[Verschmäht, gelehrter Scharff, dein Auge meine Pflicht]

[32] Dein Nahme, theurer Scharff, bezeichnet diesen Tag, erlaube, dasz dein Knecht ihn hier bedienen mag.


Verschmäht, gelehrter Scharff, dein Auge meine Pflicht
Und deiner Klugheit Salz der Einfalt Ausbruch nicht,
So nimm das Opfer an, das meine Demuth schencket.
Die Armuth bindet mir die reichthumsleere Hand,
Sonst hätte meine Brust ein angenehmer Pfand
Als dieses welcke Blat an dein Altar gehencket.
Die Blumen meiner Treu sind Früchte deiner Huld,
Die meine Redligkeit nicht sonder Ehrfurcht küßet,
Und wo kein Honigseim mir aus der Feder fließet,
So gieb der Blödigkeit und nicht dem Willen Schuld.
Dein Ansehn ist zu groß, mein Wißen noch zu klein,
Drum können beide nicht vorjezo Schwestern seyn,
Sonst würde sich dein Ruhm hier als im Spiegel zeigen
Und dein verdientes Lob aus jeder Silbe steigen.
Ich dachte, diesen Tag, der aller Sorgen Nacht
Durch deines Nahmens Licht zur Freudensonne macht,
Nicht nach gemeiner Art Hans Sachsens zu besingen,
Ich wollte deine Gunst bis an den Pol erhöhn,
Dein Nachruf sollte mir den Sternen gleiche gehn
Und meine Leyer fast wie Davids Harfe klingen.
Doch da zum Tanze mehr als ein Paar Schuh gehört
Und man zur Dichterkunst mehr als den Kopf erfodert,
So dencke, wenn kein Geist aus diesen Zeilen lodert,
Daß mich die Musen kaum das A.B.C. gelehrt.
Der Pindus zieht nicht Schilf, kein Pegasus den Pflug,
Kein guter Einfall fällt in einen Waßerkrug,
Und wer nicht wie Horaz den Vers mit Wein begoßen,
Dem ist kein Ehrenpreis in selbgem aufgeschoßen.
Dein Zion, großer Mann, das deines Amtes Schweiß
Nicht nach Verdienst und Recht genug zu rühmen weis,
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Muß, soll die Danckbarkeit den Nahmen nicht verlieren,
Bekennen, daß dir noch kein Lob zuviel gethan,
Man sieht als Zwillinge dein Lehr- und Leben an.
Wie mancher lernt von dir des Herren Sache führen,
Die Canzel prediget von der Beredsamkeit,
Die ein Chrysostomus dir in den Mund geleget,
Der Altar freuet sich, wenn er den Priester träget,
Der Gottes Weihrauch nicht auf fremde Kohlen streut.
Dein Geist, der vor Begier zur höhern Weißheit brennt,
Macht, daß die kluge Welt dich ihren Bürger nennt.
Last Franckreichs Prahlerey sein Musenvolck vergöttern,
Bey uns soll kein Orcan dein Ehrenmahl zerschmettern.
Die Kunst der Poesie nimmt ihren Rang in Acht,
Wo sie der Undanck grüßt, da giebt sie gute Nacht;
Mit dem Mäcenas gieng ihr Adel auch verloren.
Daß nun der Bettelstab nicht meine Muse nährt,
Macht deine Gütigkeit, die mir das Brodt bescheert;
Die Mutter, deine Gunst, hat mir den Fleiß gebohren,
Du hast die Dürftigkeit mit Unterhalt versorgt,
Und welchen so wie mich dein Gnadenstrahl beweget,
Der siehet, wo er nicht ein Eulenauge träget,
Daß meine Warheit hier die Farben nicht geborgt.
So bald dein Büchersaal mir freyen Zutritt wies,
So bald ergözte mich ein irdisch Paradies,
Ich konte nicht so wohl ein blumengleiches Wesen
Aus Edens Garthenthür als deinem Munde lesen.
Was Wunder, wenn mein Geist nunmehr lebendig wird,
Da sich Aurora selbst zu deinem Feste schirrt
Und ihren Carmesin mit neuem Purpur träncket.
Der Himmel klärt sich aus, das Glücke lacht dich an,
Sein Wille wird dein Knecht, sein Blick dein Unterthan.
Hat der Verleumder Gift bisher dein Thun gekräncket,
So zeigt die Misgunst jezt, daß sie dir günstig sey.
Der Neid will die Natur an dir zum Lügner machen,
Sein Haß trift alle Welt, sein Lobspruch deine Sachen,
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Und sein Geseze spricht dich von dem Tadel frey.
Die Tugend küßet dich als ihren rechten Sohn,
Und weiht den Lorbeer dir zu einer Ehrencron,
Die, wenn die Erde gleich der Glieder Rest vergräbet,
Dich bey der späten Welt aus deinem Sarge hebet.
Die Hand des Himmels sey auch künftig dein Panier,
Sein milder Seegensthau dein Seelenmalvasier,
So wird man deinen Mund des Glückes Tischgast heißen.
Kehrt gleich der Kummer oft als Gast und Fremdling ein,
So soll die Fröhligkeit doch immer Wirthin seyn
Und das Verhängnüß sich nur auf dein Wohl befleißen.
So lange dieser Tag in dem Calender steht,
So lange soll dein Haus der Hoheit Wachsthum schauen,
Das Alter müße dir die Gruft nicht eher bauen,
Bis Kind und Kindeskind mit dir zu Grabe geht.
Mir aber, theurer Scharff, entzieh dein Gnadenlicht,
Den Pharos meiner Lust, doch auch hinfüro nicht;
So will ich, wenn mein Reim wird aus der Wiege steigen,
Nichts als den Überfluß von deiner Wohlthat zeigen.

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TextGrid Repository (2012). Günther, Johann Christian. Gedichte. Gedichte. Lob- und Strafschriften. Schweidnitz 1710-1715. [Verschmäht, gelehrter Scharff, dein Auge meine Pflicht]. [Verschmäht, gelehrter Scharff, dein Auge meine Pflicht]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-2380-B