[59] [61]ERINNERUNGEN AN EINIGE ABENDE INNERER GESELLIGKEIT

[61]

BLUMEN

In märzentagen streuten wir die samen
Wann unser herz noch einmal heftig litt
An wehen die vom toten jahre kamen
Am lezten kampf den eis und sonne stritt.
An schlanken stäbchen wollten wir sie ziehen ·
Wir suchten ihnen reinen wasserquell ·
Wir wussten dass sie unterm licht gediehen
Und unter blicken liebevoll und hell.
Mit frohem fleisse wurden sie begossen ·
Wir schauten zu den wolken forschend bang
Zusammen auf und harrten unverdrossen
Ob sich ein blatt entrollt ein trieb entsprang.
Wir haben in dem garten sie gepflückt
Und an den nachbarlichen weingeländen ·
Wir wandelten vom glanz der nacht entzückt
Und trugen sie in unsren kinderhänden.

[62] RÜCKKEHR

Ich fahre heim auf reichem kahne ·
Das ziel erwacht im abendrot ·
Vom maste weht die weisse fahne
Wir übereilen manches boot.
Die alten ufer und gebäude
Die alten glocken neu mir sind ·
Mit der verheissung neuer freude
Bereden mich die winde lind.
Da taucht aus grünen wogenkämmen
Ein wort · ein rosenes gesicht:
Du wohntest lang bei fremden stämmen ·
Doch unsre liebe starb dir nicht.
Du fuhrest aus im morgengrauen
Und als ob einen tag nur fern
Begrüssen dich die wellenfrauen
Die ufer und der erste stern.

[63] ENTFÜHRUNG

Zieh mit mir geliebtes kind
In die wälder ferner kunde
Und behalt als angebind
Nur mein lied in deinem munde
Baden wir im sanften blau
Der mit duft umhüllten gränzen:
Werden unsre leiber glänzen
Klarer scheinen als der tau.
In der luft sich silbern fein
Fäden uns zu schleiern spinnen ·
Auf dem rasen bleichen linnen
Zart wie schnee und sternenschein.
Unter bäumen um den see
Schweben wir vereint uns freuend ·
Sachte singend · blumen streuend ·
Weisse nelken weissen klee.

[64] REIFEFREUDEN

Ein stolzes beben und ein reiches schallen
Durch später erde schwere fülle strich ..
Die kurzen worte waren kaum gefallen
Als tiefer rührung ruhe uns beschlich.
Sie sanken hin wo sich am fruchtgeländer
Der purpurschein im gelben schmelz verlor ·
Sie stiegen auf zum schmuck der hügelränder
Wo für die dunkle lust die traube gor.
Ich wagte dir nicht · du nicht mir zu nahen
Als schräger strahl um unsre häupter schoss ·
Noch gar mit rede störend zu bejahen
Was jezt uns band · was jedes stumm genoss
Und was in uns bei jenes tages rüste
Auf zu den veilchenfarbnen wolken klomm:
Was mehr als unsre träume und gelüste
An diesem gluten-abend zart erglomm.

[65] WEISSER GESANG

Dass ich für sie den weissen traum ersänne ..
Mir schien im schloss das herbe strahlen tränken
Und blasse blütenbäume nur umschränken
Dass er mit zweier kinder frühtag ränne:
Ein jedes einen schlanken strauss umschlänge
Hell-flitternd wie von leichtgeregter espe
Daraus als wimpel eine silber-trespe
Hoch über ihre schwachen stirnen schwänge
Und beide langsam kämen nach dem weiher
Auf breitem marmelstiege manchmal wankend
Bis bei dem flügelschlag der nahen reiher
Der arme sanfte bürde heftig schwankend
Duft-nebel wirbelte von kühlen narden
Mit denen die Vereinten höherem raume
Entgegenschwebend immer lichter warden –
Bald eines mit dem reinen äther-flaume.

[66] NACHTWACHEN

I

Deine stirne verborgen halb durch die beiden
Wölkchen von haaren (sie sind blond und seiden)
Deine stirne spricht mir von jugendlichem leide.
Deine lippen (sie sind stumm) erzählen die geschichte
Der seelen verurteilt in gottes gerichte.
Erregender spiegel (dein auge) spiel damit nicht!
Wenn du lächelst (endlich flog über dir der schlummer her)
Dein lächeln gleicht dem weinen sehr
Und du neigst ein wenig dein haupt von kummer schwer.

[67] II

Nicht nahm ich acht auf dich in meiner bahn
In zeiten feucht und falb worin der wahn
Des suchens fragens sich verlor.
Kann jemand in den zeiten feucht und falb
Am dunklen tore harren meinethalb?
Nun denk ich dein weil unterm dunklen tor
Wo ängstend säule und gemäuer knarrt
Du meinethalben mein geharrt
Als niemand ging und als es schweigsam fror.

[68] III

Welche beiden mitternächte
Als der selber schmerzdurchbohrte
An der dulderin sich rächte!
Dass dein blick sich weich umflorte
Dass dein wink ihr mildrung brächte!
Eines sah des andren wunden
Durch des dunkels dichte mähne
Zucken rieseln unverbunden ..
Und nicht wort nicht träne.

[69] IV

Erwachen aus dem tiefsten traumes-schoosse:
Als ich von langer spiegelung betroffen
Mich neigte auf die lippen die erblichen
– Ertragen sollet ihr nur mitleidgrosse!
Seid nur aus dank den euch geweihten offen –
Und die berührten dann in solchen gluten
Die antwort gaben wider höchstes hoffen
Dass dem noch zweifelnden die sinne wichen ..
O rinnen der glückseligen minuten!

[70] V

Wenn solch ein sausen in den wipfeln wühlt
Ist es nicht mehr als dass ein sehnen drohe
Durch blaue blicke · blumen blonde frohe?
Wenn solch ein branden um die festen spült
Dass du verlassen irrend an dem strand
Die rettung suchst in leerer himmel brand?
Dass ich wie nie dich blass und bebend finde ·
Kaum mehr noch als am wegesrand die blinde
Die unbeachtet ruft im lauten winde ..

Lizenz
Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).
Link zur Lizenz

Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). George, Stefan. Erinnerungen an einige Abende innerer Geselligkeit. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-CD2B-7