Andreas Gryphius
Vermischte Gedichte

[218]

[218] [5]Gedancken/ Vber den Kirchhoff vnd Ruhestädte der Verstorbenen

1.
Wo find ich mich? ist diß das Feld
In dem die hohe Demuth blühet?
Hat Ruh' Erquickung hier bestellt
Dem/ der sich für vnd für bemühet?
Der heisser Tage strenge Last
Vnd kalter Nächte Frost ertragen?
Vnd mitten vnter Ach vnd Klagen
Sorg/ Angst vnd Müh auff sich gefast.
2.
Wo find ich mich! hier sind die Beet'
Die in dem schwangern Schoß verstecken/
Was dessen milde Faust auß-seet
Der Tod vnd Leichen auff-kan-wecken/
Mir graut vor aller Gärte Zier!
Weicht ihr Hesperier! ich achte
Nichts was der Med' vnd Babel brachte
Den schönsten Garten schau ich hier.
3.
Ob mein Geruch hier nicht den Dampff
Von Roß' vnd Jelsemin empfindet:
Ob keiner Tulpen Art' hier Kampff
(Trotz Farben!) der Natur ankündet:
Ob diß nicht wol gebaute Land
Mit keinen Granadillen pranget:
Doch trägt es/ wornach mich verlanget
Vnd Welt-gesinnte nie erkand.
[5] 4.
O Schul/ in der die höche Kunst
Vns sterblichen wird vorgetragen!
In der nicht Blätter voll von Dunst/
Kein Buch voll Wahn wird auffgeschlagen!
Wie vbel hab ich meine Zeit
In lauter Eitelkeit verschwendet!
Wer seine Stunden hier anwendet/
Erlernt den Weg der Ewigkeit.
5.
O Schul! ob der/ was in der Welt
Vor klug geachtet; sich entsetzet!
Die/ was verpicht auff Ehr vnd Geld
Vor mehr/ den höchst-erschrecklich schätzet
O Schul! ob der der Seelen graut
Die alles weiß/ ohn was Gewissen:
O Schul! ob welcher Zittern müssen
Die mehr auff Stahl als Recht getraut.
6.
O Schul! ob welcher den die Haar
In kaltem Schweiß zu Berge gehen/
Die nahe letztem Ziel der Jahr/
Doch näher tollen Lüsten stehen.
O Schul! ob welcher dem die Bein
Vnd die durcheisten Glieder schüttern/
Dem bey den überhäufften Güttern
Kein Gott ging in den Glauben eyn.
7.
O Schul! Ich Komme voll begier/
Die wahre Weißheit zu ergründen!
Durchforsche mich/ du wirst bey mir
Ein munter Ohr vnd Auge finden!
Was mich ie Socrates gelehrt/
[6]
Hält ja nicht Stich: der Stagirite
Vorfällt itzt gantz! der weise Scythe
Wird nun auff keinem Stull geehrt.
8.
Wer aber ists/ der mir erklär/
Was ich zu lernen mich bemühe?
Vnd der die Gründe mir bewehr?
Vnd feste Schlüsse darauß ziehe?
Wiel hier die Einsamkeit allein
Diß angenehme Werck verrichten?
Vnd alle meine zweifel schlichten?
Die mich vmbstrickt? O nein! O nein!
9.
Wie wird mir! wackelt nicht der Grund/
Auff dem ich steh'! rauscht ihr/ O Linden?
Wie! reist die Erd auff ihren Schlund!
Vnd läst die Wurtzeln sich entbinden.
Hör ich das rasseln dürrer Bein?
Hör' ich ein heischer-Menschlich brausen?
Hör ich der Suden holes Sausen?
Waltzt ihr euch ab ihr schweren Stein?
10.
Ich seh vnd starr! ein kaltes Eiß
Befröstet Adern/ Hertz vnd Lungen!
Von beyden Schläffen rinnet Schweiß/
Mein Leib wird auff den Platz gezwungen.
Das gantze Feld ist eine Grufft
Vnd alle Särge stehn entdecket/
Was vor Staub/ Ziegel/ Kalck verstecket
Vmbgibt die allgemeine Lufft.
11.
O letztes/ doch nicht festes Haus!
O Burg/ darinn wir vns verkrichen!
So bald deß Lebens Zeiger auß/
[7]
Vnd dieser Wangen Roß' erblichen/
Palast/ den einig vns die Welt
Auff immer zu besitzen bauet/
Die offt doch/ was sie vns vertrauet
Erbricht vnd in dem Grab' anfällt/
12.
Du warest ja vorhin in Zihn/
Vnd du in Kupffer eingeschlossen!
Vnd du nicht ohne viel bemühn
Mit lauter dichtem Bley vmbgossen.
Man sparte nichts/ was teur vnd groß/
Als dieser (wie mich noch gedencket)
In Gold vnd Marmor eingesencket;
Wie find ich euch denn alle bloß?
13.
Ach! Geitz vnd Gri i hat in die Nacht
Deß tunckeln Grabes sich gewaget/
Vnd ins erblaste Licht gebracht/
Wornach mein traurend Forschen fraget.
Es hätte keine Rauber-Hand
Entseelten/ eure Ruh' erbrochen;
Wenn ihr die abgeleb'ten Knochen
In Holtz vertraut dem schlechten Sand.
14.
Doch gehen auch die Cedern eyn!
Die faulen Kiefer-Bretter weichen/
Kein' Eiche wird hier ewig seyn/
Sie muß ihr Grab im Grab erreichen.
Was schätzt ihr denn die leichte Ficht?
Die Fugen spalten vnd zerknallen/
Die engen Todten-Hütten fallen
Wie fest ihr klammert vnd verpicht.
15.
Hilff Gott! die Särge springen auff!
Ich schau die Cörper sich bewegen/
[8]
Der längst erblasten Völcker Hauff/
Beginnt der Glieder Rest zu regen!
Ich finde plötzlich mich vmbringt
Mit/ durch den Tod/ entwehrten Heeren/
O Schauspiel! das mir heisse Zehren
Auß den erstarten Augen dringt!
16.
O Schauspil! ob dem mich die Welt
Vnd was die Welt hoch schätzt anstincket!
Ob dem mein Hochmuth nieder fällt
Vnd Muth vnd Wahnwitz gantz versincket!
Sind diese die/ die vnser Land
Beherrscht/ getrotzt/ gepocht/ geschätzet!
Die Dolch vnd Spiß vnd Schwerdt gewetzet/
Die stets gedruckt mit Stahl vnd Brand?
17.
Sind diese die/ die Gottes Hertz/
Erweicht mit Seufftzen-reichem Beten?
Die (Trotz dem jammerschwangern Schmertz!)
Vor sein erzörnt Gesicht getreten.
Die nichts denn ihre Schuld beklagt?
Ob Schätz vnd Gütter gleich verflogen/
Ob Angst ihr Blutt vnd Marck durchsogen/
Vnd den geklemten Geist zernagt.
18.
Sind diese die/ die Scham vnd Zucht
Vnd das entweyhte Recht verjaget?
Die was deß Himmels Zorn verflucht
Auß seiner Hell ins Licht vertaget?
Die/ Schand auff Laster/ Pest auff Gifft/
Auff Frevel/ Rach vnd Mord gehäuffet/
Die in den Abgrund sich verteuffet/
Auff die itzt Blitz vnd Donner trifft?
[9] 19.
Sind diese die/ die kleine Lust
Der Lüster-reichen Zeit beflecket/
Den die in Lieb entbrante Brust
Deß Höchsten reiner Geist entstecket?
Die vmb das Lamb ein Freuden-Lied
Das nicht ein ieder lernnt vorbringen/
Vnd in Schnee-lichten Kleidern singen
In ewig-Freuden vollem-Fried?
20.
Sind diese die/ die vor der Zeit
In Purpur/ Seid' vnd Gold geglissen?
Vnd diß/ die in Gebrechligkeit
Vmbirrten/ kaal vnd abgerissen?
Vnd diese/ die erhitzt von Neyd
Einander nicht die Lufft vergönnten?
Die keine Länder schlissen könnten.
Vnd jener schleust itzt dessen Seit?
21.
Wo sind die Wunder der Geschöpff?
Die schönen Seelen-räuberinnen?
Ich spüre nichts/ als grause Köpff/
Vnd werde keiner Zirath innen!
Wo sind/ ob derer Wissenschafft
Sich das entzückte Volck entsetzet/
Die man der Weißheit Väter schätzet!
Die Zeit hat all' hinweg gerafft.
22.
Ich finde meistens nichts vor mir/
Als gantz entfleischete Gerippe!
Hirnscheitel sonder Haar vnd Zier/
Antlitzer sonder Naß' vnd Lippe
Vnd Haupter sonder Haut vnd Ohr/
Gesichter sonder Stirn vnd Wangen/
[10]
Die Leffzen sind in nichts vergangen/
Noch wenig Zähne ragen vor.
23.
Der Hals- vnd Rückenbeiner Rey
Hangt ja noch so vnd so beysammen/
Von Adern/ Fell vnd Mausen frey/
Die Rippen so herausser stammen
Beschlissen nicht mehr ihre Brust/
Die Ihrer Schätze gantz entleret/
Die Eingeweide sind verzehret/
Verzehrt deß Busens doppel-Lust.
24.
Was nützt der Schultern Blätter Paar
Der Armen Röhr ist sonder Stärcke
Vnd was deß Menschen eigen war/
Die Hand/ das Werckzeug höchster Wercke/
Das See vnd Land vnd Lufft bewegt
Vnd aller Thurst sich vnterwunden;
Ist durch deß Grabes Macht entbunden
Zerstückt/ entädert vnd zerlegt.
25.
Die Schoß ist ledig/ Hüfft vnd Schin/
Vnd Fuß vnd Fußbrett nichts als Knochen/
Holl/ vngestalt/ vnd gelblich grün
Vnd dürr als Scherben/ die zerbrochen.
In tausendfacher vngestalt/
Ist doch gleich' vngestalt zu kennen!
Wehn sol ich hoch/ wehn edel nennen?
Wehn schön/ arm/ kunstreich/ jung vnd Alt?
26.
Vnd diese sinds/ an den die Zeit
Ihr grimmes Recht hat außgeführet.
An welchen Tod vnd Sterbligkeit
[11]
Auch den geringsten Raub mehr spüret;
Wie viel mehr häßlich ist die Schaar
Die noch mit der Verwesung ringet/
Die nach vnd nach die Fäule zwinget/
Die vns kaum liß vor diesem Jahr!
27.
Der Locken Schmuck fleucht vnd verfällt/
Die Flechten sind verwirrt vnd stieben;
Kaum was die feuchte Haut anhelt/
Ist vmb die öffnen Schläffe blieben!
Der Augen außgeleschtes Licht
Beginnt sich scheußlich zu bewegen/
Durch innerlicher Würmer regen/
Die Nase rümpft sich vnd zerbricht.
28.
Die zarten Wangen schrumpfen eyn/
Könbacken Zung' vnd Zähne blecken/
Der Leffzen ihr Corallenschein/
Ist gantz verstelt mit schwartzen Flecken.
Die Stirne reist. Deß Halses Schnee
Wird Erdfarb/ wie wenn nun die Sonnen
Dem strengen Frost hat abgewonnen
Vnd heisser stral't von ihrer Höh'.
29.
Was lispelt durch der Kähle Röhr?
Was merck ich in den Brüsten zischen?
Mich düncket/ daß ich Schlangen hör
Mit Nattern ihr Gepfeiffe mischen.
Welch vnerträglich-fauler Schmauch
Erhebt sich durch die bangen Lüffte!
Geschwängert mit erhitztem Giffte.
So dämpft Aornus hel'scher Rauch.
30.
So dämpft der Camariner Pful/
So qvalmen gelber Drachen Hölen/
[12]
Die Japoneser Marter-Schull
Setzt nicht so zu verstrückten Seelen:
Als dieser Nebel-Pest anfällt
Die auß zuplatzten Leibern wüttet/
Die vor mit Balsam überschüttet/
Vnd Rauchwerck neu-entdeckter Welt.
31.
Der Därmer Wust reist durch die Haut/
So von den Maden gantz durch bissen;
Ich schau die Därmer (ach mir graut!
In Eiter/ Blutt vnd Wasser fliessen!
Das Fleisch/ das nicht die Zeit verletzt
Wird vnter Schlangen-blauen Schimmel
Von vnersätlichem gewimmel
Vielfalter Würmer abgefretzt.
32.
Was hilfft der Socotriner Safft!
Er kan die Schönheit nicht erhalten.
Worzu der scharffen Myrrhe Krafft?
Er läst die Glieder doch veralten.
Ist diß/ was Palästine schickt
Asspalt wol/ oder Fleisch zu nennen?
Wenn wir die Beyner nicht erkennen/
Wird eins fürs ander, angeblickt.
33.
Was aber nutzt! ein Prächtg Kleid
Mit göldnem Zierath reich durchstricket?
Was ists/ daß man mit reiner Seid'
Die in das Grab verweiste schmücket?
Schaut/ wie die Purpur sich entfärbt
Wie eur lang Stückwerck bald vermodert/
[13]
Wie schnell der zarte Flor verlodert
Wie vieler Hände Fleiß verderbt!
34.
Ach Todten! ach was lern ich hier!
Was bin ich/ vnd was werd ich werden!
Was fühl vnd trag ich doch an mir
Als leichten Staub vnd wenig Erden.
Wie lange wird mein Cörper stehn!
Wie bald werd ich die Jahre schlissen!
Wie bald die Welt zum Abscheid grüssen/
Vnd auß der Zeiten Schrancken gehn.
35.
Werd ich wol zu der grossen Reiß
Bedachtsam mich bereiten können!
Wie? oder wird den letzten Fleiß
Ein schleunig Auffbott mir nicht gönnen!
Ach Herr deß Lebens/ eile nicht
Mich vnverwarnet zu betagen:
Sey/ wenn die todten-Vhr wird schlagen
Mein Schutzherr/ Leitsmann/ Weg vnd Liecht.
36.
Wo werd ich die erblaste Leich
Vnd wie der letzten Grufft vertrauen?
Wie mancher/ der in allem reich
Ließ ihm vmbsonst sein Grab auffbauen!
Wie viel bedeckt ein frembder Sand
Wer kennt deß rauen Glückes Fälle?
Wie manchen schmiß die tolle Welle
An frembder Ufer rauen Strand!
37.
Doch aber ist so viel nicht an
Ob ich Geselt/ ob einsam liege!
[14]
Herr! wenn mein Geist nur stehen kan!
Vnd ich vor deinem Richtstul siege/
Ich weiß/ die angesetzte Zeit
Wird bald mit vngeheurem Krachen
Vnd Lichter Glutt das Vorspill machen
Der vnbegräntzen Ewigkeit.
38.
Wenn Gottes letzte Feldgeschrey
Verstärckt mit Blitzen vnd Trompeten
Wird durch der langen Länder Rey
Erschallen vnd den Tod ertödten
Wenn Marmor/ Ertz/ Metall vnd Stein!
Vnd Pharos vnterirrd'sche Grüffte
Vorliefern werden in die Lüffte
Die leichter Geister-vollen Bein!
39.
Wenn Amphitritens tolle Schoß
Viel tausend Menschen wird gebähren/
Vnd was ihr tieffer Abgrund schloß/
Dem Richter auff sein Wort gewehren.
Wenn/ was der freche Nord verweht/
Was Tyger vnd Maroc zurissen/
Was Persens Fla i' auffzehren müssen/
Was auff den Wüsten Stro i geseet.
40.
Was Caribe/ was ie Brasil
Viel wilder als sein Wild verschlungen:
Wenn/ was in tieffe Schacht verfiel/
Drin er vbmsonst nach Gold gerungen!
Wenn/ was Vesevus überschneyt/
Mit heisser Asch/ vnd lichten Funcken
[15]
Wenn/ was in Ætnæ Glutt versuncken
Vnd was deß Hekels Schlund anspeytt/
41.
Wenn/ was die Zeit siebt in die Lufft
Sich plötzlich/ gantz wird wiederfinden;
Ja/ wenn deß tieffsten Kerckers Klufft/
Selbst die Gefangnen wird entbinden;
Zu sehen/ wie deß Höchsten Sohn
In höchster Herrligkeit beschemen
Werd' alle Feind/ vnd nun einnehmen
Den ihm gesetzten Richters-Thron.
42.
Zu hören/ wie der Richter sich
Hauptsäch- vnd endlich werd' erklären/
Der hier gerichtet ward vor mich/
Vmb mich nicht richtend zu beschweren/
Der allem neues Leben gibt.
Die Erden loder vnd verbrenne!
Der Himmel Feste brech vnd trenne!
Hier steht/ wer Jesum hasst vnd liebt.
43.
Da werd ich/ euch/ die ich itzt schau/
Vnd doch nicht weiß zu vnterscheiden/
Wie ich voll fester Hoffnung trau
Sehn gantz vertäufft in Freud vnd Leiden!
In Freuden/ die kein Sinn' ersinn't;
In Leid/ das Niemand kan ermässen!
In Lust/ die aller Angst vergessen/
In Leid/ das nimmer nicht zerrinnt.
44.
In Freuden/ den die Welt zu klein/
In Leid/ ob dem die Hell erschittert/
In Lust/ dem Schiffbruch aller Pein/
[16]
In Leid/ das stette Furcht verbittert.
In Lust/ die alles Ach ertränckt/
In Leid/ das gantz kein Hoffen kennet/
In Wonne/ die kein Sorgen trennet/
In Leid/ das ewig brennt vnd kränckt.
45.
Ich werd euch sehn mit eurer Haut/
Doch von Verwesung frey/ vmbgeben!
Was ihr der Gruben habt vertraut/
Wird vmb die vollen Adern leben!
Ich werd euch sehn! O Vnterscheid!
Verklärt/ vnd mich an euch ergetzen!
Verstellt/ vnd mich ob euch entsetzen!
Vnd ruffen: Ach! O Wonn! O Leid!
46.
Ich werd euch sehn/ mehr denn das Licht/
Von zehnmal tausend Sonnen schimmern;
Ich werd euch sehn/ vnd mein Gesicht
Verborgen vor dem Jammer-wimmern.
Ich werd euch sehn/ mehr schön als schön/
Euch mehr/ denn häßlich vnd elende!
Euch zu dem Trost; euch in die Brände
Gespenster-schwerer Nächte gehn.
47.
Viel/ die man groß vnd heilig schätzt;
Schätzt Gottes Außspruch vor verlohren!
Viel/ die man schmeht/ verspeyt/ verletzt:
Sind zu dem grossen Reich erkohren.
Starrt ob dem schönen Marmel nicht/
Stein Schmuck vnd Grabschrifft können trügen.
Die Leiche nur weiß nicht von Lügen:
Nichts von betrügen diß Gericht.
48.
Sie zeigt dir/ daß du must vergehn!
In Fäul/ in Angst/ in Stanck/ in Erden!
[17]
Daß auff der Welt nichts könne stehn!
Daß iedes Fleisch muß Aschen werden!
Daß/ ob wir hier nicht gleiche sind/
Der Tod doch alle gleiche mache!
Geh vnd beschicke deine Sache/
Daß dich der Dichter wachend find.
49.
Er einig weiß/ was Grab vnd Tod
Vermischt/ genau zu vnterscheiden!
Er weiß/ wer nach der letzten Noth
Sol ewig-jauchtzen oder leiden!
Er sorgt/ daß nicht der meiste Staub/
Von einem Cörper ihm verschwinde!
Ihm hütten Wasser/ Lufft vnd Winde/
Ihm raubt gar nichts der Zeiten Raub.
50.
Ach Todten! Ach! was lern ich hier!
Was war ich vor! was werd' ich werden!
Was ewig; bleibt vns für vnd für!
Vnd ich bekümmer mich vmb Erden!
O lehrt mich/ die ihr lieget/ stehn!
Daß/ wenn ich Jahr vnd Zeiten schlisse/
Wenn ich die Welt zum Abscheid grüsse/
Mög' auß dem Tod ins Leben gehn!

