Erster Teil

[Ich wandelte auf öden düstren bahnen]

Ich wandelte auf öden düstren bahnen
Und planlos floss dahin mein leben.
In meinem herzen war kein hohes streben
Es schien mich nichts an schönheit zu gemahnen.
Da plötzlich sah ich – o wer sollt es ahnen –
Ein himmelsbild an mir vorüberschweben ..
In meinem innern fühlte ich ein beben
Und Liebe pflanzte ihre siegesfahnen.
Ist mir auch täuschung nur und schmerz geblieben
Und kann ich Dich von glorienschein umwoben
Anbetend und begeistert still nur lieben:
So muss ich doch das gütige schicksal loben
Das mich durch Deine hand zur tat getrieben
Und zu den sternen mich emporgehoben.

[13] DIE NAJADE

Unter hohen waldesbäumen
Wo ein klarer quell entspriesst
Sizt ein jüngling dem in träumen
Leicht der tag vorüberfliesst.
Da tritt aus dem kühlen bade
Plötzlich vor der grotte rand
Lieblich schön die quell-najade
In hellschimmerndem gewand.
Sie bringt schnell ihn zum erwachen
Streuet blumen vor ihm hin
Und mit einem leisen lachen
Ging sie schnell wie sie erschien.
[14]
Er kniet hin mit offnen armen
Fleht nach ihr von wahn betört
Doch die nixe ohn erbarmen
Nicht auf seine stimme hört.
Nur das wasser schien zu lauschen
Auf die bitten die er sprach
Und aus seinem wellenrauschen
Klang ein leises kichern nach.
Oft noch wandelt er zur quelle
Manchmal noch sah er sein glück
Doch ein bild der flüchtigen welle
Wich es eilig stets zurück.
Da erfasst ihn ungemessen
Wilder schmerz .. er härmt sich ab
Nimmer kann er sie vergessen
Und der quell ward ihm zum grab.

[Mir ist es wie Titanien ergangen]

[15]
Mir ist es wie Titanien ergangen:
So habe ich ein zerrbild nur geliebt
Da eitler wahn die sinne mir umfangen
Da falscher spuk die augen mir getrübt.
Soll ich mich jezt bei der entdeckung grämen?
Klag ich in nichtigem zorn das schicksal an?
Nein ich will nur mich meiner torheit schämen
Und sie vergessen – wenn ich kann.

[16] [18]ABENDBETRACHTUNG

Wenn des abends sanfte kühle
Dämpfte dumpfe sommerschwüle
In der zeit wo nach genüssen
Herzen gieriger verlangen
Lippen offen sind zum küssen
Arme breiten zum umfangen:
Ziellos meine schritte lenkend
Nur an die Geliebte denkend
[18]
War auf einsam stillen pfaden
Ich auf einmal vor die mauern
Eines totenhofs geraten.
Es ergriff mich leises schauern
Wo so viele jezt vermodern
Die dereinst zu hellem lodern
Menschliches gefühl entfachten
Wo in ewge nacht versinken
Die anbetend wir betrachten
Und uns niemals wieder winken.

[Vernunft! du legtest deine kalten hände]

[19]
Vernunft! du legtest deine kalten hände
Mir auf mein fieberglühend haupt
Und sprachst: du tor nun endlich wende
Dich ab von dem was dir den frieden raubt!
Vernunft! ich höre dich von neuem sprechen ..
Mit meiner liebe muss ich immer brechen
Da ihre eigne rede mich bekehrt
Und über ihren unwert mich belehrt.
Jedoch was hilfts wenn sie mein sinn verachtet
Die lippe strenge sie zu richten trachtet
Und noch das knie vor ihrem bild sich beugt
Ihr name noch den alten sturm erzeugt?

[Manchmal durchzuckt es mich wie heller strahl]

[20]
Manchmal durchzuckt es mich wie heller strahl
Es treibt mich an zu streben und zu schaffen
Dann ängstigt mich der hindernisse zahl
Und alle kräfte fühle ich erschlaffen.
Das können ist die frucht des reichsten segens ..
Was nüzte mich – o tief empfundne qual –
Das rasen ob des eignen unvermögens?

