[55] Singlieder

1892–1894

Horas non numero, nisi serenas!

Singweise: Santa Lucia


Sind es nicht Toren,
die da stets zittern
und sich das schöne
Leben verbittern?
Wein-, lieb- und liederfroh
horas non numero,
nisi serenas!
Was dir auch zugelost
an Leid und Sorgen,
selbst auf die längste Nacht
folgt noch ein Morgen!
Tag-, licht- und sonnenfroh
horas non numero,
nisi serenas!
[56]
Und wenn der Sommer
sich neigt zur Wende ...
Einmal, so schön es war,
geht's doch zu Ende ...
Dank- und erinnerungsfroh
horas non numero,
nisi serenas!

Sonn'entgegen!

Singweise: Strömt herbei ihr Völkerscharen


Nicht der Pflicht nur zu genügen,
was sie fordert und verlangt,
nicht der Stunde nur zu leben,
was sie nimmt und was sie dankt ...
einem stolzeren Wollen gelte
unseres Tages Ziel und Lauf:
über Sturm und über Wolken
Sonn'entgegen trag's uns auf!
Sonn'entgegen aus des Alltags
nebeldumpfem Sorgenspuk
mit dem Siegtrotz froher Jugend
über Not und Last und Druck ...
und wenn andere töricht finden,
was sie uns so ›träumen‹ sehn,
unsere Losung sei und bleibe:
nie im Alltag aufzugehn!
[57]
Gib dem Menschen, was des Menschen,
doch laß Gott, was Gott gehört:
nicht dem Kampf nur um dein Morgen
auch dir selbst sei etwas wert!
Auch dir selbst, Freund, und der Jugend,
die so stolz die Stirn uns schirmt
und auf Feuerflügeln jauchzend
unsere Seelen aufwärts stürmt.
Und noch heut, so lang uns frohe
Zuversicht noch führt zum Sieg,
laßt entscheiden uns und wählen:
mit wem Frieden, mit wem Krieg!
Freunde, Männer laßt uns werden,
die da stolz im Kampfe stehn,
treu und furchtlos, festverschworen:
nie im Alltag aufzugehn!

[58] Hab Sonne ...

Singweise: Der Mai ist gekommen


Hab Sonne im Herzen,
ob's stürmt oder schneit,
ob der Himmel voll Wolken,
die Erde voll Streit ...
hab Sonne im Herzen,
dann komme was mag:
das leuchtet voll Licht dir
den dunkelsten Tag!
Hab ein Lied auf den Lippen
mit fröhlichem Klang,
und macht auch des Alltags
Gedränge dich bang ...
hab ein Lied auf den Lippen,
dann komme was mag:
das hilft dir verwinden
den einsamsten Tag!
Hab ein Wort auch für andre
in Sorg und in Pein
und sag, was dich selber
so frohgemut läßt sein:
[59]
Hab ein Lied auf den Lippen,
verlier nie den Mut,
hab Sonne im Herzen,
und alles wird gut!

Trutzlied

Singweise: Wohlauf, die Luft geht


Wenn Geld im Beutel Sorgen macht,
wie reiche Leute sagen,
von uns dann hätte wahrlich keins
viel Grund, sich zu beklagen:
was unsereins zu sehen kriegt,
ist selten lang zu heben,
von darum also könnten wir
wie Gott in Frankreich leben.
Doch ob auch arme Teufel nur,
das macht uns wenig Nöte,
wir haben, drum so mancher gern
sein ganzes Gold uns böte,
wir haben: jedes Ärgernis
ins Gegenteil zu wenden,
ein frohes Herz stets und Humor,
so kein Gericht kann pfänden.
[60]
Und klappt auch nirgends was und ist
jedwede Müh vergebens,
wir singen uns ein lustig Lied
und freun uns doch des Lebens!
Und das gerade ist die Kunst ...
mit Geld kann's jeder haben ...
auch ohne daß man zahlen muß,
am Leben sich zu laben.
Und hier, Herr, sag ich, liegt der Punkt,
der Punkt, an dem sich's bandelt:
und wenn wie Kuckuckskinder nur
das Schicksal uns behandelt,
wir kriechen dennoch nicht zu Kreuz
und werden keine Mucker:
wenn wir dem Glück so kuckuck sind,
ist's uns noch viel kuckucker!
Wir wollen, was da werden soll,
getrost uns selber schmieden,
denn was das Glück im Schoße hält,
sind doch nur lauter Nieten.
Wir knieen nicht, wir betteln nicht,
es mög uns Rosen streuen,
wir haben das Geheimnis, auch
an Dornen uns zu freuen.
So stehn wir stolz und trotzgewillt,
wenn andre furchtsam zagen,
wir wissen, was wir wollen, und
wir wissen, was wir wagen!
[61]
Und löst Freund Hein die Frage dann
zum Schluß unwiderleglich,
so haben wir's uns wenigstens
so froh gemacht als möglich!

Lumpenlied

Für einen Trupp Karnevalmusikanten


Singweise:

Wenn ich an meinem Amboß steh!

oder:

Da streiten sich die Leut herum!

Kehrreim gepfiffen.


Ich bin ein armer Be-Bi-Ba-
Bo-Bettelmusikant,
doch kreuzfidel stets pe-pi-pa-
po-pump ich mich durchs Land;
zu spielen gibt's allüberall,
bar Geld nur leider keins,
und dennoch bleib ich, was ich bin
und pfi-pfa-pfeif mir eins!
Ob hier, ob dort, was verfa-fe-
was verfo-fu-versicht's?!
ein Künstler kam sein La-Li-Le-
Lo-Lebtag noch zu nichts!
und da dies mal jedweder Kunst
betrübter Erdenlauf,
so plag dich nicht umsi-sa-sunst
und pfi-pfa-pfeif darauf!
[62]
Auch ich hab einst von Ra-Re-Ri-
von Ri-Ro-Ruhm geträumt
und hab damit mich ma-me-mi-
mu-mächtiglich geleimt!
Drum nahm ich einen Nagel und –
und hing den Kram dran auf
und wurde Vi-Va-Vagabund
und pfi-pfa-pfoff darauf!
Ein Bettelmusike-ki-ko-
ku-kant ist auch nicht schlecht,
und wer einmal ein Le-Li-Lo-
La-Lump ist, sei's auch recht!
Zum Mi-Ma-Millio-nö-nü-när
bringt doch von uns es keins,
drum bleib ich, was ich bi-ba-bin
und pfi-pfa-pfeif mir eins!

(Dankstrophe).


Wir machen unsern Di-Da-Du-
Do-Dank dem Publiko:
es bleib wie wir stets kri-kra-kru-
kro-kreuzfidel und froh!
Ein Mensch, der keinen Spaß versteht,
merkt euch zum Schli-Schla-Schluß,
bleibt ewiglich ein Rha-Rhe-Rhi-
Rho-Rhu-Rhinozerus!

(Kehrreim) und während dessen im Gänsemarsch ab.


Lizenz
Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).
Link zur Lizenz

Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Flaischlen, Cäsar. Singlieder. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-B3D5-7