Schweidnitz

1710–1715

Die auch in ihrer Asche als ein Muster des preiswürdigen Frauenzimmers verehrte Frau Anna Helena, verw. von Zedliz etc., welche A. 1713. den 27. Jan. in dem Herrn entschlief.

Im Nahmen eines andern.

Wem Neid und Aberwiz nicht die Vernunft bethört,
Wird den verworfnen Spruch und eitlen Saz verfluchen,
Da Manes ausgesprengt und Marcion gelehrt,
Bey Weibern dörfte man die Frömmigkeit nicht suchen,
Sie wären, hartes Wort! des Satans Creatur,
Ein Abgrund, wo die Brut der allergrösten Sünden,
Nicht aber Heiligkeit noch auch die mindste Spur
Von Gottes Ebenbild und seiner Kraft zu finden.
Ein Acidalius schüzt den verdammten Wahn
Der bey dem Alterthum vergötterten Druyden;
Er sieht die Weiber kaum vor halbe Menschen an.
Ein Türcke dancket stets gleich den verschnidtnen Jüden
Der gütigen Natur, die ihm das Glück verliehn,
Daß er nicht als ein Weib vor Mahomeths Moscheen,
Die keine Frau betritt, mit Stambols Mägden knien,
Wohl aber als ein Mann darf in den Tempel gehen.
Ich sorge weiter nicht vor den geringsten Grund,
Dergleichen schnödes Zeug mit Worten zu vernichten:
Nimmt schon der Scyte nicht den Nahmen Weib in Mund,
Will mit Simonide der Persianer dichten,
Daß wenig Redligkeit in langen Röcken sey,
So wird ein Monstier das Gegentheil erweisen,
Ja, die Erfahrung fällt der wahren Meinung bey,
Daß Frauen ofters mehr als Männer fromm zu preisen.
Rom schloß mit Ehr und Furcht der Vesta Heiligthum
In feste Mauren ein; Athen hat bey den Griechen
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Längst mit gelehrter Hand des Frauenzimmers Ruhm,
Das man vergötterte, genug herausgestrichen;
Doch diese Tugend war ein blaugefärbter Dunst,
Die sich das Heidenthum nach eignem Dünckel wehlet,
Ein Schatten sonder Leib, ein Mahlwerck ohne Kunst,
Dem zur Vollkommenheit des Glaubens Grundriß fehlet.
Weit beßer klingt es dort, wenn die bekehrte Ruth
Ihr in dem Gözendienst ersofnes Volck verschworen,
Wenn Hanna jeden Tag durch andachtsvolle Glut
Sich im Gebeth vertieft, sich in der Schrift verloren,
Wenn Esthers reiner Geist sich von der Welt entfernt,
Ja, wenn Eugenia in zwölfmahl sechzig Tagen
Nicht ohne großen Fleiß des Höchsten Bund gelernt,
Den die Apostel uns nebst Mose vorgetragen.
Verfolgung hat die Treu der Christen stets bewährt,
Und die Beständigkeit becrönt den wahren Glauben;
Den läst ihr Agnes nicht durch ein geschlifen Schwerd
Noch eine Lucia durch Glut und Feuer rauben.
Selbst Anastasia hat erstlich in der Fluth,
Hernach bey Rauch und Dampf ihr Christenthum erwiesen,
Agatha auf dem Rost, Caecilia durch Blut
Und Fausta bey der Qual der Hencker Gott gepriesen.
Allein, was will man sich um viel Exempel mühn?
Dein Leben, Seeligste, war ein polirter Spiegel,
Aus dem die Gottesfurcht mit reinen Strahlen schien,
Dein Glaube ein von Gott dir angedrücktes Siegel,
Dein Lieben eine Brust, an der das Armuth sog,
Dein Bethen eine Macht, den Himmel zu bewegen,
Dein Creuz ein goldner Strick, der dich hinaufwärts zog,
Dein Sterben ein Gewinn und tausendfacher Seegen.
Dein gottergebner Sinn gleicht einer Blumenart,
Die ihrer Blätter Pracht nur nach der Sonne wendet,
Und dein Gewißen blieb von aller Lust bewahrt.
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Wenn andre, die der Rauch der Eitelkeit verblendet,
Vor Silber Waßerbley, vor Perlen Glas erwehlt
Und um ein zeitlich Gut das ewige verhandelt,
So hat dein Herze sich mit denen nicht vermehlt,
Die auf der Lasterbahn der Spötter je gewandelt.
Doch soll der Glaube nicht ein bloßes Wißen seyn,
So muß er Lea Leib und Rahels Augen haben;
Es äußert sich sein Thun bey Christen insgemein
Durch die mit Freund und Feind getheilten Glückesgaben.
Dies hat ein kluger Kopf in Bildern vorgestellt:
Ein aufgethürmter Berg läst eine Fluth hernieder,
Die durch den Wolckenbruch auf seine Spize fällt,
Mit dieser Überschrift: Er nimmt und giebt auch wieder.
Den Seegen, der auf dich vom Himmel abgethaut,
Hat manch verwaistes Kind, manch Lazarus genoßen;
Durch Wohlthat hastu dir ein Denkmahl aufgebaut,
Wenn über Zion sich dein Liebesstrom ergoßen.
Da manchen Gold und Geld wie ein erhiztes Bley
