8. Auf Herrn Johan Michels sein Doctorat

1631 Mai 26.


Was ist Gewissers doch bei diesen wilden Zeiten,
da sich die Pest der Welt, der Mars, pflegt auszubreiten
so weit die Luft umarmt was Land und Wasser heißt,
und, wie der böse Krebs, stets um sich frißt und beißt,
als wer sich, weil der Lenz der jungen Jahre blühet,
mit Tugend, mit Verstand' und mancher Kunst versiehet,
der sich getrost auf Gott und sich selbst steifen kan
und sehen unverwandt den grimmen Eifer an,
den an der losen Welt der böse Himmel übet?
Er hat diß schon verschmerzt, was Andere betrübet,
eh' sie es noch betrifft. Kein Unglück ist so groß,
das er nicht, wenn es kömmt, vorlängst gewesen loß,
weil er sichs längst versehn; nicht wie die freien Sinnen,
die gute Tage nur und kaum vertragen können,
und wenn der Glückswind sich aus West in Norden kehrt,
da weiß man nicht, wo Blut und Mut zugleich hinfährt.
Sie sind in ihrer Furcht noch weibischer als Weiber,
der Mund ist blaß wie Blei, wie Aspen ihre Leiber,
die eine linde Luft durchaus erschrecken kan;
so ists um dieses Volk bei dieser Zeit getan.
Sie setzen ihren Trost nur einig auf die Sachen,
die gegenwärtig sind. Was ihnen Mut kan machen,
das ist Geld, Güter, Pracht und was des mehr mag sein,
das sie, wenn es zergeht, auch mitte reißet ein
und machet lebend tot. Die rechte Kunst zu leben
ist bei den Weisen nur, die nicht, wie jene, kleben
an dem, was zeitlich ist. Was Welt ist, liebt die Welt.
Ein Geist von oben her weiß, daß ihm mehr gefällt
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als was die Erde kennt. Der himmelreiche Plato,
der frische Seneca, der weisheitvolle Cato,
die haben ihn zuvor durch sich beherzt gemacht,
daß er in dickster Angst, als höchster Wollust, lacht,
wenn aller Pöfel weint. Er höret Andre klagen
von vieler Städte Brunst, von mancher Länder Plagen,
doch bleibt er unbewegt. Er weiß, daß keine Macht
ihm nehmen wird und kan, was er hat vor sich bracht.
Die Schätz' hat er an sich. Er lässet Andre reisen
in beides Indien und bringen Gold für Eisen,
für Tocken Specerei, für Nadeln Helfenbein.
Sein' höchste Wollust ist um schöne Bücher sein,
vom Wagen ganz befreit. Wird er denn angewehet
von einer höhern Luft, so zeucht er, wohin stehet
sein wolkengleicher Sinn. Er machet ihm bekant
ein unbekantes Volk, setzt über See und Land
und eilt der Weisheit nach. Die Sittenmeisterinne,
das Frankreich, sucht er heim, sieht, was zu sehn ist drinne.
Er lernet Landesbrauch da, wo die Tiber fleust,
und was das ew'ge Rom für alte Sachen weist,
läßt er nicht unbeschaut. Gleich wie weit über Felder
die kühne Biene fleugt, saugt sich der jungen Wälder
und neuen Wiesen Raubs, der süßen Säfte voll
und trägt sie mit anheim, so stehts um den auch wol,
der viel gesehn und weiß. Er kan aus vielen Sachen,
die er erfahren hat, ihm einen Auszug machen,
dardurch ein ganzes Land nicht schlechten Aufwachs nimmt,
wenn es zugleich mit ihm bis ans Gestirne klimmt
durch des Geschreies Flug. Er schläget aus mit Ehren;
kein Neid, wie groß er ist, kan seinem Glücke wehren,
weil ihn der Himmel liebt, der ihn zeucht Andern vor
und über allen Haß läßt steigen stets empor.
Was sag' ich wol von euch, ihr Ruhm der Pierinnen,
von eurem schönen Geist' und reichbeseelten Sinnen?
Auch ihr seid aus der Schar, die von der Wiegen an
mit alter Weisheit sich zu Maßen Fleiß getan.
Euch hat die Medizin schon in den ersten Jahren,
da noch die Glieder weich, die Beine Knorpel waren,
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zu ihrem Dienst' ersehn. Sie fügt' euch, noch ein Kind,
zu der Gelehrten Zunft, bei welchen Künste sind.
Der Fleiß, der wuchs mit euch. Was Socrates geschrieben,
was Plato hiebevor in Schulen hat getrieben,
das war euch wol bekant. Der künstliche Porphyr
war ganz in euch belebt, wie der auch von Stagyr.
Des Donnerkeils Geburt, der Ursprung der Cometen,
des Himmels runder Lauf, der Fortschreit der Planeten,
der Elementen Kraft, das war euch ganz bewust.
Was Andren Arbeit ist, das ist euch eine Lust.
Wie ihr denn auch den Lohn des Fleißes überkamet,
als ihr den blauen Hut von Klio Händen nahmet.
Bißher hat man gesehn, wie ihr so wol geübt
in Phöbus Künsten seid, wie euch sich untergiebt
der Bücher Wissenschaft. Der Kräuter stille Kräfte
sein euch ganz offenbar. Das muß euch geben Säfte,
was keinen Saft nicht hat, durch eure Kunst und Glut.
Die günstige Natur vertraut euch all' ihr Gut
und was sie heimlich hält. Die Lebens-Gönnerinne
hat euch der Welt geschenkt. Itzt wird schon Charon inne,
daß ihm sein Fährgeld nun wie vor nicht trägt so viel,
weil ihr auch stecken könnt dem Tode selbst ein Ziel
durch Gott und euren Witz. Von außen und von innen
erkennt ihr unsern Leib. Diß hat euch weisen können
die wol geübte Hand, die ihr den Ruhm erbaut,
daß nun der große Sachs' ihr seinen Leib vertraut
und heißt sie seinen Arzt. Weil ihr denn oft erwiesen,
daß ihr das wäret wert, vor was ihr nun gepriesen
von allen werdet hoch, so führt Apollo itzt,
Apollo, der auch mir den regen Sinn erhitzt,
weil er zwei Künste kan, umb eure Haar' die Reiser,
die die Gelahrten nur bekommen und die Kaiser.
Die sinds, als denen nur diß frische Laub gebührt,
dieweil durch Witz und Macht diß Ganze wird regiert.
Der nun Gesunden Trost, ihr, Hoffnung aller Kranken,
lauft, wie ihr vor getan, lauft fort in diesem Schranken,
da man sich macht belobt! Setzt an, setzt ferner an
und mehret diesen Preis durch euren Quercetan,
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der nun fast brechen will! Die Fama steigt zu Wagen,
will euer hohes Lob bis an die Sternen tragen,
wo itzund Sennert steht, der sonnengleiche Man,
den auch der bleiche Neid nicht gnug verloben kan.

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TextGrid Repository (2012). Fleming, Paul. Gedichte. Deutsche Gedichte. Poetische Wälder. 4. Von Glückwünschungen. 8. Auf Herrn Johan Michels sein Doctorat. 8. Auf Herrn Johan Michels sein Doctorat. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-A94D-8