16.
Deß Herren Jesu Creutzigung

Auff die Melodie: Kommt her zu mir.

1.
Ko it her ihr Seelen/ die die Noth/
Die Angst/ Gesetz/ vnd Hell vnd Tod
Vnd Gottes Grimm beschweret!
Hier wird der Erden Lösegeld/
Das Opffer vor die Schuld der Welt/
Auffs Creutz-Altar gewehret.
2.
Der grause Schauplatz herber Pein/
Wird künfftig mehr denn fruchtbar seyn/
[139]
Nun Ihn das Blutt gedinget:
Das Blutt/ das Trost vnd Seligkeit/
Vnd Leben/ Gnad vnd Lust in Leid
Vnd Freud vnd Friede bringet.
3.
Hier reicht man bittre Gallen dar/
Vnd Wein der scharff von Myrrhen war/
Den Heyland mehr zu plagen/
Der sich den süssen Weinstock nennt;
Doch als Er diesen Tranck erkennt/
Hat Er Ihn abgeschlagen.
4.
Der alle kleidet/ wird entdeckt/
Vnd auff das Holtz deß Fluchs gestreckt
Entgliedert vnd gedehnet:
Man nagelt an die milden Händ/
Die ieder Hülffreich hat erkennt/
Der sich nach Heyl gesehnet.
5.
Der Fuß der auff der Sünder Pfad
Vnd Irrweg nie gewandelt hat/
Wird nun mit Stahl durchgraben.
Der Mittler zwischen vns vnd Gott/
Wird zwischen Erd vnd Wolck' in spot
Vnd Hohn vnd Pein erhaben.
6.
Der gantze Leib ist eine Wund/
Vom Haupt zu Fuß ist nichts gesund/
Die Kräffte sind entwichen/
Das Blutt springt auß den Adern für/
Der kalte Todtschweiß find sich hier/
Die Lefftzen sind erblichen.
7.
Man hängt auff die vnd jene Seit/
Zwey Mörder die all ihre Zeit
Mit Raub vnd Blutt verzehret;
So wird der kein Gesetz verletzt/
Den Vbelthätern gleich geschätzt/
So wird das Recht verkehret.
[140] 8.
Die Kleider sind der Hencker Beut/
Doch wollen die verruchten Leut/
Nicht seinen Rock zu trennen.
Den doch in dieser letzten Zeit
Zureissen/ blind von Grimm vnd Neid/
Die/ die sich Christen nennen.
9.
Der Jude/ Grich vnd Römer geht/
Vnd list/ was in dem Tittel steht/
Der auff das Creutz geschlagen:
Das diß der Nazarener sey/
Vnd Juden König/ hört man frey/
In dreyen Sprachen sagen.
10.
Der Titul muß wie hoch vnd viel/
Der Priesterschaar es eyfern wil/
Gantz vnverändert bleiben.
Es ist geschrieben was Ich schrieb/
Spricht Pontius/ euch sey gleich lieb/
Ja oder Leid mein Schreiben:
11.
Er wird von dem der bey Ihm wacht/
In seiner herben Pein verlacht/
Vnd trägt der Mörder schelten.
Der Priester grimme Haupter schmehn
Der Juden Hochmuth lässt sich sehn/
Hier muß ihr Lästern gelten.
12.
Auch speit ein toller Wandersman
Deß Herren grimme Schmertzen an/
Man hört von allen Enden:
Du Tempelbrecher kom herab/
Vnd rette dich von Creutz vnd Grab/
Du hast dein Heyl in Händen.
13.
Wie daß man dehn so hangen schau't/
Der Tempel in drey Tagen bau't!
Kind Gottes komm hernieder!
Wie kömt's daß der/ der Jederman
Geholffen/ sich nicht retten kan?
[141]
Bist du dir selbst zu wider!
14.
Bist du der Israel regiert?
Wie daß man dich ohn Kräffte spürt/
Entgeh den Creutzes Schmertzen!
Wo du diß kanst/ so glauben dir/
Daß du Meßias/ dort vnd hier
Die überzeugten Hertzen.
15.
Diß trägt der Heilge mit Gedult?
Der Herr für seiner Feinde Schuld/
Der König für die Knechte
Der Reine/ für die/ so verflucht:
Der Hirt für Schaffe/ die Er sucht/
Für Sünder der Gerechte.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Holder of rights
TextGrid

Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Gryphius, Andreas. Gedichte. Oden. Oden. Das vierte Buch oder Tränen über das Leiden Jesu Christi 1657. 16. Deß Herren Jesu Creutzigung. 16. Deß Herren Jesu Creutzigung. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-19D6-9