[83] An Amarant

Ueber seinen Hang zur Satyre.


Aus welches Mannes Herzen quoll
Mehr Freundschaft in die Welt, mehr Liebe?
So voll des Guten ist's, so voll,
Daß mit der Hälft' es edel bliebe.
Du kommst in einen fremden Kreis,
Und alle Augen sind gefangen,
Du gehst, (wie gut mein Herz das weiß!)
Und jedes Herz ist mit gegangen.
Doch, daß der Spott, der leis' und laut
Nicht Ordensband, nicht Zepter schonet,
Sobald ein Thor sie trägt, vertraut
Bei so viel Tugenden noch wohnet:
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Das – bist du nicht zu kühn, mein Geist?
Vielleicht auch wohl zu weich geschaffen?
Allein es sey! die Lieb' ist dreist;
Hervor denn, Spott! mit deinen Waffen!
Hervor! du sollst mir dieses Herz
Verlassen, weil es mir gehöret;
Zu lange hab' ich meinen Schmerz,
Feind meiner Ruhe, schon genähret.
Wie? schwurest du an Swifts Statüe
Haß und Erniedrigung den Thoren,
Wie Hannibal den Römern früh
Demüthigung und Tod geschworen? 1
Erschufst, aus einer Million
Von Narren, du nur einen Weisen?
Erwarbst du einen Freund dir schon?
Wohlan! so will ich selbst dich preisen.
Nein! Beifall lächelt dir die Welt,
Doch Rache knirschen dir die Thoren,
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Und eh' dein Witz ein Lob erhält,
Sind hundert Herzen schon verloren.
Unwiderstehlich bist du, Spott!
Mich, deinen Feind, kannst du bezwingen,
Wenn Steckenpferd und Donquixott,
Von dir gespornt, durch Reife springen.
Unwiderstehlich! Dennoch spricht
Mein Herz zu laut: du habest Mängel;
Nicht wahr, die Engel spotten nicht?
Flieh denn! so ist mein Freund ein Engel!

Fußnoten

1 Amarants eigener Ausdruck.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goeckingk, Leopold Friedrich Günther von. Gedichte. Lieder zweier Liebenden. Zweites Buch. An Amarant [4]. An Amarant [4]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-E079-6