[105] Der Ring

Ich saß auf einem Berge
Gar fern dem Heimatland,
Tief unter mir Hügelreihen,
Thalgründe, Saatenland!
In stillen Träumen zog ich
Den Ring vom Finger ab,
Den sie, ein Pfand der Liebe,
Beim Lebewohl mir gab.
Ich hielt ihn vor das Auge,
Wie man ein Fernrohr hält,
Und guckte durch das Reifchen
Hernieder auf die Welt:
Ei, lustiggrüne Berge
Und goldnes Saatgefild,
Zu solchem schönen Rahmen
Fürwahr ein schönes Bild!
Hier schmucke Häuschen schimmernd
Am grünen Bergeshang,
Dort Sicheln und Sensen blitzend
Die reiche Flur entlang!
[106]
Und weiterhin die Ebne,
Die stolz der Strom durchzieht;
Und fern die blauen Berge,
Grenzwächter von Granit!
Und Städte mit blanken Kuppeln,
Und grünes Wälderreich,
Und Wolken, ziehend zur Ferne,
Wohl meiner Sehnsucht gleich!
Die Erde und den Himmel,
Die Menschen und ihr Land,
Dieß Alles hielt als Rahmen
Mein goldner Reif umspannt.
O schönes Bild, zu sehen
Vom Ring der Lieb' umspannt
Die Erde und den Himmel,
Die Menschen und ihr Land!

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TextGrid Repository (2012). Grün, Anastasius. Der Ring. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-0CAD-0