[18] [93]Etliche Morgen-Seuffzer

1.
Herr das du mich hast behütet/
Indem Höll und Satan wütet/
Daß du mich die Nacht bedeckt/
Und mich frey von Ach und Sorgen
Mit den Leben-reichen Morgen/
Frölich aus der Ruh erweckt:
2.
Danck ich einig deinen Gnaden/
Herr laß ferner mir nicht schaden
Des erhitzten Feindes Gri i;
Gieb das wenn ich streit und walle/
Stets in meinen Ohren schalle/
Nicht der Welt/ nur deine Sti i.
3.
Lesch aus/ Herr/ was ich getrieben/
Was dein Zorn hat angeschrieben/
Was aus Frevel ist verübt!
Laß dein mildes Blutvergiessen/
JESU! auf die Wunden fliessen
Die mir Schuld und Sünde giebt.
4.
Hilff mir von dem Fall auffstehen
Laß mich rechte Wege gehen/
Führe mich auf deinem Pfadt;
Laß/ was zeitlich/ mich verschmähen/
Mich auf diß was künfftig sehen/
Leite mich nach deinem Rath.
5.
Daß wenn ich diß Leben schliesse/
Mein Gott/ ich dich sterbend grüsse/
Und aus dieser Erden Weh/
In dein' Unschuld/ Herr/ verhüllet/
Der du das Gesetz erfüllet/
In das Reich der Freud' eingeh.

So walt es Gott

[93] 1.
So walt es Gott mein Heil der mich aus nichts gemacht/
Der mich aus Mutterleib/ an dieses Licht gebracht.
Der mich biß auf die Stund' in seinem Schutz erhalten/
Der seine Gnad' und Treu noch über mir läst walten.
2.
Der/ als ich auf die Welt befleckt mit Sünden kam/
Durch seinen Tauffbund mich in seine Kirch annahm/
Der durch des Sohnes Blut/ daß für uns ward vergossen/
Mir das versperte Thor des Himmels aufgeschlossen.
3.
Der blicke mich/ weil ich noch in dem Kercker schmacht'/
Anjetzt auch liebreich an/ Er geb' heut' auf mich acht/
Vermehre die Gedult/ Er stärcke meinen Glauben/
Er lasse Hoffnung nicht aus meinem Hertzen rauben.
4.
Er führ um mich die Hut der lieben Wächter auf!
Sey meine Wagenburg/ und richte meinen Lauf
Nach seinem Wort/ daß ich aus Lust mich nicht verweile/
Er wende von mir ab des Satans schnelle Pfeile.
5.
Er decke mein Gesicht vor Eitelkeit der Welt/
Er tröste/ wenn die Angst von jedem Ort einfällt/
Er decke meine Feil' aus gnädigen Erbarmen/
Er schliesse mich ins Hertz mit liebsten Vater Armen.
6.
Verhängt Er/ daß mir ja das Glück den Rücken kehrt.
Das Fall und Schaden raubt was seine Gunst beschert/
So bleib er dennoch mein/ der Höchst aus allen Schätzen/
Der schröcklichsten Verlust unendlich kan ersetzen.
7.
O Jesu! der du hoch am Creutz stehst aufgericht:
Mein Heyland! ach neig' ab dein blutig Angesicht!
Ich bin doch ja der Preiß/ um welchen du gerungen/
Als du durch deinen Tod hast meinen Tod verschlungen.
8.
Hast du was ich verwürckt unendlich doch gebüst/
Und durch die rauhe Quaal gestürtzt des Feindes List;
O Geist der wahren Lieb! O Geist/ der Glut entzündet/
Die ewig nicht erlescht! der uns mit Gott verbindet.
9.
Der lebend in uns rufft/ wann schon die Zung anklebt/
Und der zu nahe Tod um Mund und Lippen schwebt/
O Gott der Gnaden/ ko i/ erfülle mein Gemüthe/
Das ich mich reiner Geist vor dem/ was unrein/ hüte.
10.
Bezeuge das ich sey ein Knecht/ ein Kind und Erb'
[94]
Des Höchsten und getrost auf dieses Zeugnüß sterb!
Daß Gott/ den ich jtzt schau (doch als im duncklen Lichte)
Ich eh'stes sehe vo Gesichte zu Gesichte.

Jesu meine Stärcke

1.
Jesu meine Stärcke/
Dein Wunder-Wercke
Deine Gütigkeit/
Lobt mein armes Leben/
Dich wil ich erheben/
Heut und jederzeit/
Das dein Schutz
Mich vor dem Trutz
Der verda iten Höllen-Scharen
Gnädigst woll'n verwahren.
2.
Schleuß mich aus Erbarmen/
JESU in dein' Armen/
Nun der Tag anbricht;
Eile von den Sünden/
Mein Hertz zu entbinden/
Meiner Seelen-Licht.
Sieh' auf mich
Ich bitte dich
Rett' aus Angst und Finsternüssen
Mein erschreckt Gewissen.
3.
Wende was betrübet/
(Wo es dir beliebet)
Heut in Freud und Lust/
Das von Furcht und Zagen/
Unglück/ Creutz/ und Plagen
Mir nichts sey bewust;
Was ich hab
Ist deine Gab:
Die laß vor des Feindes wüten/
Deine Macht behüten.
[95] 4.
Herr! der Fürst der Höllen
Suchet mich zu fällen:
So durch Lust/ als Weh.
Ach treib seine Tücke/
List und Gri i zurücke/
Wo ich geh' und steh/
Ich bin dein/
Du bleibest mein
Mich wird nicht Freud/ Angst/ und Leiden
Jesu/ von dir scheiden.
5.
Gib daß es gelinge/
Daß ich was vollbringe
Herr! zu deiner Ehr/
Stärcke mein Beginnen/
Leite meine Sinnen/
Tröste/ führ/ und lehr/
Biß ich werd
Von dieser Erd/
Wenn mein Ruh-Tag wird ankommen
Zu dir eingenommen.

Etliche Abend-Seuffzer

Gleich wie der lichte Tag vor schwartzer Nacht verschwunden
So wird/ wann meine Stund'/ O Gott/ sich eingefunden/
Auch dieses Lebens-Licht in seine Nacht hingehn/
Und Finsternüß und Todt vor meinen Augen stehn.
Ich werd' in tieffen Schlaff den kalten Leib einlegen/
Biß das sich Erd' und See und Himmel selbst bewegen.
Wenn nun der Engel-Stimm was Tod/ aus seiner Grufft/
Mit einem Feld-Geschrey vor Gottes Richtstul rufft:
Gib Herr! wann dieser Schlaff mit mir beginnt zu ringen
Daß ich ein munter Hertz von hier mag vor dich bringen.
Erleuchte mein Gesicht/ steck' an die Glaubens-Kertz/
Hilff Jesu/ daß ich dich/ mein Leben/ nicht verschertz;
Hilff/ daß ich leb' in dir/ dem auch/ was todt/ muß leben
Schlafft/ Glieder! schlafft/ mein Geist soll wachend Gott erheben.

