[140] Meer

Ein Frager fragt: Meer, deine Farbe nenne!
Bald bist du grün, als ob die Lenze sprossen,
Bald blau, als ob dich nichts vom Himmel trenne,
Bald roth, wie blutend von Apolls Geschossen;
Nun grau, wie einer Wüste sand'ge Tenne.
Nun braun, von finsterm Bußgewand umflossen,
Goldhell, als ob dein Salz als Lava brenne,
Milchweiß, wie Mähnenflug von weißen Rossen!
Antwortet drauf das Meer: »O schlauer Frager,
Du hast gezählt an mir die Farben alle
Und wähnest doch, daß ich an Farbe darbe!
Die Erde frag': in welchem Hain ihr Lager?
Den Himmel frag': mit welchem Stern er walle?
Der Farbenreichthum nur ist meine Farbe.«

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TextGrid Repository (2012). Grün, Anastasius. Gedichte. In der Veranda. Sonette. Wellenklänge. Meer. Meer. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-0C4C-C