Robin Hood
1.

Liebe Herrn, horcht auf und habt mal Geduld,
Und lauf mir keiner davon –
Ich will euch erzählen von Robin Hood,
Und vielleicht auch von Little John.
Zu Locksly, im lustigen Nottinghamshire,
Beginn' ich mit meiner Geschicht',
Da bracht' Robins Mutter den Robin zur Welt,
Und das andre – das weiß ich nicht.
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Das aber weiß ich und hört' es oft:
Sein Vater war Förster allda,
Er traf ins Schwarze, auf tausend Schritt,
Und das ist just nicht nah.
Mit Adam Bell und Will Cloudesly
Schoß er oftmals um die Wett',
Die mußten ihm zahlen vierzig Mark
In Gold und auf ein Brett.
Robins Mutter, die war John Gamwels Kind,
Der 'nen Wolf mit der Hand erwürgt
(Zu Coventry der Ochsenwirt
Hat mir's hundertmal verbürgt).
Und ihr Bruder hieß Gamwel von Gamwel-Hall,
Und sein altes Herz war frisch-
Das weißeste Brot in Nottinghamshire,
Das kam auf seinen Tisch. –
Und sieh, Jung-Robin wuchs heran,
Zählte zwanzig Jahre bald,
Er hatte Vater und Mutter lieb,
Doch noch lieber den Sherwood-Wald.
Robins Mutter aber zum Vater sprach:
»Mein Liebster, der du bist,
Gern ritt' ich heute gen Gamwel-Hall
Und feierte heiligen Christ;
Ich hab' eine Lust, in Keller und Küch'
So recht zur Hand zu gehn;
Auch hab' ich den lieben Bruder mein
Seit Pfingsten nicht gesehn.«
Vater Robin drauf: »Lieb' Hanna, gewiß,
Meinen Braunen geb' ich gern,
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Nur nimm mir unsren Robin mit
Und zeig' ihn dem alten Herrn;
Und grüß den Alten und küsse dazu
Die Kinder groß und klein,
Und wenn ihr alle recht lustig seid,
Lieb' Hanna, so denke mein.«
Er sprach's. Alsbald der Braune kam,
Gestriegelt und aufgestutzt!
Nur Robins Mutter und Robin selbst,
Die waren noch mehr geputzt.
Jung-Robin trug eine blaue Kapp'
Und ein Schwert an seiner Seit',
Und die Mutter gar, die bauschte daher
Im Vierzigfaltenkleid.
Es war ein selbstgesponnenes Stück,
Und sie wußte sich was darin,
Und sie sah beinah so stattlich aus
Wie zu London die Königin.
Jung-Robin schwang in den Sattel sich,
Seine Mutter kletterte nach,
Sie sah den Braunen ängstlich an,
Vater Robin aber sprach:
»Lieb' Hanna, laß, ich kenne sein Kreuz,
Zwei Reiter ist ihm Spiel,
Er trug schon sieben Scheffel Korn,
Und die wiegen doppelt so viel.«
Er sprach's. Jung-Robin ritt im Schritt
Bis dicht an das Stadttor hin –
Das Händeschütteln nahm kein End'
Von Nachbar und Nachbarin.
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Nun aber ging's auf den Braunen los
Zugleich mit Peitsch' und Sporn,
Und Robin rief: »He, lauf einmal
Und verdiene dein Weihnachtskorn.«
Sie kamen an. Das ganze Haus
Geriet wie außer sich,
Der Alte rief in einem fort:
»Lieb' Schwester, wie freue ich mich!«
Am andern Morgen ging's zur Mess',
Dann aber ging's wieder nach Haus,
Sechs Tische standen da, wohlgedeckt,
Drauf dampfte der Weihnachtsschmaus.
Jede Tafel trug eine braune Gans,
Mit saftigen Äpfeln gefüllt,
Daneben Wildpret mit Schinken zumal,
In Eierteig gehüllt.
Sechs Lichter brannten; der Pfarrer vom Dorf
Sprach den Segen kurz und fromm-
Dann aber rief Squire Gamwel selbst:
»Lieben Gäste, Gott willkomm!
Willkommen mir all in Gamwel-Hall,
Und nun seht, was die Küche briet,
Wer aber mein Märzbier trinken will,
Der singe zuvor ein Lied.«
Da sangen sie all (denn das Bier war gut)
Aus voller Kehl' und Brust –
Squire Gamwel schlug den Takt dazu
Und weinte beinah vor Lust.
Er rief: »Hört nur, wie draußen der Wind
Den Regen ans Fenster schlägt,
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Das ist die Zeit, wo das Menschengemüt
Einen Humpen mehr verträgt.
Lieb' Hanna, hol uns den Stachelbeerwein,
Er zählt schon manchen Tag,
Und wirf mehr Holz noch in den Kamin,
Daß es lustiger knistern mag.«
Und sie brachte das Holz und sie brachte den Wein,
Und sie tranken wacker davon,
Und der Alte rief: »Nun kommt das Best',
Nun hol' ich den Little John;
Little John, das ist der flinkste Bursch
Zehn Meilen in der Rund':
Kopfstehn, Radschlagen und Gliederverdrehn,
Das versteht er aus dem Grund.«
Little John trat ein; Jung-Robin rief:
»Nun flinkester Bursch, komm her!
Und springst du sieben Ellen weit,
So spring' ich noch eine mehr.«
Little John sprang sieben, Jung-Robin sprang acht,
Auf Zollbreit hielt er Wort,
Da rief der Alte: »So wahr ich leb',
Ich lasse dich nicht mehr fort.
Sei mir ein Sohn: wir haben hier auch
Fangmesser, Bogen und Pfeil,
Und mach' ich mal die Augen zu,
So erbst du Kindesteil.«

2.