[Danck sey dir von Hertzen]

[96] 1.
Danck sey dir von Hertzen/
Daß für Noth und Schmertzen
Du mich hast bewahrt!
Daß der Höllen Stärcke
Nicht nach meinem Wercke
Mit mir hat gebahrt.
2.
Jesu daß ihr Stellen/
Mich nicht können fällen/
Das schaffst einig du!
Unter deinen Armen
Leg' auf dein Erbarmen
Ich mich jetzt zur Ruh.
3.
Ob sich Satan reget/
Und uns Stricke leget/
Bey der finstern Nacht
Wird er deine Lieben/
Dennoch nicht betrüben
Weil dein Auge wacht.
4.
Schau wie tobt der Drache!
Führe deine Wache/
JESU um mein Hauß.
Wann es Gifft herschneiet:
Wann er Feur ausspeiet;
Lesch' es selber aus.
5.
Daß uns nicht ereile
Mit geschwindem Pfeile
Ein noch schneller Tod/
Daß die/ die voll Trauen/
JESU/ auf dich bauen/
Dämpffe keine Noth.
6.
Weil auch meine Sünden
Deinen Zorn entzünden/
Ey so bitt' ich dich;
Eile nicht zu rächen/
Groß ist mein Verbrechen/
JESU rette mich!
7.
Laß mit deinen Schaafen
[97]
Mich ohn Unheil schlaffen
Du getreuer Hirt/
Hilff die Thüren schliessen/
Bey den Finsternüssen/
Sey du selber Wirth.
8.
Daß ich mit dem Morgen
Frey von allen Sorgen
Deine Treu erheb'.
Biß in deinem Frieden
Ich von hier geschieden/
Und dort ewig leb'.

[Haupt und Beystand deiner Glieder]

1.
Haupt und Beystand deiner Glieder/
Der du ewig vor uns wachst!
Und wann uns die Welt zuwider/
Ihren Rath zu nichte machst:
Schau die Sonne geht zur Ruh!
Nacht und Schrecken setzt uns zu/
Und wir stehn entblöst von Kräfften
Unter Creutz und Ampts-Geschäfften.
2.
Dennoch kommen wir mit Dancken
Vor dein liebreich Angesicht/
Daß bey Gleiten Fall und Wancken
Deine Hand uns aufgericht/
Du dreyeinig hoher Gott/
Der du in Gefahr und Noth/
Dem der dir verpflicht zu dienen
Heil- und Gnadenreich erschienen.
3.
Unter wie viel Stürm und Rasen
Und erhitzter Feinde Macht/
Und verdecktem Gifft ausblasen
Ist der Tag hindurch gebracht/
Dennoch hat mich nichts versehrt/
[98]
Weil du meinen Wunsch erhört.
Und das Schnauben volle Pochen
Auch/ eh ichs gemerckt/ zerbrochen.
4.
Zwar ich weiß das meine Sünden
Nichts dann Höll' und Fluch verdient;
Aber du kanst mich entbinden
Dessen Blut uns ausgesühnt.
Als du vor der Schuld der Welt/
In den Todt dich eingestellt
Und durch Schmach und Creutz und Wunden/
Die Gefangnen hast entbunden.
5.
Als du wirst mich ja nicht lassen
Der du mich so theur erkaufft:
Herr! ich wil auf dir erblassen;
Wann nun meine Stund auslaufft/
Unterdessen leb' in mir
Daß ich einig bleib' in dir:
Und trotz Angst und Hohn und Schmähen!
Meinen Glauben lasse sehen.
6.
Schleuß auch weil ich nun entschlaffe
Was hab' ich in deine Hand/
Schone wolverdiente Straffe
Auszutagen auf diß Land/
Treib der Seuchen strenge Flut/
Treib erzörnter Himmel-Glut
Hunger/ Sturm/ und Pestilentzen/
Krieg und Mord von unsern Grentzen.
7.
Auf dich leg' ich mich zu Bette/
Gieb das ich gesund aufsteh'
Gott des Trostes! ko i und rette
Mich aus Leibs und Seelen-Weh!
Schlummern schon die Augen ein/
Laß das Hertze wacker seyn/
Daß ich/ fern von Furcht und Grauen/
Dich auch schlaffend' mög anschauen

[Lob' Ehr' und Preiß]

[99] 1.
Lob' Ehr' und Preiß/
Ich dir erweiß
JESU du Cron der Ehren!
Weil deine Gunst/
Und Liebes-Brunst/
Sich Zeit für Zeit vermehren.
2.
Du hast den Tag
Der grimmen Plag
Gantz brüderlich gewehret/
Daß kein Unglück/
Noch Hohn noch Tück/
Der Feinde mich gefähret.
3.
Erscheine mir
O meine Zier
Auch diese Nacht in Gnade/
Daß keine Noth
Noch Fall noch Todt
Dem dir Vertrauten schade.
4.
Ich lege mich
Mein Heil auf dich
Und ruh' in deinen Wunden
Mein Hertz verbleib
Wach; ob den Leib
Gleich hält der Schlaff gebunden.
5.
Ich kan ja nicht
Ohn dich mein Licht
Die schwere Zeit hinbringen!
Es würde leicht
Der um uns schleicht
Dein schwaches Kind bespringen.
6.
Mit Macht und List
Ist er gerüst
Reiß mich aus seinen Klauen.
[100]
Laß mich gesund
Die Morgen-Stund
Durch deinen Beystand schauen.
7.
Mein Geist und Blut/
Und Haab und Gut
Sey deiner Treu ergeben!
Ich bleibe dein:
Du bleibest mein/
In Sterben und im Leben.

[Dir Herr der Herrligkeit]

Dir Herr der Herrligkeit danckt dein verpflichtet Kind
Das sich vor deine Füß in Jesu Nahmen find/
Und in des Geistes Krafft/ der Abba ruffen lehret/
In tieffster Niedrigkeit/ dich seinen Vater ehret.

2.
Du bists/ der mich mir selbst/ und was ich an mir hab'
Und was ich vor mir seh' aus lauter Liebe gab.
Du bists der mich ans Licht aus Mutterleibe führte:
Mit Gliedern Haut und Fleisch/ Verstand/ Vernunfft auszierte.
3.
Du bists der mich biß heut' auf diese Stund ernehrt/
Der/ wann kein Mittel mehr/ viel Mittel hat beschert/
Der wañ der Zeiten Sturm mich Blöden wolt ersauffen/
Mich mit der Vater Hand zog aus den gri isten Tauffen.
4.
Du bists/ der mich so hoch da ich dein Feind geschätzt/
Daß du dein einigs Kind vor mich hast aufgesetzt/
Daß ich durch dessen Dienst die Freyheit möcht ererben
Schenckst du das Leben mir durch sein erschrecklich Sterben.
5.
Ich werde durch sein Blut von meinen Greueln rein/
Und geh' durch seine Schmach ins Reich der Ehren ein.
Er zahlet mein Schuld/ er ist vor mich verhöhnet/
Er trug den Fluch vor mich/ durch ihn bin ich versöhnet.
6.
Er schenckt/ was er erwarb/ mir gantz zum Eigenthum/
Er gibt mir seinen Geist/ sein Unschuld ist mein Ruhm;
Sein Fleisch ist meine Speiß/ Er reist mich aus den Stricken
Der Höll/ und wil mein Hertz mit seinem Blut erquicken.
7.
Er zeiget mir den Weg zur höchsten Herrligkeit/
Er ist die Warheit selbst und führt aus Zanck und Streit.
Er ist/ (O Wunder-Lieb! O höchste Treu!) das Leben/
[101]
Er ists/ der alles mir zugleich mit sich gegeben.
8.
Dir Herr der Herrligkeit danckt dein verpflichtet Kind/
Das sich für deine Füß' in Jesu Nahmen find/
Und in des Geistes Krafft/ der Abba ruffen lehret/
In tieffster Niedrigkeit dich seinen Vater ehret.

[Weil nun der süsse Schlaff]

Weil nun der süsse Schlaff die müden Augen schleust/
Und die beschwärzte Nacht gleich einem Strom herfleust/
Weil dicke Finsternüß die frembden Träum einführet/
Und der gebundne Leib nichts fühlt/ nichts kennt/ nichts rühret.
So ko i O süsse Ruh'! erquicke meine Seel!
Die nur durch dich/ nach dir in dieser Marter-Höhl
Mit steten Seuffzen schmacht/ ko i/ wann mein Tag vergangen/
Und ich die Ewigkeit geruffen anzufangen.
Leb' in mir/ wann der Tod das kalte Fleisch bestrickt/
Und mir die lange Nacht beyd' Augen zugedrückt.
Gib daß ich sicher lieg' und nichts mich mög erschrecken/
Wenn an dem grossen Tag du alle wirst erwecken.
Denn laß mich dich o Sonn/ o Licht/ das niemand schaut/
Der noch das Elend hier im Thal der Thränen baut/
Mit immer neuer Freud' in diesen Gliedern sehen;
Laß unter deinem Fuß was hier dich pflegt zu schmähen
Zutretten/ und zuknickt/ mein frölich Lustbild seyn/
Und führe mich ins Hauß der seel'gen Ruhstätt ein.

[102] [105]Thränen in grosser Hungers-Noth

1.
So muß dein Fluch den Himmel schliessen?
Versiegelst du der Brunnenquell?
Indem wir Thau und Regen missen
Und schmachten/ als in einer Höll?
So wird die Erden/ die uns nehret;
In Fels und Eisen gantz verkehret!
2.
Weh mir! die ehrnen Wolcken brennen!
Die tunckel-rothe Sonne glüht!
Indem der Grund sich wil zutrennen!
Und man die Ufer wachsen sieht.
Die Ströme die sich vor ergossen/
Sind fast den Bächen gleich verschossen.
3.
Der Wald steht Laubloß und empfindet
Wie der verhaste Sud auszehr/
Die Aest und Wipffel offt entzündet.
Schau wie die Wiese sich verkehr/
Das Gras mit Blum und Klee vermenget/
[105]
Ist Boden gleich/ gantz abgesenget.
4.
Das scheue Wild macht sich von hinnen/
Der Vögel junge Zucht verschmacht:
Man sieht kein Tröpflein abwerts rinnen/
Wie hart der Wetter-Sturm erkracht!
Das Vieh wirfft die verdorrten Glieder
Todt bey der leeren Krippen nieder!
5.
Was rühr ich/ Ach! der Menschen Zagen
Das nunmehr unaussprechlich ist.
Ach wer kan diese Ruth ertragen!
Ach Herrscher der du alles siehst!
Ergetzet dich ja unser Sterben/
So laß uns doch nicht so verderben.
6.
Schau wie die lebenden Gerippe
Mit tieffen Augen dir nachsehn/
Wie sie mit gantz verschrumpter Lippe/
Fast Athem-loß dich/ Herr/ anflehn!
Und wenn sie nun den Geist hingeben
Zu dir die dürren Arm' erheben.
7.
Des Kindes Hertze wird gebrochen
An der verstarrten Mutter-Brust/
Der Mutter die (nur Haut und Knochen)
Selbst auf dem Kind erblassen must!
Der sucht vor den erhitzten Magen
Was schwer und schrecklich ist zu sagen.
8.
Ach Herr! ach! ach! daß dich erweiche
Die gri ist und allgemeine Noth/
Das gantze Land ist eine Leiche/
Ist deine Vater Treu denn Todt?
Nein! nein! du wirst uns Herr nicht lassen;
Du kanst nicht dein Geschöpffe hassen.
9.
Eröffne die liebreichen Hände/
Und speise was sich dir verpflicht.
Erfreu die dürren Feld-Gewende
Durch Korn und Segen-reiche Frücht.
Theil unter dürfftige Gemüther/
Die Füll und Schätze deiner Güter.
10.
Laß unser Seuffzen dich versöhnen/
[106]
Eil aus mitleidend-vollem Sinn
Das Jahr mit Fruchtbarkeit zu krönen
Daß unsre Nahrung nicht zerrinn/
Du hast das Leben ja gegeben:
Gib denn/ was nöthig ist zu leben.

Danck-Lied vor den Seegen des Höchsten

1.
Es lobe was nur Athem hat/
Des Höchsten überreiche Güte:
Er höret was der Arme bat/
Neigt sein liebfreundlichstes Gemüthe/
Entschleust die Menge seiner Schätze
Damit er sein Geschöpff ergötze.
2.
Ihm stehn die Wolcken zu geboth/
Sein Seegen schwängert Land und Auen;
Der Himmel muß/ so bald es Noth
Die lechzend dürre Frucht betauen/
Er rufft die Wind'/ und heist sie fliehen
Läst jetzund Hitz/ jetzt Kält abziehen.
3.
Nichts/ nichts ist/ daß er nicht verseh'/
Auch offt durch ungemeine Weisen/
Wir wissen nicht wie es gescheh/
Und müssen nur sein Allmacht preisen/
Die/ wie es dort und dar zublicken
Hier muß das gantze Werck beschicken.
4.
Ach Vater segne dein Geschenck!
Gieb zu der Speise dein Gedeyen/
Bleib deiner Kinder eingedenck/
Versag uns nicht diß zu verleihen/
Was deinen Bund mit uns bestättigt/
Und die bemühte Seel ersättigt.
5.
Der Mensch lebt nicht allein vom Brodt/
Dein Wort ists/ Herr/ das uns ernehret/
Was Irrdisch/ wird durch Zeit und Noth
Samt diesen Gliedern ausgezehret;
[107]
Dein Wort gibt Kräffte/ die nicht weichen
Ob wir des Grabes-Ziel erreichen.
6.
Doch hast du hier noch einen Tisch
Vor uns/ mein Heyland/ zu bereitet/
Krafft dessen man erquickt/ und frisch
Die Höll und Todes-Angst bestreitet!
Durch den man theilhafft deiner Wunden
Mit dir auf ewig wird verbunden.
7.
O seelig wer das Abendmahl
Wird in dem Reich des Höchsten essen!
O seelig/ die den Freuden-Saal
Des La is schon jezt nach Wunsch besessen/
Die schon von Ach und Leid entbunden
Sich zu der Hochzeit eingefunden.
8.
Daß höchste Freuden-Mahl der Welt;
Ist kaum ein Schatten jener Wonne/
Wenn hier vor Sünder diß bestellt.
Was wird die heil'ge Lebens-Sonne
Nicht Reinen dort vor Speiß aufsetzen
Die sie auf ewig wil ergötzen.
9.
Es lobe was nur Athem hat/
Des Höchsten überreiche Güte/
Er höret was der Arme bat/
Neigt sein höchstfreundliches Gemüthe/
Entschleust die Menge seiner Schätze:
Damit er sein Geschöpff ergötze.

