
Euch sagen wölln. Gehabt euch wol /
Vnd nempt für gůt zu disem mol.
Die tugent ehrt / vnd laßts euch sein
Vilköstlicher denn edelgstein.
Gold / silber / edle stein vergehn /
Zucht / kunst vnd tugent ewig bstehn.

V.

Pittacus von Mytilenen.

Wer künstlich wil / vnd reden wol /
Derselb eh schweigen lernen sol.
Mir sol gar nichts zuschaffen gebn /
Wenn lose leut tadeln mein lebn.
Tausent mal lieber wil ichs han /
Daß mich lob nur ein Biderman.
Dann wenn der bösen bůben mich
Vil hundert rhümpten vestiglich.
Hast geben andern ein gesetz /
Schaw auch du selbs es nit verletz.
Fromm sein / nicht falln in schand vnd schmach /
Ist ein fast wichtig gůte sach.
Neid böse nicht / spot frommer nicht /
So bleibstu auch vnaußgericht.
Sichstu daß geht den bösen wol /
Neid jn nit drumb / denns so sein sol.
Den bösen geht es wol auff erd /
Als die hie seind auff jrem herd.
Geht es eim frommen übel hie /
Verspot sein nit / du weybt nit wie
Gott seltzam geht mit dseinen vmb /
Sie haben hie kein eygenthumb.
Ins ewig reich gehören sie /
Dann sie ja nur seind frembdling hie.
Drumbs ists nit wunder / daß sie han
In diser welt kein platz noch plan.
Jamer / not / widerwertigkeit /
Probiert freundtschafft zu aller zeit.
Wie iederman geartet sei /
Spürt mann in ehrn vnd ämptern frei.
Ein klůger man verhüt das böß /
Ein mannlicher tregt dultig es.
In allen dingen ist es gůt /
Die glegenheyt mann hab in hůt.
Wil iemand auch beweiben sich /
Der wehl vnd neme seines glich /
An gschlecht vnd gůtern / daß er nicht
Ihm selbs sein leyd hab zůgericht.
Nichts lieblichers auff erden ist /
Dann ein Ehbett / welchs on falsch list /
Rechtschaffen keusch vnd züchtig bleibt /
In frid vnd eynigkeyt verleibt.
Noch ein sprichwort hab ich im brauch /
Das můß ich hieher setzen auch:
Hab gůt acht auff gelegenheit /
Dann sehr vngleich seind stund vnd zeit.
Noch eins habt auch on zweifel jr
Bei dem Terentio gespürt.
[388]
Das laut also. Sih wol für dich /
Daß du ja nichts thůst vnzimlich.
In allen dingen halt ein maß /
Gehabt euch wol / vnd mercket daß /
Weil jr auff erden seit vnd lebt /
Allzeit nach ehrn vnd tugent strebt.
Dann was auff erden ist / vergeht /
Lob / ehr vnd tugent / ewig bsteht.

VI.

Cleobolus Lyndius / auß der Insel Rhodis.

Je gwaltiger du immer bist /
Dest weniger stoltz dir ehrlich ist /
Eim gwaltigen vnd geleerten man /
Steht demůt über dmaß wol an.
Andern vergib willig vnd gern /
Dir aber selbs mit grossem bschwern.
Lastu den sünden jren gwalt /
So schadet es der tugent bald.
Zeitliche güter erbet man /
Zucht / tugent / kompt nit also an.
Für freunds list / feinds vnbillicheyt /
Hüt du dich wol zu aller zeit.
Hör vil / verantwort aber weng /
So bistu dir vor vil gedreng.
Das höchste werck der tugent ist /
Laster fliehen zu aller frist.
Der wollust volgn vnd gůtem můt /
Bringt args mit sich / thůt nimmer gůt.
Wer seinen fürwitz zäumen kan /
Der ist alls lobs ein wirdig man:
Kein grösser reichthumb ist auff erd /
Denn gschicklicheyt / kunst / gůt geberd.
Kein grewel ist so hoch vnd groß /
Als wann ein man wirt treweloß.
Eins můß ich hie erzelen auch /
Halt maß / das ist ein löblich brauch.
Lebt jr im frid: Ich far daruon /
Gesagt ists gnůg / wer es wil thon.

VII.

Periander von Corinth.

Der ist fürwar vnd gwiß nit klůg /
Der nutz vom erbarn scheyden thůt.
Denn nutzlich ist zu keiner frist /
Das nit auch recht vnd erbar ist.
Den tod soltu dir wünschen nicht /
Solst dich auch drob entsetzen nicht.
Was tragen du vnd leiden solt /
Das leid mannlich vnd mit gedolt.
Vor wem sich ieder förchten thůt /
Dem thůt er nit allein kein gůt /
Sondern haßt vnd verfolget jn /
Wünscht jm den tod in seinem sin.
Schaw würd nit stoltz / wann dir das glück
Zůfellt / du kennst noch nit sein tück.
Bekümmer dichs auch nit zu fast /
Wann vnglück du vnd trübsal hast.
[389]
Wollust vergeht wie schne vnd eiß /
Tugent vnd kunst bhält ewigen preiß.
Verheyssen magst eim etwas wol /
Doch wiß / daß es on sünd sein sol.
Was wider erbarkeyt geschicht /
Bistu zuhalten schuldig nicht.
Nichts ist so fest / so groß vnd hoch /
Der fleiß gwinnts vnd eroberts doch.
Im zaum halt du dich alle zeit /
Daß du nit / was habn ander leut /
Betastest oder greiffest an /
Dann solchs gibt gar einn bösen lon /
Böse begird thůt nimmer gůt /
Alls übel sie mit bringen thůt.
Es ist nit gnůg / daß die hand sei
Vnschuldig / wann nit auch dabei
Das hertz fromm vnd on allen list /
Auffrichtig vnd rechtschaffen ist.
Ein gůtes sprichwort merck hiebei /
Halt inn den zorn / laß jn nit frei
Seins gfallens farn / danns ist nit gůt /
Wo iemand auß zorn etwas thůt.
Es ist aber ein anders wort /
Das man von mir hat offter ghort.
Zu aller zeit bedencken sol
Ein ieder sich in allem wol /
Was er thůn vnd anfahen wil /
Dennocht gerädt es wie es wil.
Wolan jr habt gehöret an /
Die frommen herren / die euch han
Ir weise leer getheylet mit /
Die wöller ja verachten nit.
Vil löblicher vnd gůter lehr /
Die wirdig sein alls preiß vnd ehr /
Haben sie bracht hier auff die ban /
Vnd solches euch zulieb gethan.
Wenn gůte lehr wer noch so gůt /
Wann man sich nit auch hält vnd thůt
Nach solcher klůgheyt / ists verlorn /
Wann mans nur wil außwendig hörn /
Nit pflantzen in das hertz hinein /
So ists nur ein vergebner schein.
Es ist nit gnůg / daß man vil hort /
Man thů auch nach dem ghörten wort /
Man richt das leben gantz vnd gar /
Nach solcher ghörten gůten lahr.
Wil es hie also bleibenlan /
Dem höchsten euch befolhen han.
Der geb euch / was zu aller frist /
Zu leib vnd seel euch nützlich ist.
Lebt frölich lieben herrn / vnd seit
Der tugent günstig alle zeit.
Den gůten künsten deßgeleich
Wölt freudtlich jr erzeygen euch.
Die weißheyt auch für augen han /
So wirts euch allzeit glücklich gan.

Ende.

M.D.LII. [390]


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