9. Auf ihrer Königl. Majestät in Schweden christseligster Gedächtnüß Todesfall

1632 November 6.


Wenn unsrer Zeiten Lauf der alten sich noch gliche,
und mit der Jahre Flucht nicht auch die Tugend wiche,
die Tugend, welche sich der Dankbarkeit befleißt
und gar ein seltner Gast in diesem Alter heißt:
was wolte Karien von seiner Treue melden,
so sie hat angetan dem hochgeliebten Helden,
mit dem es gleiche lebt? Was wolt Ägypten sein
mit aller seiner Pracht, die nunmehr gangen ein?
Man würd' ein größer Werk bis in die Wolken führen,
für welchem Babels Bau sich nie nicht durfte rühren,
als solt' es prächtig sein. Es wird ein Turn erbaut,
desgleichen unser Rom noch nie nicht hat geschaut,
wie alt es worden ist. Die Säulen, Bäder, Gänge,
Gemälde, Grabschriften und was mehr solch Gepränge,
davon die Meister Ruhm, die Herren Lust gehabt,
daran man heute noch den blöden Sinn erlabt
im Lesen oder Sehn, die würden niedrig heißen,
wie hoch sie wären auch. Das zwier erlöste Meißen,
das würd' ein Wunderwerk so prächtig richten auf,
das weder Frost, noch Glut, noch trüber Zeiten Lauf
nicht könte reißen hin. Denn so die frommen Alten
dem Fürsten, der sich wol fürs Vaterland gehalten,
den Feinden widersetzt, beherzt und frisch gekämpft
und seine Widerpart mit ernster Faust gedämpft,
zum Zeichen seiner Treu' ein Denkmal aufgerichtet,
wie viel, o wie viel mehr sind wir anietzt verpflichtet,
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dem Helden, der nächst Gott uns ledig hat gemacht
und nach so strengem Dienst in erste Freiheit bracht,
ein Werk zu seiner Ehr' und unsrer Liebe Zeichen
zu stellen in die Welt? Was aber kan ihm gleichen?
Was wird sein Denkmal sein? Der Brauch geht bei uns ein,
wir können sonst mit Nichts als Worten dankbar sein.
Daß aber gleichwol auch die Feder etwas treibe
und dieses Helden Ruhm in etwas nur beschreibe
(wer kan sein ganzes Lob?), so sei hier aufgesetzt,
womit in jener Welt sich mancher Gott ergetzt,
da man sein Grabmal hielt. Und es ist wol zu gläuben,
ob wir die ganze Pracht schon können nicht beschreiben,
die frommen Tugenden, des Helden Preis und Zier,
dadurch er leben wird von ietzt bis für und für,
die hielten diß Gepräng'. An einem schönen Orte
ist prächtig ausgeführt ein' aufgetane Pforte
in der Unsterbligkeit. Der Grund ist Helfenbein,
die Säulen dichtes Gold, darein manch edler Stein
nach Künstlers Art versetzt; der Sieg, der Lohn der Stärke,
sitzt mitten innen, gleich zu oberst an dem Werke.
Die Ehr' und Majestät hat sie zur Seiten stehn,
dieweil sie dieser Frau stets pflegen nachzugehn.
Auf Sieg folgt Ruhm und Macht. Sonst sind darauf zu schauen
viel' Fahnen, Beut' und Raub, so zwischen diesen Frauen
und hinter ihnen liegt. Der blasse Menschenfraß
steht unten, hält den Pfeil und unsers Lebens Glas.
Frau Fama gehet vor und bläst des Helden Sachen,
die Taten, die für sich ihn herrlig können machen,
in ganzer Gegend aus. Der ungewohnte Ton
macht, daß das breite Land wie zittrend wird davon.
Hierauf folgt eine Zunft von süßen Musicanten,
verhüllet um das Häupt. Die edlen Kunstverwanten
sind die neun Klarien: Kalliope stimmt an,
Polymnie singt vor, Thalia, was sie kan,
erhebt den lauten Ton, wie denn die andern alle:
sie loben seinen Preis mit ihrem guten Schalle.
Apollo hat das Lied selb selbsten aufgesetzt,
das auch das Himmel-Volk fürs allerbeste schätzt.
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Die gute Sache folgt mit Unschuld und dem Glücke,
so ihr zur Seiten gehn. Sie tragen schöne Stücke,
die Wappen und die Zier, so unser dapfre Held
dem rechten Herren hat hinwieder zugestellt.
Der Glaube trägt das Gold, des Könige sich freuen,
die Gottesfurcht die Frucht, die Freiheit hält den Leuen:
diß war des Heldens Zier. Stark, mächtig und mit Frucht
hat er die Weiterung des Regiments gesucht.
Den Apfel trägt die Macht, die Adelheit die Krone,
den Zepter Würdigkeit. Diß hat der Held zu Lohne,
daß er durch seinen Sieg die Welt zu sich gebracht
und das, was Fremder war, ihm untertan gemacht.
Die ernste Gravität läßt seine Fahne fliegen.
Die Stärke sitzt zu Roß, als wie man kämpft im Siegen,
hat seinen Küriß an. Die neigende Gedult
führt dieses hinter sich, was er noch nicht verschuldt
und uns zu zeitig war, die schwarze Totenfahne.
Das Roß, das diesem gleicht, das ihn im freien Plane
von sich sah sinken ab, das führt die Frömmigkeit,
die Demut geht bei her. Die Weisheit ist nicht weit,
wie denn die Klugheit auch mit Einigkeit umgeben.
