36. Auf einer Jungfrauen (Maria) ihren Tag, im Namen ihres Brudern (Johan Müller)

1635 September 8.


Der heiße Gott des Lichts führt seine Feuerpferde
nun wiederum bergab. Die ausgesogen' Erde
kömmt wieder zu ihr selbst, der feuchte Herbst trit ein
und läßt vor seiner Lust nichts arm und traurig sein.
Er kömmt, der reiche Herbst; um seinen vollen Wagen
sieht man sich Lust mit Lust, mit Freude Freude jagen.
Die Wonne springt vorn an. Scherz, Lachen, Fröligkeit,
die jauchzen um ihn her auf der und jener Seit'
und schreien in die Luft. Der gleicherfreute Himmel
sieht mit Ergötzung zu dem lustigen Getümmel,
legt Stürm' und Wolken ab, zeugt Gold und Purpur an,
kein Angst, kein Leid ist hier und was nicht froh sein kan.
Der Sonnen Schwester hetzt durch alle hohle Wälder
und jagt Pusch aus, Pusch ein die zugesäten Felder,
die duppeln alle Lust. Die frohe Bauerwelt
läuft um die Ceres her, die einen Reihen hält
um das berauschte Dorf. Der Weingott, der Erfreuer,
der Herzen giebt und nimmt, sieht seine Berge heuer
mit Trauben voller stehn, er lacht bei reicher Kost
und giebt uns Deutschen schon zu kosten seinen Most.
Itzt, wenn die Tage kurz, die Nächte länger werden,
so wird das Leid verkürzt, so wächst die Lust der Erden.
Da schickt sichs, daß man wol bis über Mitternacht
bei zugelassner Lust und süßem Weine lacht.
All' unser' Sorge stirbt, der Koch trägt viel Gerichte
von jungen Speisen vor, der Gärtner neue Früchte.
So setzt uns Flora auf den Winterrosen-Kranz
und führt uns von der Kost an einen leichten Tanz.
So lebt man, wie man soll: so leben auch die Götter,
die gleichsfalls lustig sein bei solchem schönen Wetter,
bei dieser lieben Zeit. Der ewge Donnergott,
der ließ auf diesen Tag ergehen diß Gebot,
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daß kein Unsterblicher mit seinem Kind' und Weibe
und allem, was er hat, bei Ungunst außen bleibe.
Das hyacinthne Haus der Schwester und Gemahl
des großen Jupiters tut auf den Sternensaal,
der ganz von Jaspis ist. Alsbalde wird gesessen
und um den güldnen Tisch getrunken und gegessen.
Die schöne Hebe reicht den süßen Nectar-Wein
und Ganymedes schenkt den Ambrosiner ein.
Mars nur ist nun nicht hier, der, wie man hat erfahren,
itzt aus dem Himmel ist bei zweimal sieben Jahren
und was noch drüber lauft; seit solcher langen Zeit
hat er die deutsche Welt durch Brennen, Mord und Streit
den Wüsten gleich gemacht. Der Gott der Götter fragte,
doch war nicht einer da, der was gewisses sagte.
Wolan, sprach er, Merkur, so mache dich denn auf,
und such' ihn, wo er ist, und bring' ihn mit dir rauf!
Der Majen Sohn flog aus vom ewigen Palaste,
durchsuchte Luft und Welt, bis er den Mars erfaßte.
Dich, sprach er, fordert ab durch mich des Vatern Rat.
Komm mitt' und säume nicht! Es ist vorhin zu spat.
Ja, sprach Mars, also bald. Ließ drauf die Feindschaft fangen;
straks wurden neben sie an Eichen aufgehangen
Zank, Zwietracht, Mord, Betrug. Den Krieg trat er zu Kot',
und stieß mit eigner Faust den Haß und Frevel tot.
Der Himmel wurde klar. Es hub sich an zu freuen
die Erde weit und breit. Das Volk fing an zu schreien,
das schon war wie halb tot. Der güldne Friede zoh
auf allen Straßen ein, das gute Glücke floh'
um Städt' und Dörfer her. Sprach Mars, soll es verbleiben,
bis daß man in der Welt den letzten Tag wird schreiben.
Drauf faßt' er seine Post, verschwand mit ihr darvon
und stellete sich ein vor seines Vatern Thron.
Sie saßen alle noch und waren halb berauschet.
Nun, hub der Kriegsgott an, nun hab ich recht vertauschet
den Himmel für die Welt. Ich bleibe fort bei euch;
der Friede führe nun ein irdnes Königreich!
Ich mag nicht mehr hinab. Wer gläubts, wie sie sich alle
erfreuten über dem? Sie jauchzeten mit Schalle.
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Er selbst, Diespiter, ließ ihm das weitste Glas
vom stärksten schenken ein. Und diß ist, sprach er, das
für diese gute Post. Der Wolstand aller Erden
must' also um den Tisch rund um getrunken werden,
und soll diß hohe Fest nicht gehn im Himmel ein,
so lange Jupiter der höchste Gott wird sein.
Ist das nicht gute Zeit? sind das nicht liebe Stunden,
in dem sich mit der Welt der Himmel hat verbunden?
Ein ieder such' ihm Lust und wie er frölich sei!
Das Übel ist dahin, das Trauren ist vorbei.
Weil denn auf diese Zeit, wie ich noch sahe gestern,
dein schöner Tag fällt ein, du Liebste meiner Schwestern,
und diß der alte Brauch noch heißet wol getan,
daß man die, so vom Blut' und sonst uns gehen an,
mit reichen Wündschen ehrt, so sei dir durch diß Schreiben
viel tausent Guts gewündscht, das über dir soll bleiben,
bis daß der starke Bau des Firmaments bricht ein,
und ganz nichts Ganzes mehr wird auf der Erden sein.

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TextGrid Repository (2012). Fleming, Paul. Gedichte. Deutsche Gedichte. Poetische Wälder. 4. Von Glückwünschungen. 36. Auf einer Jungfrauen (Maria) ihren Tag. 36. Auf einer Jungfrauen (Maria) ihren Tag. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-AAFB-7