König Sigurds Brautfahrt

Wie König Sigurd Alfsonnen traf

Lenz war gekommen. Der lichte Schnee zerschmolz
An den Bergeshalden, in Veilchen stand das Holz;
Die blaue Meereswoge glänzte frei von Eis,
Da ging zu Schiffe Sigurd, der königliche Greis.
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Umfahrt wollt' er halten von Upsalas Strand
Entlang die hohen Küsten, daß überall am Land
Er nähme Schoß und Gaben und mit Spruch und Schwert
Des alten Rechtes pflegte, so jemand hätte des begehrt.
Es war der neunte Morgen, seit die Fahrt begann;
Gehalten war der Frühtrunk von Skald' und Rittersmann,
Die Segel und die Taue rauschten allzumal
Vom lauen Maienwinde: da kamen sie gen Skiris-Sal.
Als das Schiff gelandet, da sprach der König gut:
»Wie singt mein Herz so fröhlich, wie fleugt so hoch mein Mut!
Ich weiß nicht, tut's der Frühling, oder tut's der Wein;
Mir ist, als sollt' ich heute ein Jüngling wieder sein.«
Sie schritten hastig fürder auf gelbem Ufersand,
Das Land in acht zu nehmen; da trafen sie am Strand
Eine Schar von Mägden, die am Erlenbusch,
Wo in das Meer ein Bach ging, Gewand und Linnen wusch.
Es lachten und es sangen bei der Arbeit frei
Die frohgemuten Dirnen, eine Jungfrau stand dabei;
Aller Herrin schien sie, da sie des Werks vergaß.
Auch trug sie güldne Spangen; ein Falk auf ihrer Schulter saß.
Sie stand in süßer Jugend; ihr rosig Antlitz war
Wie die Morgenfrühe, es floß ihr goldenes Haar
In langen Ringeln schimmernd herab auf ihr Gewand,
Daß schier der lichten Spangen Gefunkel davor schwand.
Da dachte Sigurd bei sich in seinem Sinn:
»Holdselig ist die Jungfrau, so wahr ich König bin!
Trotz meiner achtzig Jahre die führ' ich heim als Braut.
Sonst bricht mein Herz vor Liebe.« Doch sagt' er das nicht laut.
Nach ihr den Skalden fragt' er. Der sprach: »Herr König, wißt,
Daß sie Alfs des Weisen vielhohe Tochter ist;
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Ihr Leib ist frisch und wonnig, die schönste wohl im Land,
Ihr Goldhaar strahlt sonnig. Alf-Sonne ist sie drum genannt.
Mit wundersamer Tugend gegürtet ist die Maid;
Es pflegen ihrer Jugend ihre Brüder beid',
Alf geheißen Blondbart und Erek Harfenschall,
Seit Alf der Weise zechet mit Odin in Walhall.«
Zur Jungfrau sprach da Sigurd: »Gesegnet sei die Frist,
Da du Minnigliche mir begegnet bist!
Doch darf ich eins dich bitten, so bring' im Kruge dein
Einen kühlen Trunk mir. Dort oben quillt das Bächlein rein.«
Alfsonne ging und schöpfte; den Krug hielt sie dar;
Langsam trank der König. Da deucht' es ihm fürwahr,
Als tränk' er Lieb' und Jugend, der eisgraue Mann;
Wohl keiner je aus Wasser solche Lust gewann.
Und lächelnd sprach er weiter: »Nun sollst du haben Dank,
Daß du mich so erquicket; doch wüßt' ich süßern Trank,
Das ist von deinen Lippen der rote Freudenwein,
Labsal für Heldenherzen, die Minne schenkt ihn ein.
Hei, daß ich davon zechte! Mir wär' es wohlgetan
Bei Tag und in den Nächten.« – Da sah ihn finster an,
Rot vor Scham und Zorne, die wonnigliche Maid:
»Ich merke«, rief sie scheltend, »daß Ihr aus weiter Fremde seid;
Wie möchtet Ihr sonst reden zu einem Edelkind
Als ein lockrer Bube, der um Dirnen minnt!
Und wärt Ihr selbst ein Recke oder ein König gar:
Solch Schwatzen dünkt mich Schande für Euer graues Haar.«
Sie warf in ihrem Zürnen in den Bach den Krug,
Daß er auf den Kieseln zu tausend Scherben schlug
Und hoch das Wasser spritzte. Dann floh sie längs der Bucht
Gleich einer weißen Hinde mit windschneller Flucht.
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Nachflog ihr der Falke. Erstaunt blieb Sigurd stehn;
Ihm war's, er hätte nimmer so reizend sie gesehn
Denn in ihrem Schelten. Dann strich er sich den Bart:
»Wohlauf, ihr wackern Degen! Gen Alfheim geht die Fahrt.«

