[38] Sicilianen

(Mittagsstille.)

Am Strande, halb umplätschert von den Wellen,
Ein Toter, ein Ertrunkner, drüber neigen
Zwei junge Birken schattend sich im hellen
Glühheißen Mittag mit den zarten Zweigen.
Ein Pinscher, auf der Jagd nach einer schnellen
Ruhlosen Uferschwalbe, stutzt: Wie eigen!
Ein Mensch. Im Schlaf? – Scheu flieht er ohne Bellen,
Und Im nicht ein Laut stört rings das tiefe Schweigen.

(Behüt' dich Gott.)

Ihr zartes Stimmchen sang mit viel Gefühl:
Behüt' dich Gott, es hat nicht sollen sein.
Im Garten draußen, sonnig, mittagsschwül,
Saß überm Buch ihr jüngstes Schwesterlein.
Im Saal war's kirchenschattig, kirchenkühl
Um diese Zeit. Wir waren ganz allein
Und sangen sittsam und mit viel Gefühl:
Behüt' dich Gott, es hat nicht sollen sein.

(Im Schatten.)

Goldregen überdacht, umblüht von Flieder,
Ein blasser Backfisch. Lässig, in Gedanken,
Streut Brocken Brots er piepsendem Gefieder,
Dem Sperlingsbettelvolk. Dies Zerr'n und Zanken.
Ein müder Blick im Frieden dunkler Lider,
Die schmalen, gelben Wangen einer Kranken,
Geküsst von flüchtigen Lichtern hin und wieder,
Wenn leis im Wind die leichten Zweige schwanken.

[39] (Was bleibt?)

Noch bin ich jung und hoffe Kranz und Blüten,
Das Leben lacht, ein Feld im Sommersegen.
Noch fühl' ich Kraft, wenn Kampf und Stürme wüten,
Noch schlägt den Dirnen heiß das Herz entgegen.
Wie bald, und welke Kränze gilt es hüten,
Ängstlich die letzten Flackerflämmchen hegen,
Dann Asche, Asche, wo sonst Flammen sprühten,
Die wird der Tod zum andern Kehricht fegen.

(Sonntagmorgen.)

Ein müder Greis im Schatten staubiger Hecken,
Das Brot verzehrend, das ihm Reiche gaben.
Vor ihm, fruchtschwer, die goldnen Segensstrecken
Schnittreifer Felder. Schnelles, plumpes Traben:
Der Bauer fährt mit seinen feisten Schecken
Im Sonntagsstaat zur Kirche. Sein Behaben
So satt, zufrieden. Wolken Staubs verdecken
Das Herrenbild dem Bettelknecht im Graben.

(Pfingsten.)

Maisonnentag und fröhliche Gesichter.
Wie Lachen liegt es in der Luft und Scherzen.
Duftwolken ziehen. Tausend bunte Lichter:
Syringen, Rotdorn, der Kastanie Kerzen. –
Bourgoisphilister: Frohgenussvernichter,
Geldprotz auf Rädern, reitende Kommerzen,
Zu Fuß im Staub zwei junge deutsche Dichter
Mit leerem Beutel und mit vollem Herzen.

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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Falke, Gustav. Sicilianen. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-A6A0-6