[21] ERINNERUNG

O du trautes liebliches haus
Wo ich einst als glückliches kind
Sah in die lachende landschaft hinaus.
O du lieblich rieselnder bach
Der in schlummer du mich gewiegt
Der umgrenzte das freundliche dach!
O du hoher luftiger wald
Wo ich hüpfte arglos und froh
Ernst und sinnend liess ich dich bald!
O du trauter lieblicher ort
Wo ich war zum leztenmal kind –
Festlich klingt dein name mir fort!

[Wenn die blätter gelblich werden]

[22]
Wenn die blätter gelblich werden
Und der kühle wind sie bricht
Schwach und schwächer stets auf erden
Nieder strahlt der sonne licht:
Hören auch die herzen wieder
Auf des wechsels ewigen ruf
Blumen blätter sinken nieder
Die der lenz in ihnen schuf.
Was zu hoffnung und zu wonne
Weckte sommer-sonnenstrahl
Schwindet vor der wintersonne
Und wir trauern kalt und kahl.

[Wenn die augen vergebens verlangen]

[23]
Wenn die augen vergebens verlangen
Nach der erde blumengewand
O wie bist in dem winter dem langen
Du so traurig o mütterlich land! –
Doch sind nicht schön wir berge und wälder
Von dem fuss bis zum gipfel beschneit
Und wir auen und wiesen und felder
In dem weissen und glänzenden kleid:
Wenn die finsteren wolken zerronnen
Die den horizont schwarzgrau bemalt
Und auf einmal im glanze der sonnen
Unsre schneehülle wird überstrahlt
[24]
Oder auch wenn der sterne geflimmer
Und das mondlicht über uns lacht
Über dem blendenden silbernen schimmer
Breitet in zaubrischer schönheit die nacht? –
Ja das herz und das sehnende auge
Bliebe von euch auch im winter entzückt
Würde nicht von einem eisigen hauche
Jede empfindung eilig erstickt.

[25] HERZENSNACHT

Das trübe leben das mich umschliesst
Füllt meine seele nicht aus
Sie ist ein einsames haus
Um das ein nebelmeer rings sich ergiesst.
Einmal nur wurde sie mächtig belebt
Als von dem himmel ein licht
Brach durch die neblige schicht
Und durch die düsteren räume geschwebt.
Aber so kurz nur währte das glück.
Unverhofft wie es entstand
Wieder das leuchten entschwand
Und alte finsternis kehrte zurück.

[Warum schweigst du meine leier]

[26]
Warum schweigst du meine leier
Ist verstummt dein helles klingen
Willst auf deiner freuden feier
Junges herz du nicht mehr singen? ..
Nicht kann ich von freuden singen
Meine freude sah ich fliehen
Meinen plan sah ich misslingen
All mein glück von dannen ziehen ..
Warum nun von deinen klagen
Lässt du nicht die laute hallen? ..
Ich versuchte sie zu schlagen
Doch sie ist mir stets entfallen.
Hold nur schaut die Muse nieder
Will ich frohen sang ihr weihen
Doch sie lässt der klage lieder
Mir dem jüngling nicht gedeihen.

Zweiter Teil

[Ihr lüfte die ihr mild vom himmel schwebet]

[27][29]
Ihr lüfte die ihr mild vom himmel schwebet:
Ihr warmen neuerwachten sonnenstrahlen
Die ihr der welt ein neues dasein gebet:
Ihr scheucht mit einemmal die bangen qualen
Die niemals in dem öden winter säumen
Zu düstrem grunde düstre bilder malen.
Ihr füllt das herz mit ahnungsvollen träumen
Lasst alles drückende daraus verwehen
Dass frei sich schwingend in den lieblingsräumen
Der geist frohlockt in frühlingsauferstehen.