Wie König Sigurd gen Alfheim kam

Zu Alfheim von den Zinnen wehten Fahnen viel,
Man streute Maien drinnen und stimmte Saitenspiel:
Botschaft war gekommen vor der Burgherrn Ohr,
Wie König Sigurd zöge vom Meergestad' empor.
Sie schritten ihm entgegen bis vor des Schlosses Wall,
Die beiden kühnen Degen, Erek Harfenschall
Und Alf im blonden Barte: nicht froh war ihr Mut;
Was am Strand geschehen, sie wußten's von der Schwester gut.
Draußen auf der Brücke sie harrten mit Bedacht,
Da sprach der junge Erek: »Mir träumte zu Nacht,
Einen Geier säh ich fliegen von königlicher Art
Und plötzlich niederstoßen auf ein Täublein zart.
Das schneeweiße Täublein sich barg in meinem Schoß,
Doch konnt' ich's nimmer schirmen vor des Unholden Stoß;
Er würgt' es ohn' Erbarmen. Nun fürcht' ich, Bruder mein,
Alfsonne möchte die Taube und Sigurd Ring der Geier sein.
Wie sollen wir ihm wehren, so er der Maid begehrt?« –
»Dafür«, sprach Alf Blondbart, »tragen wir ein Schwert
Und lichte Schild' und Panzer. Nie soll das rosige Weib
Kaltem Winter schenken den lenzhaften Leib.«
Da sie also red'ten, erhub sich heller Klang
Von Zimbeln und Drommeten. Es zog das Tal entlang
Inmitten seiner Degen König Sigurd Ring;
All sein Ingesinde im Festgeschmeide ging.
Bis auf der Brücke Mitten, wo das Banner stand,
Trat ihm Alf entgegen; er trug in seiner Hand
Ein kunstreiches Trinkhorn von Gold und Edelstein,
Das war zum Rand gefüllet mit dem allerbesten Wein.
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Den greisen König grüßt' er, wie's geziemend war,
Zum Willkommen bot er den Labetrunk ihm dar.
Da neigten sich alle Mannen aus Alfs und Ereks Haus,
Sigurd nahm das Goldhorn, doch trank er nicht daraus.
Er sprach: »Ich will nicht trinken noch ruhn an Eurem Herd,
Bis daß ich Euch verkündet, was mein Herz begehrt.
Ist grau mein Haupt geworden, so ward es ehrenreich,
Und gilt eine gelbe Krone wohl gelben Haaren gleich.
Ich minn' um Eure Schwester, daß Ihr zum Gemahl
Sie mir geben möchtet. Sie soll den finstern Saal
Erleuchten meinem Alter mit ihrer Jugend Schein;
Alfsonn' im Goldgelocke soll König Sigurds Sonne sein.«
Da sprach mit Stirnrunzeln Alf im blonden Bart:
»Kurz Wort will kurze Antwort. Ist Eurer Alfheimsfahrt
Dies das Ziel gewesen, so kehrt in Frieden heim;
Auf Euer Lied, Herr König, weiß ich keinen Reim.
In späten Herbstestagen, da es friert und schneit,
Bricht man keine Rosen. Auch war zu aller Zeit
Ein scheues Wild die Minne, das holde Jugend allein
Zur Beute mag gewinnen. Drum stellet Euer Werben ein.«
Stumm stand da Sigurd. Ihm fuhr es durch den Sinn,
Wie er einst gefahren durch Blut und Leichen hin
Auf Brawallas Heide gleich Odins Wetterleucht',
Daß aller Helden Häupter sich unter ihm gebeugt,
Und wie er nun verschmäht sei. Da schoß das rote Blut
Brennend ihm ins Antlitz; er preßte zorngemut
Also stark das Goldhorn, das seine Faust umschloß,
Daß draus hochaufspritzend der Wein gen Himmel schoß.
Dann wandt' er sich zu Tale und rief hinauf den Wall:
»Fahret wohl, Alf Blondbart und Erek Harfenschall!
Fahr wohl dazu, Alfsonne, du wonnigliches Kind!
Ihr sollt es noch verspüren, wie König Sigurd minnt.«