Jung-Robin blieb. Der Frühling kam,
Auf sproßten die Veilchen, die blaun,
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Die Lerche hatte mit Liedern zu tun,
Und die Schwalbe mit Nesterbaun;
Da rief Jung-Robin: »Nun komm, Little John,
Jeder Vogel ruft mich hinaus –
Ich muß wieder heim in den Sherwood-Wald
Und sein grünes Blätterhaus.«
Sie kamen zum Wald; sein Hüfthorn rasch
Führte Robin an den Mund –
Da wuchsen, wie auf Zauberschlag,
Fünfzig Jäger aus dem Grund.
Er rief: »Grüß' Gott euch, liebe Geselln!«
Und fragte sie her und hin;
Dann plötzlich schwieg er: aus Waldesnacht
Trat Jenny, die Schäferin.
Seine Sinne hatten sie nie gesehn,
Betroffen er vor ihr stand;
Sie trug in Strählen ihr schwarzes Haar,
Durchflochten mit rotem Band.
Sie trug ein Mieder, kornblumenblau,
An silbernen Spangen reich,
Und ihr Aug', umwölbt von dunkler Brau,
Blickte mild und mutig zugleich.
Er rief: »Willkommen, wer immer du seist!
Und suchest du unsren Schutz-
Beim Himmel, um deinen süßen Leib
Böt' ich dem Könige Trutz.«
Da lachte sie laut und rief: »Hab' Dank!
Ich bin eine Warwick-Maid,
Und braucht' ich Schutz, sieh diesen Pfeil
Und den Bogen an meiner Seit'!«
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Sie sprach es kaum, da brach mit Geräusch
Ein Reh durchs knickende Holz,
Sie rief: »Schau auf!« und mitten durchs Herz
Drang ihr gefiederter Bolz.
Jung-Robin sah's. »Und brauchest du nicht
Meines Arms« – so rief er laut –
»So nimm meine Hand und mein Herz dazu
Und sei meine süße Braut.
Ich bin Robin Hood. Im Sherwood-Wald
Sollst du die Königin sein,
Was Bogen und Pfeil erreichen kann,
Ist alles, alles mein.«
Wohl wurde sie rot und rief doch: »Ja!
Ja, und von Herzen gern,
Ich will dir folgen, wohin du gehst,
Und dir dienen als meinem Herrn.
Jetzt aber komm und geleite mich heim
In meines Vaters Haus,
Wir feiern heute das Kirchweihfest –
Nun wird es mein Hochzeitsschmaus!«
Da brachen sie auf nach Titbury-Town,
Little John, der schritt voran,
Auf den Schultern er einen Rehbock trug,
Den man immer brauchen kann.
So ging's feldein. Schon grüßte der Turm
Von Titbury ganz in der Näh'
Da sperrten fünf Burschen ihnen den Weg
Und schrien: »Gebt uns das Reh!«
Ihre Messer blitzten. Da lachten laut auf
Robin Hood und Little John,
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Sie schlugen zwei von den Strolchen tot,
Die andern liefen davon.
Beim Himmel, ein lustiger Stückchen Kampf
Tät Robin nie bestehn –
Ich bin der Fiedler von Titbury-Town
Und habe mit zugesehn.
Ich stand kaum fünfzig Schritt davon
Und fiedelte wacker mit drein,
Auch aus der Stadt scholl Jubel her
Von Dudelsack und Schalmein.
Und als der Kampf vorüber war,
Jung-Robin war nicht matt,
Er faßte schön Jenny um den Leib
Und tanzte hinein in die Stadt.
Da war auf Markt und Gassen schon
Das Kirchweihfest im Gang,
Selbst Tom, der Schreiber vom Gericht,
Über Tisch und Bänke sprang.
Er führte die Anne Marie zum Tanz
– Bei Gott, eine hübsche Dirn!
Und richtig gezählt, jeden dritten Takt
Da küßt' er sie auf die Stirn.
Ich bin der Fiedler und hab' es gesehn
Und gönn's ihm auch von Grund,
Denn meine Nanny war auch dabei,
Und die küßt' ich auf den Mund.
Jung-Robin aber und Jenny schön,
Die tanzten zum Vater ins Haus,
Und als der Herr Pfarrer sein Sach' getan,
Ging's tanzend wieder hinaus;
[333]
Hinaus in den Wald; da waren die Tisch'
Unterm Laubdach angericht't, –
Ach, was ich da alles gegessen hab',
Vor Trinken weiß ich's nicht.
Nur in den Wabenhonig hinein
Schnitt ich ein tiefes Loch,
Und wenn ich daran denken tu,
Schmeckt es mir immer noch.
Jung-Robin und Jenny gingen zu Bett,
Wir aber schliefen aus,
Und als der nächste Morgen kam,
Nahm jeder was mit nach Haus.
Ich nahm einen Kuchen; er war nicht groß,
Doch war er auch nicht klein,
Ich lebt an die sieben Tage davon
Und lud noch Gäste ein.
Und halt! daß eins ich nicht vergess'
Vor lauter Hast und Eil':
Sie wurden getraut mit einem Ring;
Und nun dem Könige Heil!
Dem Könige Heil! und geb' ihm Gott
Einen jungen Prinzen bald; –
Ich aber will singen von Robin Hood
Und dem lustigen Sherwood-Wald.

Notizen
Entstanden spätestens 1852, Erstdruck 1854.
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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Fontane, Theodor. Robin Hood. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-AF48-2