[Schon künden heissere sonnenstrahlen an]

[29]
Schon künden heissere sonnenstrahlen an
Dass sich des glückes tage wieder nahn ..
Der vögel schlag der frische hauch der blüten
Erwecken aus des winters dumpfem brüten.
Da fährt ein eisig kalter nord einher
Er lastet auf der armen erde schwer
Er trifft der blumen triebe und der bäume
Und scheucht die freudenreichen frühlingsträume.
Wie – wenn das neue sterben der natur
Auch in der seele liesse tiefe spur?
Wenn ach entflohen kaum in ihr erneuen
Die wintergeister ihr zerquälend dräuen?

[Du standest in der wolken wehen]

[30]
Du standest in der wolken wehen
Gehüllt in wunderbares licht
So schön und herrlich anzusehen
Und wie ein sterblich wesen nicht.
Ich armer stand im tiefen tale
Und betend blickte ich empor
Geblendet von dem hellen strahle
Betäubt vom zauberischen chor.
Nur eines kann hinauf mich heben
Zu deines thrones lichtem kreis ..
Und ach ich fühle es mit beben:
Mir grünt es spät des ruhmes reis.

[31] DIE SIRENE

Du hast mir die freude des lebens vergiftet
Hast auf des friedlichen herzens boden
Blutigen zwist und empörung gestiftet.
Wie jene lockenden schlimmen sirenen
Die in den sinnen des nahenden piloten
Weckten ein heisses verderbliches sehnen
Zogen ins unglück den armen berückten
Und noch in wilder begierde den toten
An dem gestade des meeres zerstückten:
Zogest du mich heran mit zaubereien
Bandest mich fest mit unlöslichem knoten
Um mich dem grausamen Schicksal zu weihen.

[Sei stolzer als die prunkenden pfauen]

[32]
Sei stolzer als die prunkenden pfauen
Sei tückischer als der schlangen brut
Sei launischer als alle frauen
Nichts edel sei an dir und nichts gut:
Warst du es nicht die im jungen herzen
Zuerst die glühende liebe entfacht
Zuerst es belehrt über freuden und schmerzen
Zuerst ihm gezeigt eine irdische macht?
Warst du es nicht vor der ich gezittert
Der ich vor niemandem bebend stand?
Hast du nicht ein leben versüsst und verbittert
Und lange gelenkt mit der schwachen hand?
Bring mir nur leid und ewiges grämen
Nichts edel sei an dir und nichts gut!
Darf ich mich schelten muss ich mich schämen
Wenn immer noch flackert die alte glut?

[33] DER BLUMENELF

In der bergschlucht wo niederschnellt
Der gletscher schmelzendes eis
Da hatte ein blumenelf sein zelt
Im kelch eines edelweiss.
Er lebte in seliger lust dahin
Genährt vom ätherischen trank
Er spielte froh wenn die sonne schien
Und träumte süss wenn sie sank.
Da sprosste zu seinen füssen nicht weit
Im felsigen gähnenden schacht
Die alpenrose im rötlichen kleid
In zarter und herrlicher pracht.
[34]
Er sah sie und seine ruhe war fort ..
Nicht mehr der köstliche saft
Der sonne schein und der trauliche ort
Ihm freud und erquickung verschafft.
Ach sie vernahm es nicht was er sprach
Nicht konnte er flehend ihr nahn ..
Er welkte dahin von tag zu tag
Verzehrt von dem blinden wahn.
Und wieder einmal war sie erwacht
Geküsst von den perlen des taus
Und sah er sie leuchten in aller pracht –
Da hielt er es nicht mehr aus:
Er stürzte des sichern verderbens bewusst
Nach ihr in den gähnenden schlund
Und presste im fallen in brennender lust
Die blume an seinen mund.

[Wenn die gärten ganz verblassen]

[35]
Wenn die gärten ganz verblassen
Und die winde feucht und schneidend
Alles laub vom aste scheidend
In dem staub vermodern lassen:
Wenn die ersten schneekristalle
Halb-zerschmolzen schon im falle
Von den kahlen zweigen träufeln
Neue neue stets sich senken:
Warum muss ich gleich da denken
An vergehen und verzweifeln?
Und wenn in den maientagen
Wälder bunte triebe tragen
Wenn im grünen kleid sich sehen
Froh von neuem baum und strauch:
Denk ich so gewiss dann auch
Gleich an hoffen auferstehen?