[386] Wie die Geschwister Rat hielten

Jünglings Zorn und Lieben ist Flamm' in Stroh und Dorn,
Doch wie glühend Eisen ist Greises Lieb' und Zorn:
Das mußten bald erfahren die kühnen Brüder beid',
Dazu Alfsonn' im Goldhaar zu übergroßem Leid.
Es war die Zeit gekommen, da im grünen Hag
Man kühle Schatten suchet, und Nachtigallenschlag
An den Brünnlein schallet: da kam, den Sporn voll Blut,
Ein Reiter gen Alfheim, des Kunde war nicht gut.
Er sprach: »Es hat entboten bei lautem Hörnerschall
Sigurd der Vielgrimme seine Degen all;
Mit Rossen und Streitwagen zieht er nun daher
Auf mehr denn hundert Schiffen. So viele trug noch nie das Meer.
Auch hat er sich verschworen mit einem teuern Eid,
Nimmerdar von Alfheim zu kehren aus dem Streit,
Ohne mit Alfsonnen. Nun pfleget Rats geschwind!
Der König zaudert nimmer und fährt mit gutem Wind.«
Da sprach der junge Erek: »Das geht an unsern Leib,
Es sei denn, daß die Schwester würde Sigurds Weib;
Doch möcht' ich des entraten. Es müßt' im Eis vergehn
Traurig unser Röslein.« – »Das soll«, sprach Alf, »niemals geschehn.
Lieber will ich liegen auf der Heide breit
Im blutgefärbten Ginster, ja, lieber mag die Maid
Ihr jungfrisches Leben veratmen in den Wind,
Eh' sie wird des Greisen, den ihr Herz nicht minnt.«
Am hohen Bogenfenster von ihren Sorgen schwer
Red'ten so die beiden; da sahn sie übers Meer
Viel weiße Segel kommen wie mit Schwalbenflug;
Das war die Sigurdsflotte, nicht enden wollte der Zug.
Auf den Schiffen blitzt' es und gleißt' im Sonnenlicht
Von blanken Stahlpanzern, die Speere starrten dicht
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Wie des Kornfelds Ähren, wann man mähen will;
Ins Auge sahn die Brüder sich leidvoll und still.
Sie schritten nach dem Söller. Da saß die holde Maid
Alfsonn' im Goldgelocke; sie webte sich ein Kleid
Von schneeweißem Linnen am Webestuhl und sang,
Dazu das Schifflein silbern hellklingend durch die Fäden sprang.
Da sie der Brüder wahrnahm, frug sie: »Was hat den Mut
Also euch verstöret? Euch ist das lichte Blut
Gewichen aus den Wangen; der Grund ist nicht gering.« –
»Es rückt«, sprach Alf Blondbart, »vor Alfheim Sigurd Ring.
An zehntausend Klingen führet er daher;
Zur Minne dich zu zwingen, das dünkt uns sein Begehr.
Wir können ihm nicht wehren, zu klein ist unsre Kraft.
Wer sieht zu deinen Ehren, wenn uns die Feldschlacht hingerafft?«
