[Nechst stritten Warheit, Glück und Liebe]

[344] Die den 25. Aug. 1722. in Hirschberg glücklich vollzogene Verbindung des wohledlen, groszachtbahren und wohlvornehmen Hn. Gottlieb Schäl, berühmten Kauf- und Handelsmannes allda, mit der wohledlen, viel ehr- und tugendbelobten Jungfer Johanna Christiana, Tit. Pl. Herrn Johann Gottlob Kirchhoffs & rel. vierten Jungfer Tochter, bediente mit einer eilfertigen Gratulation.


Johann Christian Günther,

poet. Caes. Laur. Med. Cand.


Nechst stritten Warheit, Glück und Liebe
Um Vorzug, Stärcke, Rang und Ruhm
Und liefen mit erhiztem Triebe
Zur Themis in das Heiligthum.
Die Themis saß mit Schwerd und Waage,
Wie ihrer Majestät gebührt,
Und hatte sich an diesem Tage
Mit neuen Strahlen ausgeziert.
Die Warheit sprach: Mein Bliz muß siegen,
Er fährt der Boßheit durch den Sinn,
Er trozt die Zeit, beschimpft die Lügen
Und wirft den Hohn der Misgunst hin;
Mein Glanz entspringt vom reinsten Lichte,
Er reißt der tollen Heucheley
Die schnöden Larven vom Gesichte
Und macht die Unschuld allzeit frey.
Halt, sprach das Glücke, mit dem Prahlen,
Dein freyes Maul ist so bekand,
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Die Welt vermeidet deine Strahlen,
Und mir beuth alle Welt die Hand;
Mein Seegel bringt die reichsten Wahren,
Schau meine Kugel nur recht an,
Dies Sinnbild lehrt dich erst erfahren,
Mir sey der Erdkreiß unterthan.
Mir opfern all und jede Stände
Begierden, Leben, Wuntsch und Blut,
Den Helden geb ich Muth und Hände,
Den kalten Schönen Lust und Glut.
Sey auch ein Leibniz im Erfinden
Und im Regieren Salomo,
Will ich mich nicht mit dir verbinden,
So drischt dein Wißen leeres Stroh.
Das Glücke wollte weiter sprechen,
Die Liebe fiel ihm höhnisch drein,
Geh, sprach sie, in die truncknen Zechen
Und schwaze dies den Kindern ein;
Geht, sag ich, endlich alle beide
Und räumt mir gleich und gern den Plaz,
Ich bin der Menschen Trost und Freude,
Des Himmels Kind, des Lebens Schaz.
Ich bin die Mutter aller Dinge
Und herrsch in jeder Creatur,
Durch mich wird Gram und Zorn geringe,
Mein Nectar ist die beste Cur.
Baum, Vögel, Thiere, Graß und Sträuche
Sind Zeugen meiner süßen Macht,
Die öfters auch den Tod zur Leiche
Sowie aus Fürsten Köhler macht.
Ich brauche weder Pfeil noch Bogen,
Die mir der Heiden Dichterkunst
Aus Scherz und Blindheit angelogen;
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Denn Wafen bringen wenig Gunst.
Die Kraft, wodurch ich alles binde,
Ist innerliche Lust und Qual;
Ein Blick von einem schönen Kinde
Vermehrt gleich meiner Sclaven Zahl.
Und daß ich euch nur recht beschäme,
So seht und nehmt dies Bild in Acht
Und sagt mir, ob Minervens Rähme
Was Künstlichers ans Licht gebracht.
Die Liebe schwieg und wies indeßen
Ein ungemeines Conterfey,
An dem der Pinsel nichts vergeßen
Als etwan blos die Schmeicheley.
Die Schönheit wies in allen Zügen,
Was dort Anacreon bestellt;
Die nette Locke schien zu fliegen,
Die Haut war Schnee, der jezo fällt,
Die Lippen schwollen von den Rosen
Und waren gleichsam schon bereit,
Mit solchen Küßen liebzukosen
Als Friede und Gerechtigkeit.
Was nur von Sanftmuth und Entzücken
Apellens Kunst entwerfen mag,
Das schos hier aus den holden Blicken
Und gab ein Feuer an den Tag,
Ein Feuer, deßen Geist und Stärcke
Die Schönheit des Gemüths entdeckt
Und durch verborgne Wunderwercke
Auch in der Ferne Glut erweckt.
Nun, sprach die Liebe, mögt ihr paßen,
Der Vorzug hebt mich über euch;
Wen solche schöne Ketten faßen,
Der spricht wohl: Glück und Warheit weich!
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Das Glücke stund, die Warheit lachte,
Und beide rißen sich darum,
Bis Themis die Entschließung machte:
Dies Bild soll in mein Heiligthum.
Ihr aber sollt dabey als Wächter
Mit euren Gaben opfern stehn
Und durch den Neid der Landestöchter
Sein Lob noch desto mehr erhöhn.
Die Liebe that, was Themis sagte,
Und trug das Bild in ihren Saal,
Des Glückes Vorwiz aber fragte:
Wo ist denn das Original?
Mein Lorbeer flicht in deine Myrthen,
Vergnügter Bräutigam, ein Blat,
Das, da dich Lieb und Lust bewirthen,
Der Koch vielleicht vonnöthen hat,
Indem der Misbrauch der Poeten
So viel bereimt Papier verschickt,
Daß man schon Leuchter und Pasteten
Mit den gelehrten Grillen schmückt.
Doch Scherz vorbey. Aus deinem Bunde
Erscheint ein Zeugnüß guter Wahl.
Viel lieben nur mit Hand und Munde
Und ringen nach der Ehstandsqual;
Sie laßen sich das Kleid verblenden,
Verachten Wiz, Gestalt und Treu
Und legen sich mit Mammonshänden
Ein Kloz von grober Unart bey.
Daher verfehlt ihr Fuß der Bahne,
Die zu der Selbstvergnügung bringt.
Wohl dir mit deiner Christiane,
Wohl, sag ich, wem es so gelingt!
Ihr Geist, ihr Alter, ihr Geschlechte
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Blüht wie ihr Antliz andern vor,
Darum verdient ihr Lob mit Rechte
Der Musen schönstes Lautenchor.
Komm, schöne Braut, in Hirschbergs Mauren,
Verlas die Schwestern um den Queis
Und las dich nicht die Freyheit dauren,
Die nichts vom rechten Leben weis.
Ein treues Herz, ein feurig Küßen
Erwarthet dich mit Arm und Mund
Und wird dir den Verdruß versüßen,
Der auf dein Jawort bald entstund.
Hat noch die Biebel einen Seegen
Und meine Wüntsche Geist und Kraft,
So sey er eurer Eintracht wegen
Der reinen Flammen Nahrungssaft;
Lebt, liebt und scherzt nach Art der Tauben,
Wie in der göldnen Zeit geschehn,
Und daß die Eltern solches glauben,
So last sie ehstens Früchte sehn.
Die Warheit zieht jezt meine Blicke
Noch einmahl in der Themis Saal;
Mich deucht, es fragte vor das Glücke:
Wo bleibt denn das Original?
Hier, wo der Bober mit dem Zacken
Sich brüderlich zusammenfügt
Und wo des Hochzeitbettes Knacken
Den angenehmsten Kirchhof wiegt.

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TextGrid Repository (2012). Günther, Johann Christian. [Nechst stritten Warheit, Glück und Liebe]. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-2349-7