Notturno

Zögernd, stille,
In des Dunkels nächtger Hülle,
Sind wir hier.
Und, den Finger leicht gekrümmt,
Leise, leise,
Pochen wir
An des Liebchens Kammertür.
Doch nun steigend,
Hebend, schwellend,
Stark und stärker, lauter, laut
Rufen aus wir hochvertraut:
Schlaf du nicht,
Wenn der Neigung Stimme spricht!
Sucht' ein Weiser nah und ferne
Menschen einst mit der Laterne;
Wieviel seltner dann als Gold
Menschen, uns geneigt und hold.
Drum, wenn Freundschaft, Liebe spricht,
Freundin, Liebchen, schlaf du nicht!
Aber was in allen Reichen
Wär dem Schlummer zu vergleichen?
Was du weißt und hast und bist,
Zahlt nicht, was der Schlaf vergißt!
Drum, statt aller Freundschaftsgaben,
Sollst du nun auch Ruhe haben.
Noch ein Grüßchen, noch ein Wort!
Es verstummet unsre Weise;
Leise, leise,
Schleichen wir uns wieder fort.

Notes
Entstanden 1827.
License
Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).
Link to license

Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Grillparzer, Franz. Notturno. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-F2AF-C