[113] Die groszmüthige Gelaszenheit

Ich hab es längst gesagt:
So sehr mich alles plagt,
So wenig fällt mein Muth vor Kummer hin;
Die Hofnung ist mein Schild,
Und wenn die Misgunst billt,
So such ich Trost bey mir und bleibe wie ich bin.
Mein Glücke schläft zwar starck,
Das Weh frißt Blut und Marck,
Und was mich sieht, das greift mich feindlich an.
Wie, sollt ich ängstlich schreyn?
Verzweifle nur! O nein,
Es lebt ja noch die Zeit, die alles ändern kan.
Ich hab es oft gesehn,
Daß die, so heute flehn,
Der Morgenröthe Glanz mit Trost erquickt
Und mancher, deßen List
Den Purpur nechst geküst,
Durch einen jähen Fall dem Glück im Schoos erstickt.
Ihr Herzen, derer Noth
Mit langer Marter droht,
Vertraut doch nur dem Himmel und der Zeit,
Bedenckt, daß Last und Weh
Die Großmuth stets erhöh,
So wie Gefahr und Kampf den Helden Palmen beuth.
Komm, Hofnung, küße mich.
Mein Geist umarmet dich
Und trift in dir den Himmel auf der Welt,
Du solt mein Leichenstein
So wie mein Brautkleid seyn
Und bleibst mein lezter Trost, wenn alles bricht und fällt.

Lizenz
Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).
Link zur Lizenz

Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Günther, Johann Christian. Die groszmüthige Gelaszenheit. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-21BF-4