[36] [38]DIE ROSE

Lenz und sommer sind so kurz.
Aus dem sonnigen reich der blüten
Ach welch tötend jäher sturz
In des herbst und winters wüten!..
Warum klagst und jammerst du?
Nach dem blühn kommt früchtetragen.
Reife reife immerzu
Und dir ist nicht grund zu klagen...
[38]
Unzertrennlich arme rose
Ist dies ach mit meinem lose:
Nur im sommer darf ich prangen
Und wenn sich im herbst die bäume
Kräftig schön mit früchten füllen
Muss ich tief von scham befangen
Meines blühens frucht verhüllen ..
Nur vergangne süsse träume
Dürfen mir von ferne winken
Und in weh muss ich versinken.

[Drunten zieht mit bunten wimpeln]

[39]
Drunten zieht mit bunten wimpeln
Schnell ein schiff den strom entlang –
Saiten-klingen und gesang.
An dem abhang steht der winzer
In der sonne siedend heiss –
Schwere arbeit saurer schweiss.
Droben senkt man auf dem friedhof
Einen in die frische gruft –
Klagetöne moderduft.
Freude mühsal tod birgt in sich
EINE zeit EIN himmelsstrich –
Keiner findets wunderlich.

[40] GRÄBER
I

Ich wandelt in einem lieblichen garten
Bepflanzt mit blumen weit und breit
Und meine halboffnen augen starrten
In seine prunkende herrlichkeit.
Und in dem garten in scharen sprangen
Weissglänzend nymfen in fröhlichem reihn ..
Es trieb mich ein glühendes verlangen
Der holden gespiel und tänzer zu sein.
Schon griff mich die erste mit freundlichen scherzen
Da fuhr ich auf und vor einer gruft
Hielt ich eine steinerne leiche am herzen
Und ward ich geküsst von verwesender luft.
[41]

II

Leise singen im abendhauche
Trauerweiden ihr leidend lied ..
Eine mutter mit feuchtem auge
Vor dem grabe des kindes kniet.
Und die mutter spricht mit klagen:
Du mein sohn so hoffnungsvoll
Welche schuld hast du getragen
Die erregte des himmels groll
Dass er dich in der jugend prangen
In des grabes dunkel stiess?
Welche sünde hab ich begangen
Dass er dich nicht bei mir liess?
[42]
Während sie sich so in den düstern
Quälenden gedanken verlor
Tönte durch die weiden ein flüstern
Wie ein naher geisterchor:
Törichte mutter
Die du bei des sohnes
Scheiden aus der erde getümmel
Suchest nach einer schuld –
Weisst du nicht mutter:
Früh ruft der himmel
Zum glanz seines thrones
Wer sich erfreut seiner höchsten huld.
[43]

III

Schliesst ein ort so trüb so eng so klein
Wirklich dich o meine liebe ein?
Wo sich trauerbäume neigen
Wo sich schlinget von den zweigen
Efeu düster grün
Wo bleiche blumen blühn –
Schliesst ein ort so trüb so eng so klein
Einer ganzen jugend glück und pein
Wirklich dich o meine liebe ein?

[Es zuckt aus grauem wolkenzelt]

[44][46]
Es zuckt aus grauem wolkenzelt
Auf einmal auf ein helles leuchten
Es streifet flüchtig übers feld
Das schnee und tauwind trostlos feuchten.
Dann schnell zerfliesst das licht im all
Um neu den träumer aufzureissen ..
Es war ein licht .. vom sonnenball ..
Doch sonnen-schein kann ichs nicht heissen.
Längst ist der funke in mir tot
Der einst entflammt zu hellen gluten
Streng tilgte ihn vernunftgebot
Und liess in finsternis mich bluten.
[46]
Da plötzlich taucht mir auf ihr bild
Die jenen funken in mich streute ..
Es ward mir als ob langsam mild
Das alte glühen sich erneute.
Doch nur so lang ihr hauch mich streift
Kann ihre wirkung ich erkennen
Und das gefühl das mich ergreift –
Nein liebe darf ichs nicht mehr nennen.