Lob der Gedult

Aus den Worten Pauli an die Römer in dem fünfften Cap. und 3. 4. 5. vers.

1.
Der Himmel brennt mit lichten Blitzen/
Der harten Donner Rasen knallt/
Die hart-erschreckte Lufft erschallt/
Indem die Schweffel-Feur umspritzen;
Die Erde zagt ob Fall und Todt.
Gedult/ ihr Christen/ ist euch Noth.
[108] 2.
Der Abgrund reist/ die Klufft steht offen!
Der Satan dräut mit List und Zwang/
Hier ist nur Folter/ Glut/ und Strang
Verfolgung/ Pfahl und Schmach zu hoffen!
Wol dem/ der leider sonder Schuld;
So glänzt der Heiligen Gedult.
3.
Wer diß was JESUS vorgeschrieben/
In unerschrocknem Hertzen trägt/
Wird durch den Sturm-Wind nicht bewegt/
So wird/ was stets ihm Treu verblieben/
Durch Marter/ Zangen/ Bley/ und Schwerdt
In heiliger Gedult bewehrt.
4.
Laßt Jammer/ Pein/ und Trübsal wüten/
Mich hat ihr Pochen nicht erschreckt/
Dieweil durch sie Gedult erweckt/
Wann Feinde/ Quaal und Nord ausbrüten/
Ist jemand wohl der recht versteh;
Wie nah Gedult dem Herrn geh?
5.
Gedult ist/ durch die wir erfahren/
Wer standhafft/ wer voll Heucheley/
Wie mächtig Jesus in uns sey/
Wie Gott uns könn' in Weh bewahren/
Wie der/ der einig ihm vertraut:
Sich doch zuletzt errettet schaut.
6.
Erfahrung hofft; ob Pfeil und Degen
Ihr schon an Hertz und Gurgel stehn/
Und Dolchen durch die Brüste gehn.
Wil man sie auf den Holtzstoß legen:
So hat sie doch vorhin verspürt/
Daß Gott aus Grab/ und Feuer führt.
7.
Die Hoffnung die so tieff sich gründet/
Baut auf den Grund/ den nichts umreist/
Was/ wenn der Donner um sich schmeist/
Sich fest und unerschüttert findet.
Die ists/ die (schmäht schon jederman!)
Doch nicht zu Schanden werden kan.

[109] Hertzens-Angst eines bußfertigen Sünders

1.
Mein Heyland! was werd' ich beginnen!
Ich gantz mit Lastern überhäufft/
In tieffsten Unglücks-Schlam vertäufft.
Jetzt werd' ich meiner Boßheit innen/
Jetzt werd' ich durch mich selbst erschreckt:
Indem mich deine Gnad auffweckt.
Und mir/ wie hoch ich dich verletzet
Und hart erzörnt/ vor Augen setzet.
2.
Wie wird mir/ ach! ach! mein Gewissen/
Fühlt schärffster Wunden grimme Noth!
Mein Hertz erschüttert ob dem Todt/
Und wird vom innern Wurm durchbissen.
Rinnt herbe Thränen Tag und Nacht!
Rinnt/ rinnt des Höchsten Donner kracht!
O wann nichts übrig mehr/ als Sterben!
O könt ich in der Grufft verderben!
3.
Ich leider bin von Gott geschieden!
Durch eine Maur' ob der mir graut/
Die ich von Missethat gebaut!
Nun miß' ich Freude/ Trost/ und Frieden.
Ich schau der Höllen offnes Hauß/
Speit auf mich Glut und Marter aus!
Des Höchsten Gri i wil Urtheil sprechen/
Und schon den Richterstab zubrechen.
4.
Der Himmel wird mir/ ach! geschlossen/
Er deckt mit Wolcken seine Zier/
Die heil'gen Wächter fliehn für mir/
Kein Trost ko it mehr herab geflossen/
Ich schaue nichts als Blitz und Nacht/
Indem erhitzter Wetter Macht/
Mit viel verhärter Donner-Knallen
Auf meinen Scheitel dräut zu fallen.
[110] 5.
Die Erd' ermüdet mich zu tragen/
Bricht unter mir/ ich schau die Klufft/
In der man ewig Zetter rufft!
Ich schau die Werckstatt grauser Plagen/
Ich schau verruchter Seelen Pein!
Ach! was kan mehr erschrecklich seyn!
Mehr schrecklich ists/ daß in den Bränden
Die Marter nimmermehr zu enden.
6.
O grauser Anblick! kan ich sehen/
Hier schau ich was ich je begieng/
Und wider meinen Gott anfing;
Was je gewünscht/ gedacht/ geschehen!
Hier schau ich was ich unterließ/
Was ich vor Gnade von mir stieß/
Weh! weh mir! weh/ mein gantzes Leben/
War nur des Satans Dienst' ergeben/
7.
Wie wickel' ich mich aus der Ketten
Die Brust und Glieder schon umfast?
Wer rettet mich von dieser Last?
Darff ich vor Gottes Richtstul tretten?
Was geb ich an? was wend ich vor/
Ich der vor ihm stopfft Hertz und Ohr!
Kan ich ihm wol auf tausend Fragen
Auch nur ein' einig' Antwort sagen.
8.
Ach Jesu die fall ich zu Fusse/
Der du dich hast zum Heil der Welt
In Noth und Marter eingestellt/
Ich ko i in ernster Reu und Busse.
Du hast ja des Gesetzes Fluch
Und ungerechter Richter-Spruch/
Daß ich nicht ewig möcht umkommen/
Unschuldig über dich genommen.
9.
Du hast als du vor mich gestorben
Und dein gekröntes Haupt geneigt/
Und dein eröffnet Hertz gezeigt/
Mir die Gerechtigkeit erworben
Hat nicht dein Rosinfarbes Blut
Gelescht der Höll erhitzte Glut
[111]
Ach ko i denn/ ko i mich zu entbinden
Ko i dann/ und tilge meine Sünden.
10.
Ach ko i und heile meine Wunden!
Brich ein/ was zwischen mir und Gott.
Du hast ja durch den heilgen Todt
Mit mir auf ewig dich verbunden.
Wie könt ich denn verlassen stehn!
Wie könt ich Trostloß von dir gehn!
Nein! nein! mit dir wil ich obsiegen/
Laßt Fluch und Sünde mich bekriegen!

Buß-Lied

1.
Weh mir! mein sterbend Hertz/
Vergeht in heissem Schmertz
Die scharffe Gifft der Sünden/
Greifft schon die Geister an/
Wer ist der retten kan?
Ich muß in Angst verschwinden.
2.
Der angesteckte Muth
Schmacht in der Laster-Gluth
Die Kräffte sind zerronnen;
Wie auff der Gipffel Höh/
Der auffgetaute Schnee
Schmeltzt in dem Strahl der Sonnen.
3.
Es ist um mich geschehn
Ich muß den Abgrund sehn
Und in die Grufft versincken!
Doch kanst du höchster GOTT
Abwenden meine Noth
Nur durch ein einig Wincken.
4.
Ach Vater schaff in mir
Ein Hertz das einig dir
Mög unbefleckt gefallen
Das rein von Missethat
[112]
Sich müh nach deinem Rath
Auf rechter Bahn zu wallen.
5.
Laß den gewissen Geist/
Der GOTT und Lehrer heist
Die Seele gantz erneuen:
Daß ich mich mög in dir/
Weil dieser Trost in mir
Nach höchster Angst erfreuen.
6.
Stoß Vater stoß mich nicht
Von deinem Angesicht;
Ach heiß von mir nicht scheiden
Die mehr denn heilge Krafft/
Die Schutz und Stärcke schafft
Auch in dem gri isten Leiden!
7.
Hier sitz ich sonder Rath
Versetzt durch Missethat
In grause Bangigkeiten.
Kein Freund fragt mehr nach mir
Mein Heyland ach! ich spür
Des Todes Bitterkeiten.
8.
Der Feind höhnt und verlacht
Mich/ nun ich sonder Macht
Gantz hülffloß untergehe.
Hier beut mir niemand Hand
Weil ich in Kett und Band
Durchaus verlassen stehe.
9.
Mein Vater schau mich an
Du bist der trösten kan/
Wenn aller Trost verschwunden.
Ich hab in höchster Noth/
Ja mitten in dem Todt
Stets hülffreich dich befunden.
10.
Dein freudenreicher Geist
Der uns nicht zagen heist
Der Sinn und Krafft erwecket
Durch den man herrlich siegt
Wenn uns die Welt bekriegt
Und Höll und Teuffel schrecket.
[113] 11.
Der Geist der Brunn der Güt
Der stärcke mein Gemüth
Und leite meine Sinnen
Durch Ihn wil ich die Cron
Den höchsten Gnaden-Lohn
In jener Welt gewinnen.

Auf die Geburts-Nacht des Herrn Jesu

Wilkommen Nacht die uns die Sonne
Das Licht von Licht das Pfand der Wonne
Die GOTT uns/ der in uns verliebt/
Und aller Zeiten Hoffnung giebt.
Willkommen süsses Kind
Das unsre Band entbindt!
Der/ den nicht Welt noch Himmel schliessen
Läst sich in enger Krippen grüssen/
Der mit dem Donner um sich schlägt
Wird in die Windeln eingelegt.
Willkommen etc.
Der alles schuff wird selbst gebohren
Er sucht sein Bild das wir verlohren.
Den Seelen die der Fluch beschwert
Wird Seegen/ Hülff und Trost beschert
Willkommen etc.
Der Todt den Evæ Schuld erreget
Wird durch Mariæ Frucht erleget/
Der nie befleckten Engel Lust/
Liegt an der keuschen Jungfer Brust.
Willkommen etc.
Ihr reinen Geister last euch hören/
Dem Höchsten in der Höh zu Ehren/
[114]
Rufft aus den Frieden/ der die Welt
Mit Gott in gutem Willen hält.
Willkommen etc.

Auf seinen Geburts-Tag

Wenn ich die Zeiten überlege
Wenn ich des Höchsten Gunst erwege
Die in der Zeit er mir erweist
So sinck ich ehrerbietig nieder
Und opffre Danck- und Freuden-Lieder
Dem/ der Lufft/ Erd/ und Himmel preist.
Er hat mich frisch und unverletzet
Aus Mutterleib ins Licht versetzet;
Ins Licht/ das mit hochheiterm Schein
Durch seine Kirche strahlt und brennet/
Er hat mich vor sein Kind erkennet/
Und schrieb ins Lebens-Buch mich ein.
Er hat/ als alles mir entsuncken/
Als ich in Ach und Angst ertruncken/
Geboten Hülff und treue Hand.
Als ich um Freund und Eltern kommen.
Hat Er mich in die Schoß genommen:
Er gab mir selbst sein Hertz zu Pfand.
Daß ich auf so viel glatten Wegen
Umringt mit Blitz und Donnerschlägen
Noch unversehrt geh nach dem Ziel
Dem Zweck und Ende meiner Reise
Danck ich nur Ihm/ der Straß und Weise
Selbst zeigt und selbst mich führen wil.
Hier bin ich Herr! beut deinem Knechte
Dein ewig starck und treue Rechte
[115]
Mir schwindelt auf der steilen Bahn.
Wo du nicht hältest ists geschehen
O du mein Leitstern laß dich sehen/
Sonst leider ists um mich gethan!
Du wirst mich ja durch Feind und Schrecken
Wo Furcht auf Furchten sich erwecken/
Wo keine Wehmuth ist zu groß/
Wenn ich diß Elend überstanden
Entfreit von Kercker Ach und Banden
Heimführen in dein Ehren-Schloß.

Eben dergleichen

Hier bringen wir die Jahr
In Ach und Seuffzen zu
Hier schmachtet deine Schaar
In Arbeit sonder Ruh:
Hier eilen wir durch Zeiten
O Herr der Ewigkeiten/
Nach jenem grossen Tag
Den weder Sonnen-Lauff noch Abend schliessen mag.
Was sag ich/ wir vergehn
In dem die Zeit verfällt;
Doch werden ewig stehn
Die über Zeit und Welt
Hertz Seel und Sinn erheben/
Und in der Zeit dir leben
Der du nach kurtzer Last
Uns immer stete Ruh und Lust versprochen hast.
Wol! wol! erhalt mich denn
Weil Zeit noch/ daß ich nicht
Hochirrend mich verrenn.
Gieb daß ich meine Pflicht
[116]
Zu rechter Zeit ablege.
Herr segne meine Wege/
Entzünde mir dein Licht;
So fürcht ich nichts ob Tag und Sonne mir gebricht.
Ist höchster GOTT noch mehr
Zu bitten hier erlaubt/
So halt bey reiner Lehr
Was deinen Worten glaubt.
Bekehre was verkehret/
Ni i weg was uns beschweret/
Verleihe deiner Schaar
Nach so viel herber Angst ein lieblich Freuden-Jahr.

