[107] Von Dem und Jenem

1. [Man schreit und lärmt]

Man schreit und lärmt und ereifert sich,
man findet es dumm und lächerlich
und gegen allen Anstand und Brauch,
man ruft die Polizei zu Hilfe,
und diese kommt und verbietet es auch
und sperrt die Straßen und rasselt mit Ketten
und tut, soviel sie irgend kann,
die bedrohte Bürgerruhe zu retten.
Und ein paar Jahre später, gib acht,
ist alles, worob man den Lärm gemacht,
wofür man ereifert sich und erregt,
wogegen man Himmel und Hölle bewegt ...
kein Mensch weiß, wie es eigentlich kam:
so selbstverständlich, so alltäglich,
so eingefügt in den ganzen Lauf
und mit Sitte und Anstand so wohl verträglich,
als wär man's gewöhnt so von Jugend auf.

[108] 2. [Was sich dir auch erfüllen mag]

Was sich dir auch erfüllen mag
und wie's in deine Türe trete,
ob königstolz
an lautem Tag,
ob bettlerscheu
in stiller Nacht,
du hast es immer doch ganz anders,
ganz anders dir gedacht ...
Und ob du noch so sehr dich freust,
ein bißchen bist du immer enttäuscht.

[109] 3. [Ich darf's]

Ich darf's,
du darfst's
und jeder,
der da gleich stolzen Sinnes wär,
der so wie ich, der so wie du
die Jahre hin, die Jahre her
den eigenen Wunsch im Zügel hielt,
daß er nun ganz von selbst nicht mehr
auf Wege drängt, die wir nicht wollen,
ein jeder, der
so drüber stände
wie du und ich
darüber stehn ...
die Welt würd ruhig weiter gehn,
es würde niemand was geschehn,
es würde niemand was genommen!
Und dennoch, sieh! eh wirs versähn,
würden sie dutzendweise kommen:
Wer sind die, die da oben gehn?!
[110]
wer sind die, die da haben dürfen,
was uns versagt?! wir sind doch wohl
nicht weniger gut, nicht weniger schlecht?!
gleiche Steuern, gleiches Recht!
So schrie' es und im Handumdrehn ...
wir sind nicht weniger gut und schlecht! ...
wär Zaun und Garten niedergetreten ...
gleiche Steuern, gleiches Recht!
Und alles, was in langen Jahren
wir uns erkämpft als stillen Lohn
freiwilliger Frohn,
es würde nur uns selbst zum Hohn!

[111] 4. [Nimm einen jeden, wie er ist]

Nimm einen jeden, wie er ist ...
es hat ein jeder seine Mängel
und selbst der Beste, denn wir sind
nun einmal Menschen und nicht Engel!
Man nimmt dich auch dann, wie du bist ...
es hat ein jeder seine Mängel
und selbst der Beste, denn wir sind
nun einmal Menschen und nicht Engel!

[112] 5. [Das ist so, Freund]

Das ist so, Freund, ja, ja!
... die andern
dürfen alles sich erlauben,
dürfen's treiben, wie sie wollen,
geck und keck und klug und dumm,
dürfen mit anmaßungsvollen
Eitelkeiten laut sich blähn
und wie Wetterfahnen lustig
sich mit jedem Windchen drehn ...
niemand nimmt es weiter krumm!
Aber wage du das einmal,
wage du einmal ein Wort,
das nicht überall entschuldigt,
hab dich du einmal so wichtig,
hab dich du einmal mit ihrem
feierlichen Selbstbewußtsein ...
Ach, es würde eine Lust sein,
wie sie's alle übel nähmen,
[113]
wie sie tief beleidigt kämen:
was du wärst und was du dächtest!
andre sei'n so viel wie du!
und es wäre blasser Neid nur!
wahres Können sei auch Gönnen!
wahre Freiheit sei bescheiden!
wahre Stärke stütze andre!
wahre Größe ... wahre Bildung ...
Ja, es wäre eine Lust,
wie sie ohne es zu merken,
rührend harmlos und vergnügt,
sich mit ihren Kastagnetten
an den eigenen Nasen hätten!

[114] 6. [Sobald ein anderer was gemacht]

Sobald ein anderer was gemacht,
ist's gut und schön und klug bedacht,
man nimmt's, wie's ist, und freut sich dran:
wieder einer, der was kann!
Doch wenn du selber damit kämest,
begänn ein Wackeln mit den Zöpfen,
ein Schütteln mit den weisen Köpfen:
die Sache sei viel zu verzwickt
und dies und das vorbeigeglückt!
man hätte zu viel dabei zu denken!
man wolle Erholung, nicht Quälerein!
das Leben sei ohnehin ernst genug!
Kurzum: man müsse leichter sein!
Und glückte was mit leichterer Feder ...
weiß Gott, so kämen sie erst recht:
so was könn heutzutage jeder!
mit solchen billigen Spielerein
erwürbe man sich kaum viel Gunst!
mehr-können müsse, wer da wolle,
daß man ihn höher werten solle!
hart sei das Leben, hart sei auch die Kunst!

[115] 7. [Faule Witze, lieber Freund]

Faule Witze, lieber Freund,
kann ein jeder Klempnermeister machen,
faule Witze, über die dann
andre Klempnermeister wieder lachen ...
Immer freilich, mein ich, könn man
derart geistreich sich nicht fassen,
und zuweilen, mein ich, könn man
ruhig auch was gelten lassen!

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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Flaischlen, Cäsar. Von Dem und Jenem. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-B423-2