Den Strauß zur Erden zieht, so kontestu bezeigen,
Daß Reichthum oftermahls der Frommen Leiter sey,
Durch deren Hülfe sie bis an den Himmel steigen.
Ein Salamander kan niemahls den heißen Herd,
Ein Diamant den Schlag so lange kaum vertragen,
Als dein gesezter Geist die Last, so dich beschwert
Und deinen Leib gedrückt, als deine Brust die Plagen,
So Kraft und Marck verzehrt, gelaßen überstand.
Dein Glaube muste durch Gedult und Hofnung siegen;
Die drey vermahnten dich, in das gelobte Land
Wie Adler von der Kluft der Erden aufzufliegen.
Den überhäuften Schmerz stillt Weihrauch und Corall,
Nicht aber Ungedult; wer sein betrübtes Leiden
Durch sie zu mindern denckt, wirft Kletten auf Chrystall,
Will mit vergiftem Stahl Gewächs und Brüche schneiden,
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Die hohe Sternenburg aus ihren Angeln ziehn,
Mit Schwefel, Wachs und Oel die wilden Flammen dämpfen
Und wieder die Natur zu streiten sich bemühn,
Ja, endlich gar mit Gott und seiner Allmacht kämpfen.
Der speiset Israel, eh er es wohnen läst,
Wo Milch und Honig fleust, aus Gosens Kummertöpfen;
Bevor es noch den Most von Escols Trauben preßt,
Muß es den Wermuthtranck aus Mara Teichen schöpfen.
Sinckt Joseph in den Schlamm, so wird er doch erhöht
Und seine Sclaventracht ein Rock von weißer Seide;
Wenn David in der Schlacht in vollem Blute steht,
So färbet ihm sein Arm den Zeug zum Purpurkleide.
Du wustest, Seeligste, wie Bienen aus Napell
Den besten Honigseim, aus Trübsahl Trost zu saugen;
Dein Herze war ein Brunn und anmuthsvoller Quell,
Der keine Galle führt; dein Opfer muste taugen,
Wenn deßen süßer Ruch durch Luft und Wolcken drang.
Drum sah man dich getrost und ohne Furcht erblaßen
Und, da dein Leben schon fast mit dem Tode rang,
Die Seele mit Gedult, den Geist mit Hofnung faßen.
Nunmehro schlägt der Tod des Leibes Feßel ab,
Die Kette springt entzwey, die Kranckheitsschlößer brechen;
Es findet nun dein Creuz so wie der Leib sein Grab;
Dein Heiland denckt bereits dir also zuzusprechen:
Komm, Tochter, die mein Wort und Sacrament gezeugt,
Komm, werthe Freundin, komm aus Basans wüsten Triften,
Wo Ammon raubt und stiehlt, der Moabiter leugt
Und die Philister nichts als Mord und Todtschlag stiften.
Ich habe dich bisher auf eine kurze Zeit
Verlaßen und geprüft; weil du nun treu geblieben,
So bistu auch von mir zur wahren Seeligkeit
Auf ewig in das Buch der Frommen eingeschrieben.
Nimm dieses reine Kleid von Atlas und Damast,
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Mit Sternen ausgesezt, zu einem Unterpfande,
Erquicke deinen Geist nach überstandner Last
In der Lebendigen und Auserwehlten Lande.
So wächst, Hochseeligste, Lust aus gehäufter Qual,
Aus Neßeln Zuckerrohr, aus Dornen frische Palmen,
Aus einer Thränenburg wird nun ein Freudensaal,
Aus Boy ein Feyerkleid, aus Klageliedern Psalmen,
Jezt heists Halleluja wie vor Eleison.
Die wegen Herzeleid von dir vergoßnen Zähren
Wischt Jesus selber ab; er sucht durch eine Cron,
Die Ophir kaum bezahlt, die Scheitel zu verklären.
Es schmeichle China sich mit seiner Gräber Pracht,
Egypten mit dem Bau der stolzen Pyramiden,
Ihr Glanz wird mit der Zeit auch in die Gruft gebracht,
Ihr Marmor ist wie Thon und Porcellan verschieden.
Dein Grabmahl, Seeligste, soll kein bemooster Stein,
Den Moder, Zeit und Staub wie Spiegelglas verlezen,
Wohl aber ein Gebäu troz den Coloßen seyn,
Auf das die Tugenden den wahren Denckspruch äzen:
Ihr, denen Eitelkeit den leichten Sinn bethört,
Lernt Spreu und Schlackenwerck der Zeitligkeit verfluchen!
Was wollt ihr denn, wie uns der Mund der Warheit lehrt,
Auf Dornen Rebenfrucht, auf Disteln Feigen suchen?
Erzürnt den Schöpfer nicht als Gottes Creatur,
Flieht ja die Otterzucht, das Schlangengift der Sünden;
Kämpft, leidet, glaubt und liebt, so könt ihr auch die Spur
Wie unsre Seeligste zum Ehrentempel finden.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Günther, Johann Christian. Gedichte. Gedichte. Frühere Gelegenheitsdichtungen. Schweidnitz 1710-1715. [Wem Neid und Aberwiz nicht die Vernunft bethört]. [Wem Neid und Aberwiz nicht die Vernunft bethört]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-22D1-1