Auf die Christnacht

Die seelge Nacht der Wunsch der ersten Zeit
Des Hoffens Zweck/ des Lebens Zuversicht/
Der Thränen Ziel/ das Pfand der Ewigkeit
Die alle Macht der Finsternüß zubricht;
Die schöne Nacht begrüst die müde Welt/
Die Adam hat in grimster Angst begehrt/
Als Gott ob ihm ein schweres Urtheil fällt/
Und ihn die Glut des rauen Gri is verzehrt.
Die Nacht tritt ein/ nach welcher Heva rufft
Schon jenen Tag/ als sie den Garten ließ
Aus dem nach Angst nach Schmertzen Pein und Grufft
Der Schöpffer sie in langes Elend stieß.
Die Nacht bricht an und bringt des Höchsten Kind
Mit in das Licht das GOTT und Licht von Licht
Doch als ein Mensch für aller Menschen Sünd
Sich opffert und vom Fluch uns ledig spricht.
[117]
Die Schlang erschrickt/ der Grund der Höll erkracht:
Die Erdeni it des Weibes Saamen an:
Der Himmel reist; was hi ilisch singt und wacht/
Weil der nun da/ der GOTT versöhnen kan.
Weil der nun da/ der auf der Schlangen Haupt
Ob sie die Zähn auf seine Fersen wetzt
Ob schon der Gri i des Abgrunds raßt und schnaubt/
Den steiffen Fuß mit starcken Kräfften setzt.
Weil der nun da/ der ihren Kopff zutritt
Und/ was uns hielt/ in Band und Ketten legt.
Weil der nun da/ der durch Verdienst und Bitt
Des Vatern Hertz zu erster Huld bewegt.
Weil der nun da/ der uns des Himmels-Thor
Eröffnet/ und den Weg ins Leben weist/
Durch den uns Gott vergönnt ein gnädig Ohr/
Durch den uns Gott selbst seine Kinder heist.
Weil der nun da/ der in mein Fleisch verhüllt
Mein Bruder ist und mir das Heil erwirbt/
Der Noth und Angst und Schmertz und Wehmuth stillt/
Ja selbst vor mich/ damit ich lebe/ stirbt.
Willkommen Nacht! du Schmuck der letzten Zeit
Der müden Trost/ der Zweck begreister Jahr.
Willkommen Nacht! du Quell der Ewigkeit
Der Väter Wunsch/ Verlangen Heilger Schaar.
Willkommen Fürst! du Mann/ du Horn/ du Port
Gewünschter Ruh/ du Trost der grossen Welt/
Des Abrahms Wonn/ und Jacobs Heil und Hort
Der Kirchen Haupt/ des Davids Sohn und Held.
Du Kind und Herr/ der keuschen Jungfer Frucht
Messia/ Freund und Retter in der Noth;
Des Höchsten Wort/ und Uhrsprung heilger Zucht;
Erlöser/ Felß; Willkommen Mensch und Gott!

[118] [124]Auf einer nahen Anverwandtin Tod

Der Frühling meiner Zeit und Anfang erster Tage
Verschwand in Angst und Ach und rauher Traurigkeit/
Mein Weinen und Verstand bejammerte die Plage/
Die mir auf dieser Welt die rauhe Noth bereit.
So bald sich die Vernunft fand in ein besser Wesen/
Und der gezierte Leib zu etwas Kräfften kam/
Lernt ich der Menschen Leid aus fremden Unfall lesen/
Aus dem ich eigne Furcht und Hoffnung an mich nahm/
Bald brach der Jammer an mit ungeheurem Leiden/
Das schnelle Wetter fiel auf mich noch zarte Blum/
Man zwang von Grab und Haus der Eltern mich zu scheiden/
[124]
Und gab in fremde Macht mein freyes Eigenthum.
Da hab ich Welt und Tod bey zweyer Männer Leichen/
Und in der Einsamkeit der Freunde Treu erkennt.
Ach Menschen! eure Gunst stirbt eh als wir erbleichen/
Gleich wie der Thau verraucht wenn nun der Mittag brennt.
Der Schmertzen grimme Qual/ des Vaterlandes Aschen/
Dieselbe raubten mir die treffliche Gestalt/
Indem ich stets mich must aus heissen Thränen waschen/
Verdorret ich und ward vor meinem Alter alt.
Hier ruh ich dann die hier kaum eine Ruh genossen/
Und finde was umsonst die trübe Welt begehrt:
Das Leben hätt ich wohl noch viel zu früh beschlossen/
Wenn Gott ein bessers mir dort oben nicht beschert.

[125] [127]In einer tödlichen Kranckheit

Ists möglich/ wie man sagt/ daß die gehäufften Schmertzen/
In die ich mich vertiefft/ noch iemand gehn zu Hertzen/
[127]
Ists möglich/ daß man noch mit dem Mitleiden trägt/
Auf den der harte Blitz mit lichtem Feuer schlägt/
Den zwar die grause Noth/ die Kirch und Haus verzehret/
Und Städte weggesengt/ und Länder umgekehret/
Doch mehr das tolle Glück mit aller Donner Macht/
Und grimmer Winde Sturm und trüber Wetter Nacht/
Schier ieden Tag zusetzt. Was kan wol einer nennen
Aus aller Jammer Heer/ daß ich nicht werde kennen/
Das mich nicht hat verletzt. Als noch die liebe Schoß
Der Mutter mich ihr Pfand und letzte Lust beschloß/
Hat stracks/ ich weiß nicht was/ auf was noch nicht gebohren/
O unerhörter Grimm! O Laster! sich verschworen/
Und als ich kaum den Tag diß süsse Licht erblickt/
Durch unerkannte List und fremde Stück entrückt.
O hätt ich doch die Welt/ als sie mich erst gegrüsset/
Eh ich sie noch erkennt/ auffs letzt alsbald geküsset/
So schlieff ich sonder Pein! eh mich das vierdte Jahr
Der vierdte Winter fand/ lag dieser auf der Bahr
Den ich mich schuldig bin/ und diß mein müdes Leben;
Er fiel durch Gifft/ das ihm ein falscher Freund gegeben/
Der offt vor seinem Muth und hohen Geist erblast.
Mir leyder viel zu früh. Eh ich die rauhe Last
Und den Verlust empfand/ hat die so schwache Glieder
Des Febers Hitz entsteckt/ die Kranckheit warff mich nieder/
Der Todt schwärmt über mir; Doch weil ich ihn begehrt
Hat mir der Menschen Feind den Rücken zugekehrt/
Und nahm die Seele weg im Mittel ihrer Tage
Ja Frühling ihrer Zeit/ um die ich kläglich zage.
Wiewohl sie/ weil sich noch in mir ein' Ader regt
Und weil der warme Geist in beyden Brüste schlägt
Mir wird im Hertzen stehn. Die die mich hat gebohren/
Die lieber ihren Leib/ als mich ihr Kind verlohren.
Was hat mich/ da sie weg/ was hat mich nicht verletzt/
Welch Schmertzen/ welche Qual hat mir nicht zugesetzt?
Wer hat der Güter Rest nicht diebisch mir entzogen/
Und meinen Geist gekränckt/ und mich mit List betrogen?
Wen hab ich nicht/ der ie mein Elend recht beschaut
Mit höchstem Seelen Weh der schwartzen Grufft vertraut?
[128]
Ich hab Asterien die Augen zugedrücket
Und deine keusche Leich Hippolite beschicket/
Hippolite vorhin mein Trost nun meine Pein/
Die ehmals mich ergötzt um die ich ietzund wein.
Dicæus den bey uns das gantze Land gehöret
Und den das gantze Land ans Fürsten Statt geehret/
Dicæus bot mir selbst als er die Welt verließ
Und in der Armen Band den werthen Geist ausbließ
Zum letzten seine Faust/ ich fiel in tausend Schmertzen
Mit seinem Athem hin; Der Sinn/ die Krafft des Hertzen
Die Seele selbst verschwand. Das kalte Blut bestund
Als ihn der Tod umfieng. Wie grimmig diese Wund/
Doch kan ich sie noch nicht mit dieser Angst vergleichen/
Die ietzt mich überfällt. Ach hätt ich deine Leichen/
Mein Bruder hätt ich doch die Leiche noch geküst/
Wenn ja der Parcen-Schluß nun eine kurtze Frist/
Ein Wort/ ein kurtz Ade mir nicht vergönnt zu hören;
Ach muß mich dieser Blitz der scharffe Pfeil versehren!
Weil ich so fern von dir ein unbekandtes Land
Und weites Volck beschau. Ach zeuchst du deine Hand
So plötzlich von mir ab! nun ieder mich verlassen
Und nichts als Ach und Angst und Schmertz und Weh umfassen
Und solche Noth die auch ein fremdes Hertz durchbricht/
Wenn man ein wenig nur von meinem Elend spricht
Das hier kaum iemand weiß. Was kan ich mehr begehren
Als daß mein Nahm und Land und Stand und heisse Zähren
Bleib allen unbekandt. Weil/ wenn ich diß betracht/
Mein Nahm und Land und Stand nur viel betrübte macht.
Fragt Livia fragt nicht warum ich euch beklaget/
Fragt nicht mehr wer ich sey/ wo richtig–- was ihr saget
Und euch der rauhe Sturm der mich noch ietzt anweht/
So tieff zu Hertzen geht/ so wünsch ich Schönste seht
Euch in so hoher Ruh als grimmig meine Wunden/
Und findet so viel Freud und angenehme Stunden
Und unverfälschte Lust als Jammer in der Welt
Und Weh und Pein und Angst mich täglich überfält.

[129] [150]Hirten-Gespräch auf eine Hochzeit

Thyrsis.


Dameta fehlt dir was? Wie siehst du so betrübet?

Dametes.


Mir fehlt nur mehr denn viel: Mich dünckt ich sey verliebet:

Thyrsis.


Das lasse Pan nicht zu! welch Ubel steckt dich an!

Dametes.


Der muß ein Unmensch seyn/ der nun nicht lieben kan!

Thyrsis.


Diß Wort schmeckt lauter Gifft/ die greifft dir nach dem Hertzen.

Dametes.


Mein Thyrsis ich vergeh' in bitter-süssen Schmertzen.

Thyrsis.


Sprich Aertzt' um Mittel an: Versäume keine Zeit:

Dametes.


Die Kräuter lindern nicht der Plagen Hefftigkeit.

Thyrsis.


So wilt du sonder Rath in deinem Wahnwitz sterben?

Dametes.


Ein Mittel weiß ich noch/ ach wär' es zu erwerben.

Thyrsis.


Zwölff Schaafe setz' ich drauf/ wo ich dich retten kan:

[150] Dametes.


Ach! blickte Charis mich nur etwas freundlich an.

Thyrsis.


Diß Mittel ist fürwahr weit ärger als dein Leiden.

Dametes.


Hilfft Charis nicht/ so muß ich Welt und Leben meiden.

Thyrsis.


Begehrst du denn ein Weib ein lebend Creutz ins Haus:

Dametes.


Diß Creutz alleine jagt die bösen Geister aus.

Thyrsis.


Dafern man gläubt daß Arg mit Argen zu vertreiben:

Dametes.


Was gut/ gesellet sich: Arg muß alleine bleiben.

Thyrsis.


Eh ich ein Weib begehr'/ eh wüntsch' ich mir den Tod/

Dametes.


Und ich find' ohne Weib mich in der höchsten Noth.

Thyrsis.


Wie schwer ists/ wenn man sol der Jungfern Gunst erbitten:

Dametes.


Je fester eine Burg/ ie stärcker sie bestritten:

Thyrsis.


Was hilfft es wenn man sie bestritten sonder Frucht!

Dametes.


Man fängt die Hinde nicht/ als auf gejagter Flucht.

Thyrsis.


Solt' ich so lange Zeit der stoltzen Güte dienen:

Dametes.


Solt' ich/ wenn ich verliebt zu schlaffen mich erkühnen.

Thyrsis.


Wo aber denckst du hin: Hier taugt dein Singen nicht/

Dametes.


Die Musen geben mir was andern noch gebricht.

Thyrsis.


Ach/ armer/ ach/ hier gilt kein Juncker von der Feder:

Dametes.


Man legt nach langem Krieg das Eisen von dem Leder.

Thyrsis.


Die Spörner Klingen nicht wie Peruaner Gold:

Dametes.


Diß zehlt mein Daphnis nicht: Doch werd' ihmChloris hold.

Thyrsis.


Ja Chloris in dem Stück hat aus der Art geschlagen:

Dametes.


Es geh mir/ wie es geh: Ich wil es einmahl wagen.

Thyrsis.


Wofern du Wagen hast die mit vier Rossen gehn:

Dametes.


Als must' ein iedes Hauß voll Woll' und Leinwand stehn.

Thyrsis.


Wo aber zielst du hin/ nach Osten oder Westen?

Dametes.


Ich wehle hier und dar/ und ziele nach der besten.

Thyrsis.


Der besten wie du meinst/ doch wehle mit bedacht:

Dametes.


Die mich bey Tag' erquickt/ und frölich sey bey Nacht.

Thyrsis.


Du sitzest unten an/ wo sie von höherm Blute:

Dametes.


Ich liebe die/ von der ich nicht den Wahn vermuthe.

Thyrsis.