Bleich ward Alfsonne, da sie das vernahm;
Ihrer lichten Tränen hatte sie nicht Scham,
Die sprangen aus den Wimpern. Dann sprach sie: »Brüder mein,
Ich weiß, was mir geziemet. Ruhig mögt ihr sein.
Alfs Tochter dünkt es besser, zu frein den kalten Tod,
Denn in des Königs Bette zu legen sich aus Not
An eines Greisen Seite. Auch hab' ich einen Trank,
Einen vielmilden, des weiß ich heut den Göttern Dank.
Der hilft mir diese Stunde. Doch seh' ich dort am Strand
Schon die Brünnen leuchten und Helm und Schildesrand.
Mich dünkt, mein Werk hat Eile, so wollt mich einsam lan,
Daß ich zur Fahrt mich rüste. Was not tut, das ist bald getan.«
Mit festen Schritten, schweigend schritt Alf aus der Hall';
Auf die Augen küßte sie Erek Harfenschall,
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Daß sie nicht säh' sein Weinen. Dann ließ er sie allein.
Nicht zauderte die Jungfrau, sie ging an ihren Schrein;
Einen Becher gülden nahm sie aus der Haft,
Dazu ein silbern Fläschlein, darinnen war ein Saft
Von blutroter Farbe; den hatt' aus Zauberkraut
In der Nacht des Neumonds die Drude klug gebraut.
Auf die Zinne trat sie; da lagen weit im Ring
Nordlands Meer und Berge, die Sonne niederging,
Es glomm der letzte Schimmer um Wald und Felsenhöhn;
Ihr war's, sie hätte nimmer die Welt geschaut so schön.
Sie sprach: »Fahr wohl, o Sonne, du rosenroter Tag,
Meiner Augen Wonne, fahr wohl, du Frühlingshag!
Ihr Brünnlein an der Halde, die all mein Spiel gesehn,
Fahrt wohl, ihr Veilchen im Walde! Ich soll euch nimmer pflücken gehn.
Nimmer soll ich hören der kleinen Vöglein Scherz
In lichten Maientagen; es soll auch nie mein Herz
Süßer Minne pflegen, und bin doch jung und rot.
O Sigurd Ring, was treibst du so früh mich in den Tod?«
Den güldnen Becher nahm sie und leert' ihn bis zum Grund,
Da wurden ihr schwer die Wimpern; sie sank mit bleichem Mund
Auf den Steinboden; die Locken fielen dicht
Als wie ein güldener Schleier über ihr Angesicht.
Darnach ward eine Stille. Vergangen war der Tag
Mit der lichten Sonne. Da kam ein Flügelschlag
Aus den Lüften nieder, das war ihr Falke gut,
Der kehrte jeden Abend in seiner Herrin Hut.
Da er Alfsonnen so stille liegen fand:
Dreimal zog er kreisend um der Zinnen Rand,
Als wollt' er sie erwecken. Doch glückt' es ihm nicht.
Da flog er hochaufsteigend hinauf ins kühle Mondenlicht.