[47] FRÜHE LIEBE

Wenn plötzlich du dem harrenden entschwandest
Wenn deinen süssen anblick ich versäumte
Wenn achtlos du die augen von mir wandest
Der ich den ganzen tag von dir nur träumte
So fasste mich ein schmerzlich wildes grämen
Ja ernster tränen musste ich mich schämen.
Als ich nun hörte wie in langen peinen
Du auf dem schmerzenslager dulden solltest
Was konnte ich da mehr als bitter weinen
Wie einst als du mich nicht verstehen wolltest?
Ich weinte – ja – doch mit der tage schwinden
Nicht mehr so bitter konnte ichs empfinden.
Du starbst und ohne träne konnt ich hören
Was einst mir schien des schicksals schwerste qual ..
Im alltagsleben konnt es kaum mich stören
Und wo dein grab ist weiss ich nicht einmal.

[Es heulet der dezemberwind]

[48]
Es heulet der dezemberwind
Verwirret schnee und regen ..
Ich eile durch die stadt geschwind
Der wetternacht entgegen.
Die arme tiefgequälte brust
Mit kämpfen ohne ende
Ergetzet sich in wilder lust
Am streit der elemente.
Sie sieht darin ihr eignes bild ..
Nur dass der neue tageshimmel
Die stürme stillet noch so wild
Doch nicht in ihr das kampfgewimmel.

[49] DES KRANKEN BITTE

Da ich also sterben soll
Hab ich nur die eine bitte:
Lass mich nicht im winter sterben
In dem winter trauervoll!
Lasse ferner mich nicht sterben
In der lieben trauter mitte
Deren anblick weh mir macht!
Lasse ja mich auch nicht sterben
In der schauervollen nacht!
Nein in heitren frühlingslüften
Ganz allein wo rosen spriessen
Überströmt von warmen düften
Lass mich meine augen schliessen!

[50] IKARUS

Du flogst zu hoch auf jenen leichten flügeln
Die das geschick dir gab – aus erdenwegen ..
Doch konntest du des herzens trieb nicht zügeln
Du flogst zu hoch dem feuerball entgegen.
Längst warst du von der erde weggeflogen
Da lösten sich vom heissen sonnenkuss
Die schwingen und in wilde meereswogen
Sankst du hinab – nun hilf dir Ikarus!

[51] [53]ÜBERTRAGUNGEN

[53][55]

MENSCHEN UND KINDER
NACH DEM SPANISCHEN

Fast alle kinder
In schlafes armen
Scheinen zu lächeln
Süss unter träumen
Doch man bemerkt dass
Fast alle weinen
Wenn sie erwachen.
Schlaf sind die täuschungen
In unsrem leben –
Während sie herrschen
Dürfen wir lachen
So wie beim schwinden wir
Weinen wie kinder
Wenn sie erwachen.

[55] DAS GLOCKEN-KONZERT
NACH DEM SPANISCHEN DES CAMPOAMOR

Für einen Gebornen hier sie sich einen
Die dort für einen Toten weinen.
Hier klingen sie aneinander an
Din don din dan
Dort rauschen sie in dumpfem ton
Din dan din don.
[56]
Einer beginnt ein andrer ist am ziele ..
Dem ungeheuerlichen spiele
Gebrochen meine freuden nahn
Din don din dan
Mein herz birgt ihre gräber schon
Din dan din don.
Ach wie ist der tod dem leben
So zu unrecht beigegeben
Din don din dan
Alles unser tun ist wahn.
Wie schnell eilt das glück davon
Din dan din don.