Die man für schöne schätzt: Kennt ihrer Farben Preiß:

Dametes.


Seh' ich was heßlichs an/ so schwitz' ich kalten Schweiß.

Thyrsis.


Geberden können offt was häßlich/ schöne machen:

Dametes.


Die häßlich/ würde sich bey mir nicht schöne lachen

Thyrsis.


Ich fragte mehr vor mich nach frommer Eltern Kind:

Dametes.


Wär' es nicht selber fromm: Ist jener fromm-seyn/ Wind.

Thyrsis.


Die muß ja züchtig seyn/ die züchtig ist gezeuget:

[151] Dametes.


Mein wehrter Hertzens-Freund/ auch diese Regel treuget.

Thyrsis.


Du lobst denn die man hat verzettelt auf dem Heu:

Dametes.


Die gibt für gleiches Vieh ein' angenehme Streu.

Thyrsis.


Die Jungfern können ietzt wol ander unterstreuen:

Dametes.


Die zuviel unterstreut wird endlich Ochsen treuen.

Thyrsis.


Die Weissen sind offt sieh wenn sie nicht stets purgiert:

Dametes.


Bey schwartzen würde mir viel Seiffen-Geld verschmiert.

Thyrsis.


Ein Leib der braun und starck kan starcke Püffe tragen:

Dametes.


Du denckst ich werde mich/ als wie mit Hunden schlagen?

Thyrsis.


Kein Esel/ Glock und Weib sind sonder Schläge gut:

Dametes.


Der muß ein Esel seyn/ wer tobt auf Frauen-Blut.

Thyrsis.


Nimm eine zarte denn/ die darffst du nicht berühren.

Dametes.


Nürnberger Gut läst sich auf alle Märckte führen.

Thyrsis.


Ich hielte viel von der die Tugend schweigen lehrt.

Dametes.


Was nützte mir der Block der keinmahl wird gehört.

Thyrsis.


Ich kenne manche wohl/ die gantze Monden brummen.

Dametes.


Ich kenne manche wohl/ die auf ein Jahr verstummen.

Thyrsis.


Nimm einen Hasel-Ast/ der ist dafür bewehrt/

Dametes.


Wie Lycas, der das Hauß mit seinem Weibe kehrt.

Thyrsis.


So kan sie zu dem Schatz das Besemgeld erspahren.

Dametes.


Ihr Geld wird ohne diß für tausend Teuffel fahren.

Thyrsis.


Wir kommen von dem Zweck. Man sagt/ wer hält der hegt.

Dametes.


Nur daß man nicht der Magd vors Brodt drey Schlösser legt.

Thyrsis.


Soll eine Reiche dich mit ihren Gülden laben?

Dametes.


Die schätz' ich dir vergnügt/ und mich allein wil haben.

Thyrsis.


Die Weisheit kommt was hoch! Soll sie denn lustig seyn?

Dametes.


Ein immer-traurig Weib ist wie versaurter Wein.

Thyrsis.


Ich kenne/ die verstehn/ wie die Claviere klingen/

Dametes.


Die können mit der Zeit ein Ninno Josephs singen.

Thyrsis.


Und denen Aretin und Francion bekannt.

Dametes.


Die sind zu klug/ mein Freund/ vor mich und meinen Stand.

Thyrsis.


Dürfft' ein' auf gute Treu sich dir wol selbst anbieten?

Dametes.


Der wäre wol der Kopff gespalten in der Mitten.

Thyrsis.


Was Rath denn/ wenn sie dir stets ihren Kram versagt.

Dametes.


Denn Liese gute Nacht und Sylvia gefragt.

Thyrsis.


Wenn sich der Zeug verliegt/ pflegt man bald loßzuschlagen.

Dametes.


Die zu viel Jahre zehlt/ weiß gar zu viel zu sagen.

Thyrsis.


Was weiß ein Kindisch Kind/ das noch mit Tocken laufft.

[152] Dametes.


Was unreiff acht ich nicht/ was faul wird nicht verkaufft.

Thyrsis.


Bey Wittben findet man bestellte Küch' und Keller.

Dametes.


Man freyt die Wittben wol/ man freyt auch ihre Heller.

Thyrsis.


Wird iemand drum verdacht? Sie sitzen warm und fest.

Dametes.


Zu fest auch wol für mich/ die erste Treu die best.

Thyrsis.


Sie leben bey Verstand/ und haben was erfahren.

Dametes.


Gott woll' uns für und für vor dem Verstand bewahren.

Thyrsis.


So taugt dir keine nicht die ihren Mann beklagt?

Dametes.


Sie ehr' ich. Doch ich lieb' ein unbefleckte Magd.

Thyrsis.


Nimm was du wilst. Ich wil die Zeit allein vertreiben.

Dametes.


So wilst du für und für ein Vesper-Knecht verbleiben?

Thyrsis.


Wer einsam ist/ vertreibt die Zeit in höchster Ruh.

Dametes.


Wer so verschimmelt bringt die Zeit gar übel zu.

Thyrsis.


Verschimmel' ich/ so putzt mich ab mit Flederwischen.

Dametes.


Wohl mir/ wenn die mir lieb wird meinen Brand erfrischen.
Man glaubt daß um die Zeit der heissen Sonnen-wende
Der Blätter grüne Tracht an Bäumen um-sich-kehr/
Ihr seht/ daß eine Frau itzt Leid vor Lust versende/
Und Profin euer Hertz vor Rüels Grab begehr.
Drum kehrt den Schluß euch um/ zu leben stets allein/
Und sucht/ mein Freund/ itzt Mann/ doch Vater bald zu seyn.

[153] [157]Hochzeit-Scherz

Weil bey Flammenreichen Kriegen
Phabus Künste gar erliegen/
Hat sich unser Freund bedacht
Und giebt Büchern gute Nacht.
Wer wolt auch wol hier studiren
Wo man nur pflegt einzuführen
Leinwand/ Wolle/ Korn und Waltz
Ochsen/ Grötzer-Bier und Saltz?
Wie man mir gewiß wil sagen:
Hat sich noch für wenig Tagen/
Der uns Bücher trug hervor
Weg gemacht durchs Polnsche Thor
Weil er nichts denn nur Donaten/
Büchlein/ wie man ein soll rathen/
Eulen-Spiegel/ A.B.C.
Hat verkauffet je und eh.
[157]
Warum solte denn zum Weben
Sich nicht unser Freund begeben?
(Wäben schafft uns Brod ins Hauß
Bücher kauffen/ trägt es rauß.)
Wenn zumahl der/ der ihn lehret
Wird von jederman geehret/
Und die goldne Kunst versteht
Dir da nicht nach Brodte geht.
Kan es einer darzu bringen
Daß er mag mit Jungfern dingen
Wieviel Jahr er lernen soll/
Basta der befindt sich wol.
Diß Glück/ hab ich recht vernommen/
Ist euch jetzt zu Hause kommen
Wehrter Freund/ mein ander Hertz/
Offt mein Trost in meinem Schmertz.
Ey greifft weil sie kommt gefahren
Die Gelegenheit bey Haaren/
Andre mögen müßig stehn/
Oder Gassen treten gehn.
Schreckt nicht für den Wäber Körben/
Wer was redlichs wil erwerben
Trägt diß offt mir Körben ein/
Was zu Fudern kan gedeyn.
Wird/ die euch soll unterrichten
Können recht die Werffte schlichten
Wird die Schütz euch läuffig seyn
Tragt ihr saubre Faden ein.
Wenn auch das Gezöh recht feste/
Ey so webet ihr auffs beste
Bilder/ Vögel/ See und Land/
Trotz/ Gevatter Grantzes Hand.
Wolt ihr ausgelernet kriegen/
Wäbt ein Kindlein in der Wiegen
Eine Wöchnerin ins Bett
Loßgesagt geht ihr; Ich wett.

[158] [171]Uber den Untergang der Stadt Freystadt

Was soll ich mehr noch sehn? nun grimme Pestilentzen/
Nun bleicher Hunger-Angst verwüstet deine Gräntzen;
Nun der Carthaunen Blitz/ nun Hauptmann und Soldat/
An unserm Gut und Blut sich statt gefressen hat;
Zeucht eine Nacht noch auf/ voll tausendfacher Plagen:
Recht eine Nacht voll Nacht/ voll Ach! und Jammer-Klagen:
Und reißt/ O Freystadt/ was bißher noch von dir stund
Gleich einem Cederbaum mit Ast und Stumpff zu Grund/
Eh'r iemand diß vermeint. Die Sonne war gewichen/
Der Himmel stund besternt; und Morpheus kam geschlichen
Mit seiner Träume Schaar; der Sorgen Feind die Ruh'/
Schloß der nun müden Schaar die trägen Augen zu.
Als das Geschrey angieng! O was für Donner-Schläge
Empfind ich noch in mir/ wenn ich den Blick erwege:
Den ersten Jammerblick: Die schnelle Lufft ersaußt/
Der Monden fleucht bestürtzt/ der Winde wütten braust/
Und Freystadt kracht im brand': Es steigen Dampff und Flammen/
Und Funcken Himmel' an: Dort fält ein Hauß zusammen
Und schlägt das ander' ein. Was nicht von diesem schmaucht
Ist schon Staub/ Asch' und Grauß: Wo jener Hauffen raucht/
War vor der schönste Saal: Wo sind der Thürme Spitzen?
Wo ist das Rathhauß hin? Und wo die Richter sitzen?
Die Kirchen brasselt auch! soll denn kein Ertzt noch Stein/
O Freystadt/ frey an dir von seinem Sterben seyn?
Schützt keiner Mauren Krafft? sind keiner Retter Hände?
Ist alles helffen aus/ und gehn die kleinen Wände
Zusammt den grossen ein? O ja! diß ist der Schluß/
Der alles/ was noch stund/ zu boden werffen muß!
So sinckt ein krancker Leib/ den schon der Todt erkohren/
(Der Artzt thu'/ was er kan/ sein bessern ist verlohren.)
So wird die grosse Welt/ auf angesetzte Zeit
[171]
Durch schweffellichte Glut des Donners abgemayt/
Verlodern und vergehn! was seh' ich dort für Hauffen?
Bestürtzt und Thränen-voll! mit ihren Kindern lauffen?
O Kinder! die ihr kaum das Vaterland erkannt/
Schaut wie/ was euch gebaut/ noch eh' ihr hin/ verbrandt.
Stadt! hochgestürtzte Stadt! must du dir selbst anzünden
Den Holtzstoß/ auf dem Zier/ und Gut/ und Lust verschwinden.
Hat doch des Himmels-Zorn: Hat doch das scharffe Schwerdt:
Hat doch der Feinde Grimm dich nicht so umgekehrt/
Wie du dich selbst hinrichtst. Was wünschen wir die Sonnen?
Weil Lufft und Flamme scheint: Was diese Nacht zerronnen/
Sieht auch wer gantz nicht sieht: Oh man schon um und an
Den Schaden noch nicht recht/ für Rauchen sehen kan.
Wir sehen keine Stadt! wie ist der Ort verworren
Mit dunckelrother Glut: Die Häuser sind verschorren
In Asch' und in sich selbst: Wird auch noch iemand seyn/
Der aus den Kohlen sucht ein halb-verbrandt Gebein
Von denen die der Schlaff dem Feuer hat verrathen!
Wir schauen derer Noth/ die in den Flammen braten/
Und schauen keinen Rath. Ihr Musen! ach umsunst!
Auch euer Schatz vergeht. Es hat die tolle Brunst
In diß/ was heilig heist/ sich grimmig eingedrungen:
Und mit der Blätter Rest weit über Feld geschwungen!
Und was ein weiser Sinn erforschet und erdacht/
Wodurch ein sterblich Mensch sich ewig hat gemacht/
Nimmt eine Stunde weg. Wir treten itzt mit Füssen/
Diß was wir gestern Kunst und grosse Weißheit hiessen!
O Eitelkeit der Welt! wie solt' ein Mensch bestehn
Wenn/ was die Zeit abtheilt/ muß für der Zeit vergehn.
Und mag ein zartes Fleisch ihm lange Raitung machen?
Wenn Felsen und Metall so unversehns zu krachen?
Und mag wohl iemand seyn der keine Laster scheut/
Wenn der sonst sanffte Gott mit solchen Straffen dräut!
Weil doch der Sünden Glut uns diese Brunst erreget/
Die Freystadt eingefeurt und frey in Grauß geleget?
O daß mein Deutschland sich mit diesem Zunder trägt;
In den der Wetter Macht mit schnellen Funcken schlägt/
Der uns zu Aschen brennt/ wenn Boßheit wird verschwinden/
[172]
Denn wird/ was itzund hin/ sich reicher wieder finden/
Denn wirst du todte Stadt aus deiner Kohlen Grufft
Dein itzt verscharrtes Haupt auffheben in die Lufft.
Denn sol/ wo Wolcken ietzt von Rauch' und Flammen ziehen/
Dein' auffgesetzte Zier gleich einer Rosen blühen.
Denn wird/ was ietzund bricht/ durch zuthun weiser Hand
Erlangen/ was man wüntscht/ und in recht neuem Stand
Sich breiten für und für. Es werden deine Mauren
Nicht mehr voll Jammer stehn: Und wo man ietzund trauren
Und Zetter ruffen hört/ wo ietzt des Höchsten Grimm
Ohn Maß und Ende tobt/ da wird die Jubel-Stimm
Erschallen voll von Lust. Die neugebauten Thürme/
Des Hauses schöne Pracht wird Sicherheit im Schirme
Erhalten: Ja der Spieß/ das halbverroste Schwerdt
Wird werden in ein Beil und einen Pflug verkehrt/
Auch wird die werthe Treu/ die Treu/ die wir verlohren
Von aller Redligkeit stehn bey uns neugebohren.
Wie denck ich doch so weit? Ich/ der ich dieser Näh'/
Nun dritten Untergang mit nassen Augen seh'!
Und was geht itzt nicht ein! Wie selig sind zu schätzen
Die/ welchen keine Noth die Klau' ins Hertz kan setzen.
Weil sie der Todt entsetzt. Wir sind recht lebend-todt/
Und theilen unser Zeit in tausendfache Noth
Wir theilen Leib und Gut! was nicht die Pest genommen/
Hat Büchs' und Säbel hin! was diese nicht bekommen/
Frist die erhitzte Glut! was läst der Flammen Raub
Von Freystadt? Was du siehst/ die Handvoll Asch' und Staub.