[389] Wie Alf und Erek erschlagen wurden

In kühler Morgenstunde, da der junge Tag
Mit rosenroten Wangen noch auf den Bergen lag,
Da war auf Alfheims Heide gewalt'ger Schall erwacht;
Von Alfs und Sigurds Mannen begonnen wurde die Schlacht.
Unter Rosseshufen erzitterte der Grund,
Die Helmbüsche wallten, die Fähnlein flogen bunt;
Hei, wie die Splitter stoben, wie krachten Stang' und Spieß,
Wenn blank in Erz gerüstet Geschwader auf Geschwader stieß!
Hell auf Schild und Panzer der Schwerter Schlag erscholl,
Der Pfeilhagel klirrte; als wie aus Brünnlein quoll
Das rote Blut dazwischen. Sie rangen Mann an Mann,
Daß hoch der Staub in Wolken daherzuziehn begann.
Auf ehernem Streitwagen König Sigurd stand
In lichtem Stahlgeschmeide. Er führte beiderhand
Einen Flambergen, des Klinge flammte gut;
Es hatten sie die Zwergen gehärtet einst in Drachenblut.
Er trug auf seinem Helme Geiers Haupt und Klaun,
Aus klarem Gold getrieben, hellblitzend anzuschaun;
Durch die Feldschlacht führt' ihn der windschnelle Huf
Seiner schwarzen Hengste, die lenkt' er mit dem Ruf.
Dem Könige zur Seite ritt sein starker Sohn,
Ragnar, der Vielgrimme. Bärtig war er schon
Und war noch fast ein Knabe; das Fechten dünkt' ihm Spiel,
Er sang darein und lachte, wenn schwer sein Hammer niederfiel.
Er sang: »Wohl auf der Walstatt steht ein Rosenhag,
Da ein Mannesherze mit Wonne pflücken mag.
Geöffnet sind die Türen zu Walhalls Heldenruh':
Wohlauf, ihr Walküren, ich trink' euch manchen Becher zu.«
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Wo der Schlacht Getose am lautesten erscholl,
Da suchten sie die Pfade; es wurden Blutes voll
Des Streitwagens Räder. So drangen sie heran
Auf die Alfheimsrecken, die Waffen schufen Bahn.
Da Herr Alf im Barte Sigurd Ring ersah
Mit dem Goldhelme, zu Erek sprach er da:
»Den Geier seh' ich fliegen, der solche Not gebracht
Auf unser weißes Täublein; nun gilt es kühne Jagd!«
Mit gehobner Klinge den König lief er an;
Hei, was es aus den Brünnen zu stäuben da begann
Von feuerroten Funken! Das ward ein harter Streit;
Herr Alf gedachte zu rächen den Tod der süßen Maid.
An Sigurds Panzerringen eine Lücke nahm er wahr,
Hinein wollt' er stoßen. Da traf ihm schnell Ragnar
Mit dem Streithammer die Schläfe zornesvoll,
Daß er rasselnd stürzte. Sein blonder Bart von Blute quoll;
Es brach sein grollend Auge, der Odem ihm verging.
Über seine Leiche hinweg fuhr König Ring,
Den Streitwagen lenkt' er auf Erek Harfenschall,
Der hatte wohl gewahret seines Bruders Fall.
Er hob sich in den Bügeln, die Lanze schwer und scharf
Nach dem Geierhelme mit Rachemut er warf;
Da bog der König seitwärts, daß durch den Mantel nur
Über seiner Schulter das Speereisen fuhr.
Ingrimmig auf den Schleuderer er trieb das Roßgespann,
Bis er ihn konnt' erreichen. Mit beiden Händen dann
Schwang er sein Gewaffen, das blitzt' im Sonnenlicht
Als wie ein gülden Feuer, doch seinen Mann erlegt' er nicht.
Des Flambergs Schneide durch Ereks Zäume schoß
In des Pferdes Nacken. Da bäumte sich das Roß
Von übergroßem Schmerze und stieg mit steilem Bug,
Daß hinterrücks der Reiter zu Boden niederschlug.
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Sein Fuß blieb in dem Bügel. Übers Schlachtgefild
Ward er so geschleifet von dem Hengste wild,
Sein lichtbraun Haar im Staube, der Züge Lieblichkeit
Verstellt vom jachen Tode. Das war zu mancher Jungfrau Leid.
Da die Alfheims-Mannen den Recken fallen sahn,
Zu weichen sie begannen. Da stob es auf den Plan
Bald von Waffenlosen; es wälzte sich die Flucht
Hinauf zu den Bergen, hinab zur Meeresbucht.
König Sigurd schaut' es, da stieß er freudevoll
In sein silbern Hüfthorn, daß über Feld es scholl;
Zuhauf rief er die Kämpen, sie kamen wohlgemut.
Wie war da mancher Panzer besprengt mit rotem Blut!
Mit frohen Augen grüßte der König Mann für Mann
Und hieß am Strand sie lagern. Zum Sohn sprach er dann:
»Du führtest gut das Eisen, Ragnar, du junger Leu,
Nun sollst du mir erweisen in süßerm Dienste deine Treu.
Das Feld ist gewonnen, der Feind ist entflohn,
Nun bringe mir Alfsonnen, den schönen Siegeslohn!
Hochzeit will ich halten noch heute mit der Maid;
Wer achtzig Sommer schaute, der hat nicht Wartens Zeit.«

