Der arme Taugenichts

Ich kann wahrhaftig doch nichts dafür,
Daß schief mir die Nas' im Gesichte steht,
Und daß sich's leichter zur Schenkentür
Als hinter dem Pflug auf dem Felde geht,
Und daß mir besser des Müllers Kind
Als unser dicker Herr Pfarrer gefällt -
Ich aber predige in den Wind;
Denn nimmer begreift mich die arge Welt.
Der Müller, der ist euch ein grimmer Kumpan!
Er sagt, ich wäre ein Taugenichts,
Und die Leute im Dorfe glauben daran,
Und auch sein rosiges Töchterlein spricht's.
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Und wenn sie mich sieht am Mühlbach stehn,
Da rümpft sie das Näschen und zieht ein Gesicht,
Und weiß doch so zierlich dabei sich zu drehn,
Daß vor Ärger und Liebe das Herz mir bricht.
Nun klag' ich mein Leid den Bäumen da drauß,
Doch sie bleiben so stumm, doch sie bleiben so starr,
Und Kuckuck und Gimpel pfeifen mich aus,
Und die Käfer summen: du Narr! du Narr!
Und wird das nicht anders, und kommt's nicht bald,
So halt' ich's im Dorfe nimmermehr aus;
Da zieh' ich davon durch den großen Wald
Und streiche die Fiedel von Haus zu Haus.

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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Geibel, Emanuel. Der arme Taugenichts. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-B84F-D