[173] [182]Erstes Straff-Gedichte

Nil adeò sub Sole novi.


Komm werthe Freyheit komm! Komm Göttin hilff mir schreiben/
Weil ich ja schreiben soll. Calliope mag bleiben
Und heucheln wie sie will. Der schönen Worte Pracht
Hilfft doch der Warheit nicht. Und nun ich mich bedacht/
Befind' ich daß sie woll/ dafern ich bitten wolte/
Mit ihrer Schwestern Schaar mich nicht besuchen solte:
Weil sie den langen Tag bey jenem embsig sitzt/
Der Flüsse von Verstand (wenn ihm die Stirn erhitzt)
Mit Strömen von sich geußt: Wenn Faunus hier zu finden/
So spräch' er bey uns ein/ doch wandelt um die Linden/
Doch wandelt auf der Burg/ doch wandelt in der Stadt/
So viel gehörntes Volck/ das Faunus selbst sich hat
Verkannt als jener Knecht der von sich wurd geschlagen/
Und vor sich selber lieff. Jedoch was werd' ich sagen/
Daß neu und zierlich sey. Phantast! wo denck' ich hin/
Der ich noch in der Welt/ und in dem Lande bin/
Da man die alten Schwänck in neue Formen drücket/
Und ein verfaultes Buch mit Kupffer-stichen schmücket/
Und auf die Groschen hält die jener König schlug/
Der Hörner auf der Müntz an statt der Crone wug.
[182]
Man kaufft ein halbes Brett/ auf welchem kaum zu kennen
Wo Albert Dürer steh: Last nur den Lucas nennen/
Den Ruhm der Weisen Stadt/ der schier vor Hunger starb;
Den rufft ein ieder mein! der Mann der nicht erwarb/
Was auf die Farbe lieff. Der auf gemeiner Bahre
Ward nach der Grufft geschickt/ dem zahlen hundert Jahre
Für die berauchte Kunst viel tausend Gulden aus!
Wie viel hält Kottwick itzt auf sein verschwemmtes Haus/
Von welchem kaum die See sechs Steine lassen bleiben?
Denckt nur/ wie viel anitzt zu jenem Schreiber schreiben/
Der von den Helden sang/ die Asien verheert/
Und Pergamus geschleifft/ und Trojen umgekehrt!
Es sind von Arbiter nicht so viel Stücke blieben/
Als Federn sich an ihn in einem Jahr gerieben;
Und denckt man woll das Tros der tausend Bücher macht
So viel aus einem Hirn (das nicht zu klug) erdacht:
Nein warlich! wenn man nur solt auf die Schaale legen
Was sein Erforschen fand/ es würde leichter wägen
Als Psychens Jungfrauschafft/ als Flacci theurer Schwur/
Als Trullens Redlichkeit dir durch die Lüffte fuhr/
Eh als sie Polydor mit Lügen recht gefiedert/
Entsetzt man sich/ da sich mein Anfang etwas wiedert/
Und mit dem Mittelstück so stimmet überein/
Als Cajus gantzer Hals und sein durchschossen Bein/
Als Madons grauer Bart/ und die Blut-rothe Nase/
Als ein behertzter Löw/ und ein verzagter Hase.
Es ist ja mehr denn wahr/ daß man sich itzt so trägt/
Daß man so lehrt/ und schreibt/ und so zu reden pflegt.
Flaccilla steht es zu. Die schmückt die fremden Haare/
Den Deckel ihrer Platt'/ und ziert mit theurer Waare
Die Brüste trefflich aus/ doch ist der Leib befleckt/
Den ein zerrissen Tuch an statt des Hemdes deckt.
Was ist Leanders Kleid? ein Spiegel seiner Sitten!
Schön' oben/ unten kahl/ leichtfertig in der Mitten/
Meint ihr/ daß ihm der Strauch der Schlingen schöner steh'/
Als itzt der Federpusch/ den Fallus, der wohl eh'
Auf einer Wiesen pflag behertzt das Gras zu mayen?
Wie ändert sich die Zeit! itzt kan er Gold ausstreuen/
[183]
Das er den Bauren hat so tapffer abgejagt/
Als er sein Leben gar biß in den Speicher wagt.
Meint ihr/ daß er die Kett' hab auf dem Mist erworben!
Ach nein! er hat getrost den Völckern/ die gestorben
Eh' er gebohren ward/ gedräut mit Flamm und Schwerdt/
Er hat ihr altes Hauß/ die Todt-Kist/ umgekehrt.
Und (was Ulysses nicht bey Hectors Grab gewaget)
Sie aus der Grufft gebracht/ und in die Lufft getaget.
Ich hab es selbst geschaut/ wie sie in Asch' und Wind/
Als er die Faust anlegt/ so bald verstoben sind.
Unangesehn daß sie vordessen gantze Hauffen
Der Türcken in die Flucht in Hungarn lehrten lauffen.
Ich weiß wol daß ihn nechst der strenge Sejus stieß.
Daß er den gantzen Leib zu Boden sincken ließ.
Doch litt' ers mit Gedult/ und hielt es ihm zu gute.
Warum? der Sejus war von nicht so edlem Blute.
Und last ihn edler seyn; Es stehet Helden an/
Daß man/ dafern es Noth/ auch was verzeihen kan.
Thats Isabelle doch/ die hat sich nie beschweret/
Daß Robert ihren Mann bey später Nacht entwehret/
Entwehret und erwürgt. Wenn er nicht selbst entdeckt
Was seine Faust verübt: er wäre nie gereckt/
Und nie des Kopffs beraubt. Sie hat mit Angst empfunden
Sein unverhofftes Weh; die auf des Mannes Wunden/
Durch die ihm Blut und Seel auf eine Zeit ausfloß/
Nicht einen Seuffzer ließ/ nicht einen Thränen goß.
Das hieß recht treue Gunst. Das hieß die Feinde lieben!
Und sich ob eigner Noth nicht gar zu hoch betrüben!
Diß kan Petrinus nicht/ der viel von Tugend schwätzt/
Und doch mit Hurerey und Lügen sich ergetzt.
Wie offt hab' ich gehört/ daß er den Ketzern fluchte:
Daß er der Menschen Thun auffs fleißigste durchsuchte!
Wie offt/ daß er was falsch/ vor Warheit hat bericht!
Wie offt/ daß er aus Haß ein Laster hat erticht/
Wo man kein Laster fand! Doch daß er selbst ist kommen
Zu Phrynen iede Nacht/ sie in den Arm genommen/
Kam eher nicht ins Licht/ biß sie das Kind gebahr/
Daß ihr/ doch ihm vielmehr/ nicht angenehme war.
[184]
Die Arme/ wie man weiß/ ward darob so betrübet/
Daß sie ein Mord-Stück hätt an ihrer Frucht verübet/
Wenn nicht der schnelle Tod das abgekränckte Pfandt/
Noch vor der sechsten Nacht der Gruben zugesandt.
Wie schamroth ward Petrin! wie hat er sich verkrochen/
Als ieder schrie; der Mann hat Ehr' und Eid gebrochen!
Er schwieg. Doch länger nicht/ als an den zwölfften Tag/
Da leugnet er so frech/ als Turbo lügen mag.
Doch weiß die grosse Stadt/ daß Phryne klar erwiesen/
Mit Schrifft/ mit Eid/ und Pfand/ und Zeugen die man kiesen
Nicht zehlen hat gesehn/ daß er die That verbracht/
Und in der Mutter Burg zur Hure sie gemacht.
Was ists denn (sprach er) mehr! Und wär es gleich gesechhen/
Man hat mich dennoch nicht mit Schwestern buhlen sehen/
Nicht in der Tochter Schoß/ wie Verianus pflegt/
Der sich zu Kind und Weib/ und Baas und Schwester legt;
Lebt mäßig/ sprach Melin, wo ihr mit achzig Jahren/
Und zehnmal dreyen noch/ wo ihr mit greisen Haaren
Wolt nach der Gruben gehn/ und tranck den Becher aus/
Der weiter als sein Kopff/ und grösser als der Straus/
Den neulich jener Artzt vor einen Luchs ansahe/
Hilff Gott/ wie lachten wir! doch als der Abend nahe/
Und der verlogne Ceph sich selbst vor Ritter schalt/
Da zogen wir den Hut/ da neigten wir alsbald
Den Kopff schier in den Dreck/ da küsten wir die Hände/
Wir sassen unten an/ wir starrten wie die Wände/
Wenn er den Blasebalck der Zungen spielen ließ/
Und eitel Wunderwerck aus seiner Gurgel stieß.
Wie hörte Cælia, da er mit Gläsern schantzte/
Da er Pocal um sich/ gleich als Carthaunen pflantzte:
Da er die Schüssel nahm: und schrie diß ist die Stadt/
Diß ist das Feld! auf dem mein Fürst gefochten hat.
Hier lag der stoltze Feind/ hier stieg Staub/ Rauch und Flamme
Mit Krachen Himmel-an: Hier gieng mit Ast und Stamme
Der gantze Wald in Brand. Und hier/ hier/ merckt es wol/
Hier war mein Tummelplatz/ hört was ich sagen soll:
Durch hundert drang ich hin/ den stieß ich durch die Lenden/
Den andern durch den Bauch/ der fiel mit lahmen Händen/
[185]
Den trat sein Roß in Sand/ dem schlitzt ich Haupt und Brust/
Den zwang ich/ daß er Fahn und Leben lassen must.
Die Kugeln flogen mir als Schlossen um die Ohren!
Der Bart ist noch versengt/ den Zopff hab ich verlohren/
Als die Carthaune mir drey von der Seiten nahm/
Und ich mit Blut und Staub bedeckt entgegen kam/
Dem Haupte/ das auf uns das Gegentheil verhetzte/
Ich schlug/ (wiewohl Bramant es zwantzig mahl entsetzte.)
So auf en Helden loß/ daß ihm der Geist entwich/
Und wenn Alcander nicht/ der auf dem Platz erblich/
Ihm beygesprungen wär'/ er hätte mir sein Leben
Wohl dreymahl und noch mehr zu Pfande müssen geben/
Drauf fiel ich auf die Stadt/ die man umsonst gequält/
Mit Flammen/ Sturm und Schwerdt/ so lang es an mir fehlt.
Als ich mich auf den Wall der stoltzen Burg geschwungen/
Da ist der Anschlag uns/ da ist das Werck gelungen.
Man hat vor andern mich sehn in dem Graben gehn/
Man hat vor andern mich sehn auf den Mauren stehn/
Diß hörten unser zwölff! und keiner wolte pfeiffen/
Unangesehn daß wir mit Fingern konten greiffen/
Daß er der Schwätzer war/ der durch das gantze Land
Hat Kräuter/ Theriac und Salben für den Brand/
Und Pulver für die Würm/ und für die faulen Zähne/
Den Bauren offt verkaufft: ja/ daß ich nicht erwehne/
Daß ihm mit Bircken-Laub der Rücken abgefegt/
Auch nicht/ daß ihm ein Band von Hanff ward angelegt.
Wir wusten über diß daß ihm der Geist entwichen;
Als er den Cörper sah der auf dem Rad erblichen.
Behertzter Rittersmann/ du hast dich ja gewagt/
Wohin es möglich war/ biß man dich hat verjagt/
Doch diß ist nun kein Hohn. Wer vor sein Land wil wachen/
Wer nach Gewissen geht/ und den/ der in den Rachen
Des strengen Todtes rennt/ auffhält so lang er kan/
Wer ein geschmincktes Wort/ und was ein Fürst beut an/
Und was ein König dräut/ ohn Angst und Hoffen höret/
Wer Redlichkeit allein/ nicht Ruhm/ nicht Schmeicheln ehret/
Geht offt/ wohin man vor die Schelmen lauffen hieß/
Und den/ der Frau und Kind mit einem Dolch erstieß.
[186]
Drum loben wir was recht/ und thun/ was uns ergötzet/
Wir rühmen was Camill in sein groß Jahr-Buch setzet/
Und leben wie es Brauch. Der ist ein guter Mann
Der nicht mit einem Mund zwey Liedlein singen kan:
Diß reden/ was man meint/ so leben/ wie man lehret/
War jene Zeit gemein; da man die Tugend ehret/
Einfältig sonder Pracht/ da man mehr that/ als schrieb/
Mehr wust als hören ließ/ und in den Schrancken blieb.
Die kein Verstand bewegt: Als ein Gesetz alleine
Für tausend Länder stund/ als man das Mein und Deine
Nicht mit dem Spieß abmaß/ als Kirchen und Altar
Zwar sonder Gold/ doch wol von göldnen Priestern war/
Die Liebe/ die Geduld/ vor höchste Weißheit achten;
Und nicht aus ihrem Dienst ein weltlich Handwerck machten.
Als man mehr weise Leut'/ als itzund Narren fand/
Mehr Werck' als Tittel nun/ die einig unser Land/
Das nicht mehr tragen wil/ so reichlich auff-läst gehen/
Die Schlösser brechen ein/ die neuen Tittel stehen/
Der Thurm stürtzt auf den Grund/ die Kirch' ist Asch und Grauß/
Man kehrt die Gräber um. Die blinde Fledermaus/
Der Uhu/ nebst der Schaar der ungepaarten Eulen/
Bewohnen den Pallast. Die grausen Wölffe heulen/
Durch die nun wüste Stadt. Und was nun ist/ verschwindt/
Die Tittel sinds allein/ die man im Blute findt.
Und die man finden wird/ wenn keiner mehr wird suchen/
Ich wil was Celsus weiß/ und Crassus hat/ verfluchen.
Wenn ein erlogen Wort mir diß und jenes giebt/
Und mehr denn Cajus wünscht/ und Theopompus liebt/
Glaubt fest/ es ist mein Ernst/ ich wil es klar beweisen/
Daß wir an Alcidor nichts als den Tittel preisen.
Ko i grosse Göttin ko i/ und beut mir Hülff und Hand:
Du weist wol was ich wil: Dir ist der Mann bekannt/
Der ihn (wofern man soll der Mutter Worten glauben)
Für seinen Sohn erkiest; sein nicht verdecktes Rauben
Und offenbahre List/ stinckt mehr denn sein Gebein/
Das in der Gruben fault/ der Bruder ist allein
Berühmt durch fremder Angst. Er selbst ward aufferzogen/
Da/ wo die junge Sau der alten Brust gesogen/
[187]
(das Unmensch bey dem Vieh.) und von der Lämmer Schaar/
Als dreyzehnmal die Erndt itzt angebrochen war/
Gezwungen in die Stadt/ in welcher Varus wohnet/
Dem der nicht weise Rath mit baarem Gelde lohnet.
Daß er die Knaben streicht/ und diese rasend macht
Die man ihm anvertraut. Der schlug ihm iede Nacht
Die Kunst mit Ruthen ein. Der Varus solt' ihm zeigen
Was Varus nicht verstund. Der Varus lehrt ihn schweigen/
Denn reden kont er nicht. In kurtzem Alcidor
Ward ein so grosser Plock/ und ungehirnter Thor
Als nicht sein Meister ist. Drauf ließ er sich hinführen/
Wo man die Esel schleifft/ und mit dem Holtz-Beil zieren.
Doch leider nur umsonst/ es hängt uns ewig an
Was Schul' und Amm' einschmiert. Als nun das Geld verthan/
Das ihm die Mutter gab/ als er die Nacht mit Sauffen/
Den Tag mit Kost' und Ball/ das Jahr mit Tantz' und Rauffen.
Den Rest in Chloes Arm beschlossen/ dacht er nach/
Daß die geschwinde Zeit/ gleich einer schnellen Bach/
Sich gar nicht hemmen läst. Daß ihm die Schwäger schrieben/
Daß Braut und Schwester ihn gleich als nach Hause trieben/
Und hub zu lernen an. Zwey Bücher kaufft er ein/
In welchen allerhand vermischt wie Kalck und Stein/
Wie Klee- und Körbel-Kraut/ und Nesseln/ und Violen/
Und Kreß/ und Majoran/ wie Asch und lichte Kohlen.
Die las er fleißig durch. Drein setzt er manche Hand/
Und Stern' und Eselsohr und durchgeflochten Band.
Die fast' er in den Kopff/ die kont er eh'r auffsagen/
Als Prisca zehlen wird wie viel sie hat getragen/
Als Best, wie viel er stahl/ wenn er nur einen fand/
Der noch was gröber war/ denn maß er den Verstand
Mit vollen Maltern aus/ denn wust er zu erzehlen
Was Socrates gelehrt/ wo Plato pflegt zu fehlen/
Die er so offt durchsucht/ als ich der Mohren Feld.
Und der mein Vaterland/ der in der neuen Welt
Geröste Schlangen frist. Doch wenn der Fall ihn setzte
Zu einem/ der den Zeug nach seiner Würde schätzte.
Vor dem ein Esel sich umsonst in Löwen-Haut
Verkleidet/ sah' er aus wie ein verschimmelt Kraut.
[188]
Das mir nechst Themison für Balsam geben wolte/
Als ich nach seinem Rest den Wagen saubern solte.
Denn schwieg er wie Carin, dem Muth und Zung entschlieff/
Als die bewegte Stadt ihn anzuhören lieff.
Doch was kan dieser nicht/ bey dem die Scham verlohren/
Sein Silber ward (nicht er) zu diesem Amt erkohren.
Sein Silber sprach vor ihn/ das bracht ihn in den Stand
In welchem er geblüht/ als sich das gantze Land
Vor seiner Macht entsetzt. Doch die ist nun verschwunden/
Der Lands-Knecht hat das Geld sein Amt ein ander funden/
Den Tittel hat er noch/ der bracht ihn zu der Eh'
Der bracht ihn auf den Hof/ der setzt ihn in die Höh'.
Der macht/ daß ich nicht mehr von seinen Wercken schreibe!
Ich/ der ich meine Zeit in Einsamkeit vertreibe/
Ich/ der ich eine nicht als Jungfrau ehren kan/
Die schon das sechstemal wird Mutter sonder Mann.
Ich/ der ich einen nicht kan einen Herren nennen/
Den ich nicht würdig acht' als einen Knecht zu kennen;
Ich/ der nur lachen muß wenn den Josippus ehrt/
Dem er den Galgen wünscht/ wenn man den Ruf gelehrt/
Den Tallus edel nennt/ den Bassus wohlgebohren/
Den Lycus unverzagt/ und Marrucin den Thoren
Ein Wunder dieser Welt. Doch lach' ich nur allein/
Bey Bauren stellt man Schertz/ bey Narren Lachen ein.