[57] LUKRETIA
NACH DEM ITALIÄNISCHEN

»Wirst du dich meinen wünschen nicht ergeben
(Dringt zu Lukretien des Sextus stimme
Entstellt von leidenschaft und wildem grimme)
So wird dies schwert dich treffen .. aber törin
Nicht nur mit deinem blut will ich es röten
Zugleich will ich auch deinen sklaven töten
[58]
Und euch auf ein gemeinsam lager zerren.
Ich rächte dann die ehre deines gatten
Und dich wird man als buhlerin bestatten«
Laut schrie Lukretia auf bei diesen worten
Doch niemand hörts .. sie duldet seine küsse
Und bietet ihm die schändlichen genüsse.
Und erst nachdem die tat geschehen und das
Bewusstsein ihrer schande sie verzehrte
Durchbohrte sie sich selber mit dem schwerte.
Es ist kein ruhm dies: sich nach dem verbrechen
Zu unterziehen selbst des todes peinen –
Sie war nicht keusch sie wollte es nur scheinen.

[59] DES KINDES ERSTER SCHMERZ
NACH DEM ENGLISCHEN DER MRS. F. HEMANS

O ruft den bruder mir zurück!
Mag spielen nicht allein.
Der sommer kommt mit blum' und mück'
Wo mag mein bruder sein?
Der schmetterling erglänzet hell
In sonnenlichtes spur ..
Nicht will ich ihn mehr jagen schnell –
Ruft mir den bruder nur.
Um unsern baum liegt öd das beet
Das einstens pflanzten wir
Und unsre rebe dürr dasteht.
O ruft zurück ihn mir!
[60]
»Er hört dich nicht lieb knabe mein
Er kann nicht zu dir gehn.
Sein antlitz froh wie frühlingschein
Wirst du hier nicht mehr sehn.
Wie einer rose gott ihm gab
Ein leben kurz und schön.
Musst spielen nun allein mein knab' ..
Er wohnt in himmelshöhn.«
Und blumen vögel er vergisst
Und muss umsonst ich flehn
Und in des sommers langer frist
Darf nie er zu mir gehn?
Kein spiel im wald am bache klar
Für mich es nun mehr gibt?
O hätt ich als er hier noch war
Den bruder mehr geliebt.

[61] ZU EINER INDISCHEN WEISE
NACH SHELLEY

Erwach ich aus dem traum von dir
Im ersten süssen schlaf der nacht
So scheinen mir die sterne hell
Und winde wehen sacht.
Erwach ich aus dem traum von dir
So bin ich – Süsse! wie nur ach
Von einem geist in mir geführt? –
Vor deinem schlafgemach.
[62]
Der lüfte wanderung verschwebt
In dunklen stromes schaum
Der fliederbüsche duft verhaucht
Wie süsser wunsch im traum.
Der nachtigallen klagesang
An ihrem herz gestorben ist
Wie ich an deinem sterben muss
Geliebt so wie du bist.
Ich schmachte sterbe sinke hin!
O hebe mich empor vom grund!
In küssen regne deine gunst
Auf aug und bleichen mund!
Ach meine wange bleicht erstarrt
Mein herz pocht laut und rastet nicht –
O schliess es wieder eng an deins
Wo es zulezt noch bricht!

[63] CHOR DER UNSICHTBAREN
AUS IBSENS BRAND

Niemals niemals wirst du gleich Ihm ..
Denn du bist aus fleisch geboren.
Halte Sein gebot! entweich ihm!
So wie so bist du verloren.
Niemals wurm machst du dich gleich Ihm ..
Todestrank hat dich vernichtet.
Folge Seinem pfad! entweich ihm!
Gleichwol ist dein tun gerichtet!
Niemals träumer wirst du gleich Ihm ..
Gut und blut hast du verloren
All dein opfer dünkt nicht reich Ihm –
Für die welt bist du geboren.

[64] CHOR
AUS IBSENS KOMÖDIE DER LIEBE

Die flügel gespannt! die segel heraus
Dem aar gleich des lebens meer ich durchsaus –
Lass hinten der möwen scharen ..
Über bord mit vernunft dem schweren ballast!
Vielleicht wird mein schiff vom strudel erfasst
Doch es ist so herrlich zu fahren.
[65][67]

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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). George, Stefan. Die Fibel. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-C7AF-B