Der Friede trägt den Schild, die Redligkeit darneben
die ritterliche Sporn, den Helm die Wachsamkeit,
darauf Gerechtigkeit den bloßen Degen beut
und wiegt das Recht wol ab. Den schwerbeladnen Wagen,
auf dem viel Raub und Zeug, dem Feind entnommen, lagen,
begleiten Dapferkeit und unerschrockner Mut,
Geschwindigkeit und Kraft; das adeliche Blut
noch einen anderen, darauf war abgerissen
ein wolverschanzter Ort, worauf sich hören ließen
der Trompterleute Chor und Pauken, so man braucht,
wenn es in offner Schlacht von frischem Pulver raucht.
Nach diesem kompt ein Heer, der Ausschuß dapfrer Helden,
von welchen man so viel itzt überall hört melden,
die der gelobte Fürst stets um sich hatte gehn,
und die ihm itzo noch zu seinen Diensten stehn,
ob er schon nicht mehr da. Was soll ich ferner sagen,
mit was für Harm und Angst, mit was für heißen Klagen
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erscheint ein guter Teil von Frauen, so für sich
die Länder, die der Held erfreuet ritterlich,
mit Namen zeigen an? Den Schweden, Gothen, Wenden
ist mehr als andren weh, weil ihren dreien Ständen
ihr Schutz, ihr Trost, ihr Heil, ihr König kommen um.
Chur-Sachsen, Thüringen und Meissen trauren drum.
Chur-Brandenburg klagt laut, ihr Bluts-Freund sei gefallen,
wie Mekelburg denn auch. Man hört sie weit für Allen.
Das Böhmen ist nicht froh, Kron' Frankreich geht betrübt,
weil der liegt, den sie ehrt, und der sie billig liebt.
Die Pfalz und Elsaß gehn mit traurigen Gebärden,
Westphalen scheint, als könt' es nicht getröstet werden.
Der Rheinstrom schleißt die Brust, und Holland trücknet ab
die Tränen, als darzu der Fall ihm Ursach gab.
Das Franken, Würtenberg, das hochbetrübte Schwaben
ziehn als bekümmerte, die keinen Trost mehr haben.
Wie wol hat er verdient, daß sein zu früher Tod
so viel Provinzen setz' in ebengleiche Not!
Sie wollen auch tot sein. Die königliche Leiche,
die Leiche, die der Tod fast ist dem ganzen Reiche,
das nunmehr nicht mehr ganz, wird fürstlich hergeführt;
die Kühnheit und Vernunft, mit der er war geziert,
die Vorsicht, der Verstand, die Schärfe bei dem Kriegen,
Erfahrung, Wissenschaft und Sanftmut in den Siegen
gehn um den Wagen her und klagen ohne Ziel
des Helden Untergang, der alzu zeitlich fiel.
Der Bote Gottes fleugt und setzt die grünen Blätter
dem Helden auf das Häupt. Er war der recht' Erretter,
der Mehrer, dem diß Laub von Rechte zugehört,
und daß er nun auch tot darmitte wird geehrt.
Zwo starke Ketten gehn von hinten aus dem Wagen,
darinnen zeucht ein Heer, das man hört heftig klagen.
Das erst' ist Frauenvolk. Die Laster, die der Held
so gänzlich abgeschafft aus der verneuten Welt,
der Neid, der Haß, der Zorn, die Rachgir, Sünde, Schande,
Begierd' und Übermut ziehn all' an einem Bande.
Betrug, Gottlosigkeit, Verzweiflung, Heuchelei,
Gift, Abfall, Meineid, Not, Verwegung, Meuterei,
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Pracht, Hoffart, Übermut und andre viel' dergleichen
gehn traurig hinten nach und folgen dieser Leichen.
Die andern, die zugleich in einer Ketten stehn
und dick in großer Zahl in keiner Ordnung gehn,
das ist gefangen Volk, das sind bezwungne Krieger,
die unser Josua, der allzeit werte Sieger,
hat zu Gehorsam bracht, und aus gewohnter Gunst
das Leben bloß verehrt. Was ferner folget sonst,
das sind teils Frembdlinge, teils weggetriebne Leute,
die mehr als traurig sein. Was ferner in der Weite
noch mehr gesehen wird und doch nicht übersehn,
das ist das Kriegesheer, dem überweh geschehn,
daß es nun häuptlos ist. Diß ist das Leichgepränge,
das auf diß schmale Blat gebracht ist in das Enge,
das ihm die Tugenden zu Ehren angestelt
und wirklich auch vollbracht in einer andern Welt,
als wo wir Menschen sind. Wir, die wir hie noch leben,
vermögen nichts zu tun, als daß wir Ehre geben
dem, der sie recht verdient. Des Helden hoher Preis
wird ewig bleiben stehn. Sein Ruhm, der wird nicht greis,
sproßt immer jung herfür. Die Zeit, die noch wird kommen,
so anders noch in ihr wird leben was von Frommen,
die wird auch dankbar sein. Er hat es recht verdient,
daß seines Namens Lob zu allen Zeiten grünt.

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TextGrid Repository (2012). Fleming, Paul. Gedichte. Deutsche Gedichte. Poetische Wälder. 2. Von Leichengedichten. 9. Auf ihrer Königl. Majestät in Schweden. 9. Auf ihrer Königl. Majestät in Schweden. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-AD1E-3