Anderes Straff-Gedichte

Futa frequensque via per amici fallere nomen.


Man fragt Eugenie, woher es doch sey kommen/
Daß ich so einsam mir zu leben vorgenommen/
Daß mich ein todtes Buch/ ein rauher Wald ergetzt/
Da Thyrsis unterdeß von so viel Freunden schwätzt/
Die mit gebeugtem Knie ihm schier die Füsse küssen/
Und biß nach Mitternacht vom Morgen ihn begrüssen.
Die/ wenn er über Feld und über See wil gehn/
Als Sclaven/ auf ein Wort/ ihm zu Gebote stehn.
Was mag die Ursach seyn? man hat ja offt verspühret/
[189]
Das mich mein Dünckel nicht in mich allein verführet/
Lisander kennt mich wol und Cres rühmt iederzeit
Mein niemals falsches Hertz mit grosser Freundligkeit.
Laocles spricht mir zu: und hat mich hoch gebethen/
Sein über-prächtig Haus was öffter zu betreten/
Die grosse Livia gönnt mir ein günstig Ohr/
Man zeucht mich hier und dar nicht wenig andern vor.
Man kennt und ehrt mich dort/ wo ich noch nie hinkommen/
Viel Seelen haben mich in ihren Bund genommen.
Viel lieb' ich mehr denn mich und bin nicht selber mein/
Dafern zu ihrem Nutz ich kan behülfflich seyn.
Daß ich mich aber nicht mach' iedermann gemeine/
Ist diß wol fragens werth? Viel besser gantz alleine/
Als unter fremden Volck/ das untreu in der That/
Und nichts denn lauter Treu auf falscher Zungen hat.
Mit allen geh ich um. Ich werde nichts versagen/
Dafern es möglich ist. Man mag mich sicher fragen/
Ich wil mir lieber selbst als andern schädlich seyn.
Eugenia ihr wisst den Ursprung meiner Pein.
Doch daß ich allen stracks mein Hertze solt entdecken/
Dünckt mich so rathsam nicht. Ehr wolt ich mich verstecken/
In ein verwüstet Land/ in ein verlassen Feld.
Wo ein verdorrter Baum sich an die Felsen hält/
Der nun mit Fallen dräut. Dieweil in wenig Jahren/
Ich/ was ein falscher Freund vor eine Last erfahren/
Dieweil (wo denck ich hin?) dieweil ich offt erkannt/
Wie man mit Eyden schertzt/ und mit dem Mund und Hand.
Mit Aug' und Lippen lieg'/ ich wil euch nicht erzehlen/
Wie Themison zu nechst ließ mein Gemach bestehlen.
Wie treflich daß er schwur/ als der auf frischer Fahrt
Mit dem gefasten Raub von mir ergriffen ward.
Clearchus wie ihr wißt/ ist offt bey Nachte kommen/
Und hat nächst meiner Thür ein Stücklein vorgenommen/
Das auch den Feind verdroß/ um das ich in der Noth/
In die er sich vertäufft ihm treuen Beystand both.
Um daß ich Ursach bin daß man noch heut' ihn ehret/
Doch diß ist Kinderwerck: Der/ der mich angehöret/
Und mir durch Blut verknüpft; Was hat er nicht erdacht?
[190]
Hat er nicht für und für auf meinen Fall gewacht?
Wem hab' ichs/ daß ich steh' und ihm entgieng zu dancken?
O Schande! Lælia begunte selbst zu wancken
Uns schlug mir Beystand ab; Er zog' und rieß zu sich
Was doch mein eigen war. Beatrix hatte mich
Umsonst/ eh' als sie schied/ zu Erben eingesetzet/
Das schöne Gold/ das ihr/ als sie der Todt verletzet/
Noch um den zarten Halß und beyde Brüste hing/
Der beyden Ohren Pracht/ und der so theure Ring
Ward/ als sie noch nicht kalt/ in einem nun verrücket!
Jetzt hat der Mann sein Weib und Kind damit geschmücket!
Schaut seine Kammern an: Was hier und dar zu sehn/
Steht meines Vatern Geld. Ruffin der alle schmähn/
Und keinen loben kan/ wird sich so schöne machen/
Dafern er zu mir kommt: Bald wird er hönisch lachen/
Und lästern was ich schrieb: Weil sein verfluchter Mund
(Trotzt diesem/ den es schmertzt) von mir mit gutem Grund
Nichts schändlichs sagen kan. Kein Tag' ist vor erblichen/
In welchem nicht Levin schier stündlich kam geschlichen/
Und seine Dienst' anboth. Biß er von mir erlangt
(Den er nunmehr nicht kennt) womit er pocht' und prangt.
Da auch was mehr denn sonst/ die Taffel wird besetzet/
Kommt Tallus von sich selbst/ den guter Wein ergötzet/
Und Speise frölich macht. Schleust man die Küchen zu/
Denn hat mein Diener wohl für seinem klopffen Ruh.
Sucht Flaccus guten Rath/ ist Crispus nicht bey Gelde/
Darff Celadon ein Buch/ den fragt man auf dem Felde/
Den fragt man auf der Burg/ den fragt man in der Stadt/
Biß dieser oder der mich angetroffen hat.
Denn heiß ich Herr und Freund/ denn wil Paulin sein Leben
Und Celadon die Seel'/ und Habe vor mich geben.
So bald man ohne mich den Wagen führen kan/
Denn sieht mich Celadon kaum über Achsel an.
Und Crispus acht mich nicht. Und Flaccus hat vergessen/
Wo meine Wohnung war/ und wo ich angesessen/
Was red' ich? Ist ein Mensch/ dem Phillidor bekand/
Und dem verborgen ist/ wie ich mit Hertz und Hand
Ihm beygesprungen bin. Was hab' ich nicht erlitten?
[191]
Als er von so viel Angst und grimmer Noth bestritten
Wir in die Armen fiel/ und sein Anliegen klagt
Da ich mein Leben selbst für seines hingewagt.
Was hat er vor und ietzt? Das er mir nicht zu dancken?
Jetzt schmäht mich Phillidor und laufft als in den Schrancken/
Ein rasend tolles Pferd ohn Zaum und Ziegel rennt/
Das weder rechte Bahn noch Menschen-Stimm' erkennt/
Und seinen Meister Tritt/ und durch den Sand umreisset/
Und was entgegen kommt voll Grimm zu boden schmeisset.
Nicht wenig die es schmertzt/ beklagen meine Treu/
Umsonst ihr Liebsten! Ach! es ist nicht heute neu;
Daß Undanck auf den Danck und Schimpff auf Wolthat folge/
Drum mögen immerhin die Scythen an der Wolge
Und dort bey Astracan auf recht und redlich seyn.
Der überklugen Welt geht nur die Falschheit ein.

[192] [198][Eintragung in das Stammbuch der Fruchtbringenden Gesellschaft]

Ein Augenblick führt aus,
Ein augenblick Vernichtet!
Was das Verhangnus will
Und durch Vill Zeitt einrichtett.

Andreas Gryphius A.R.S.

1662.


Notizen
Die meisten Texte der folgenden Auswahl vermischter Gedichte wurden erst postum in Buchform veröffentlicht, in: Andreae Gryphii um ein merkliches vermehrte Teutsche Gedichte [herausgegeben von Christian Gryphius], Breslau und Leipzig (Fellgiebels Erben) 1698. Die »Gedancken über den Kirchhoff« erschienen erstmals in der Sammlung: »Deutsche Gedichte«, Breslau (Johann Lischken) 1657, das Gedicht über den »Untergang der Stadt Freidank« in: »Fewrige Freystadt«, Lissa 1637 und das Gedicht auf den Tod der Stiefmutter Maria Rissmann im Anhang der »Lissaer Sonnette« (1637).
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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Gryphius, Andreas. Vermischte Gedichte. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-177C-7