Wie König Sigurd Hochzeit hielt

Bei der Sigurdsflotte nicht weit vom Feld der Schlacht
Lag ein Schiff gerüstet mit wundersamer Pracht,
Die Masten und die Stangen gebaut aus edlem Holz,
Dran sah man Wimpel prangen und Flaggen reich und stolz.
Von schneeweißem Linnen das Segel war zur Fahrt,
Man hatte an den Tauen der Seide nicht gespart,
Silbern schien der Anker, es war des Steuers Griff
Aus blankem Erz getrieben. Das war das Hochzeitsschiff.
Am Ufer bei dem Schiffe König Sigurd stand;
Fröhlich war sein Herze, und purpurn sein Gewand.
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Voll heißer Inbrunst harrt' er der holdsel'gen Maid,
Daß Ragnar sie brächte. Doch oft wird Lust verkehrt in Leid.
Es kam des Wegs vom Schlosse daher der junge Held;
So hanget wohl ein Wetter düster überm Feld,
Eh' es tobend ausbricht in Blitz und Donnerschlag,
Wie auf der Stirn des Knaben des Grames Wolke lag.
Ihm folgten sieben Degen in Helm und Panzerring,
Sie trugen eine Bahre, darob ein Teppich hing.
Langsam schritten alle, mit Blicken trauervoll
Grüßten sie den König, daß bangend ihm die Seele schwoll.
Da sprach Ragnar der Junge: »Ich habe schlechten Gruß,
Eitel Rabenbotschaft ist, was ich künden muß.
Wohl bring' ich dir Alfsonnen, wie dein Spruch gebot;
Doch wirst du nie sie minnen, geminnt hat sie der bleiche Tod.«
Er winkte den Genossen, daß sie aus der Hand
Die Bürde setzen möchten. Dann schlug er das Gewand
Zurück von der Bahre, die faltig es bedeckt:
Da lag die schöne Jungfrau tot dahingestreckt.
Sie lag in Mohn und Lilien als wie ein schlafend Bild,
Zugedrückt die Augen, verfärbt die Wangen mild,
Im weißen Linnenkleide, jeden Schmuckes bar,
Ihr einzig Goldgeschmeide das sonnig leuchtende Haar.
Da sie der König sahe, die schneeblasse Maid,
Ihm war's, als führe plötzlich durch all sein Eingeweid'
Ein zweischneidig Eisen. Zum Himmel auf er schrie.
Er hatte nimmer Minne getragen heiß wie die.
Keine Träne weint' er; starr blieb er stehn
Mit vorgesunknem Antlitz. Wer ihn da gesehn:
Er hätt' ihn wohl gehalten für ein Bild von Stein.
Da ward ein tiefes Schweigen durch aller Kämpen Reihn.
Lange sonder Regung gebeugt stand Sigurd Ring;
Dann warf empor das Haupt er, von seinen Augen ging
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Ein freudevolles Funkeln, es zuckten seine Braun
In kühnem Heldentrutze; gewaltig war er anzuschaun.
Er sprach: »Es schuf die Norne mir ungefügen Gram,
Da sie mir im Zorne den Preis des Kampfes nahm;
Daß sie mich selbst verschonte, weiß ich ihr nicht Dank.
Was frommt es mir, zu leben, wenn meine Sonne sank!
Siebenzig Jahre trug ich mein Schwert bei Fest und Krieg;
Hundert Schlachten schlug ich, und mein war der Sieg.
Nun mag ich nicht verkümmern sonder Klang und Strahl,
Ein elender Greise daheim im öden Saal.
Auch hab' ich mich verschworen mit einem teuren Eid,
Nimmer heimzukehren denn mit der holden Maid.
Ich müßte Schmach erwerben, bräch' ich's ohne Not;
Nein, besser ist's zu sterben einen königlichen Tod.
Auf, schaffet von der Walstatt die Erschlagnen all
Und türmt sie aufeinander zu einem Leichenwall
Auf dem Deck des Schiffes! Mir deucht, es sind genug,
Daß ich gen Walhall fahre mit reisigem Heereszug.
Doch ans Steuerruder bei des Lotsen Stand
Sollt ihr Alfsonnen legen und einen Fichtenbrand
Hoch daneben pflanzen in hellem Flammenschein.
Das soll bei meiner Feier die Hochzeitfackel sein.
Fahr wohl, Ragnar, mein Knabe, dir geb' ich Kron' und Reich;
Ihr auserlesnen Degen, ich grüß' euch allzugleich;
Fahrt wohl und lasset wallen die Banner hoch im Wind!
Laßt die Pauken schallen! das Brautfest beginnt.«
Das Schiff war gerüstet, hinein der König trat;
Niemand durft' ihm folgen auf dem schmalen Pfad.
Das Ankertau zerhieb er, dann löst' er ruhevoll
Die Seile an den Linnen, daß frisch im Wind das Segel schwoll.
Unter Skaldenliedern das Schiff zog die Bahn
Hinaus zur blauen Weite. Es glitt als wie ein Schwan
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Der Abendsonn' entgegen. Am Steuer Sigurd stand,
Es schwang der alte Degen den sprühenden Fichtenbrand.
Da lief empor am Segel ein glutroter Schein,
Geschleudert war die Fackel ins dürre Holz hinein;
Rauchgewölke zogen. Dann brach ein Flammenkranz
Empor um Mast und Stangen, es stand das Schiff in Feuer ganz.
Die Lohen schlugen mächtig und spiegelten im Meer,
Vom Ufer zog prächtig des Liedes Schall daher,
Bis in der feuchten Tiefe Schiff und Glut verging.
Da war der Held bestattet. Das ist das Lied von Sigurd Ring.

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TextGrid Repository (2012). Geibel, Emanuel. König Sigurds Brautfahrt. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-B829-0