[105] An ihro Magnificenz Herrn Johann Burchard Mencken, S.C.M. Pol. a consiliis et ab historiis scribendis Profess. Publ. nach Leipzig

Aus Lauben den 14. April. 1720.


Im Fall du schwören kanst, daß Menckens Hand und Geist
Dies Blat so würdig hält und eher nicht zerreißt,
Als bis sein kluger Blick, der oft mein Stern gewesen,
Den Inhalt und den Schmerz mit Langmuth durchgelesen,
So geh nur immer hin, bedrängte Musenschaar;
Doch nimm, ich rathe dir, . . . . . . . . . . . wahr
Und komm bey Ruh und Scherz den Augen auch gelegen,
Die unter Sorg und Amt den Helicon bewegen.
Bewirb dich auch nicht erst um Schmuck und Feyerkleid,
Gemüthe, Zeit und Tracht begehren Ähnligkeit.
Ein lustig Sontagskind mag . . . . und Aufsaz nehmen,
Kein Aufzug armer . . . kan unsre Noth beschämen.
Drum geh nur sicher zu: Berühmter Mäcenat,
Ich suchte, wie du weist, vergangnen Sommer Rath
Und zog mit Frieden heim auf Hofnung beßrer Zeiten
Und der so langen Qual ein Ende zu bereiten.
Die gute Meynung kam, die gute Meynung fiel;
Ich änderte den Plaz, doch nicht das Trauerspiel,
Indem mich Klag und Weh mit neuer Furcht umgaben.
Kurz, alles ist nun hin. Was die noch übrig haben,
Die kaum mehr Eltern sind, ist ohne, was sie preßt,
Ein Leben voller Müh, zwo Kinder und ein Rest
Von Asch und Dürftigkeit, die das noch täglich mindert,
Was Brodtkunst, Garthenbau und krancke Glieder hindert.
Warum mich nun der Zorn des Vaterlandes trift,
Rührt, wie ich glauben muß, von mancher Stachelschrift;
Durch diese zeugt ich mir ein allgemeines Haßen.
Der Kampf ist auch nicht jung, er fing sich in den Classen
Der lezten Schulzeit an. Denn Schweidniz ist ein Ort,
Wo alles Striegeln flicht; entfährt ein schlüpfrig Wort,
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So muß man gleich davor sogar auf Predigtstühlen
Von Heuchlern böser Art . . . . . . . . . . . . . fühlen,
Die Gott wohl nicht gebeuth und leicht kein Mensch verdaut.
Ich gieng mit gleich vor gleich den Thoren auf die Haut.
Verzeih derselben Zeit; die Jugendhize brannte,
Indem sie dort noch nicht der . . . . . . . Moden kannte.
Vielleicht hat dazumahl mein Theodosius,
An welchen Volck und Stadt und Schauplaz dencken muß,
Die Lästrer hin und her mit Hasenschrot getrofen.
Doch damahls kunten sie noch wenig Rachlust hofen,
Indem mich weder Freund noch Schuz noch Geld verlies.
So bald mir aber auch der Stab den Rücken wies,
Der Brand mein Erbtheil fraß, kein . . . . . helfen konte,
Erfuhr ich leider früh, wie viel man Günthern gonnte.
Die Feinde wachten auf, die Lügner brachen los,
Der Mangel band mich an, die Fehler schienen groß,
Die Gönner sturben hin, da fing es an zu regnen.
Ich sah die Noth vorher und wollt ihr auch begegnen.
In Rendsburg war ein Freund, ein Freund von Wort und That,
Bey dem ich nie umsonst und jezo kräftig bat.
Er . . . . . . . . . . . . . . . . und hatte kaum geschrieben,
So kam die Post hernach: Nun ist er auch geblieben.
Ach Freund, ach treuer Freund, ach Peterß, hättstu doch
Nur mich nicht so geliebt, ich weis, du lebtest noch,
Denn was nur mir erst hilft (o . . . . . . . . . . Stunde
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .) das geht gewis zu Grunde.
Da lag mein lezter Stab, ich fiel aus Noth in Schuld,
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ungedult
. . . . . . . . . . . . . . . vergaß mich selbst und alles
Und wurde doch aus Zwang die Ursach meines Falles,
Bey dem der Pöbel lacht. Da hies ich nun ein Thor;
Die Pfafen trugen es dem Vater listig vor,
Verschwärzten mich entfernt durch . . . . . . . . Gründe,
Und fremder Neid galt mehr als Bitt und Flehn vom Kinde,
Das gern zum Creuze kroch. Du weist, gelehrter Mann,
Und siehst vernünftig ein, was Aberglauben kan;
Er ist . . . . . der Geiz die schlimmste Pest der Erden
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Und kan . . . . . . . durch nichts besänftigt werden.
Man thu auch, was man will, er schilt aus Eigensinn,
Nennt Beßrung Heucheley, stößt Buß und Thränen hin;
Was einmahl sein Verdacht nur schon vor böß erkläret,
Dem flucht er, bis der Tod den . . . . . . Zorn verzehret.
Ich strauchle freylich scharf, denn auf dergleichen Streich
Geräth kein sichrer Schritt. Der erste Wurf in Teich
Ist aller Kreise Schuld, die aus dem ersten fließen
Und nach und nach mehr Raum im Fortgehn in sich schließen.
Bedenck es nur ein Mensch; der . . . . . . . . wächst,
Seitdem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . lechst;
Ich schmeichle mir in nichts. Mein etwas freyes Leben
Hat auch wohl dann und wann dem Feuer Öl gegeben.
Allein, du lieber Gott, wie leichtlich ist's geschehn!
Die Jugend weis sich ja nicht allzeit vorzusehn.
Verführe Gott so scharf und wollt er ein Verbrechen
Der Übereilung stracks mit Bliz und Donner rächen,
Wie wenig würden alt. Vergebens Hülfe schreyn
Führt gleichfalls, . . . . . . ., gar wenig Ordnung ein.
Wem nichts zurückebleibt, der wird wohl wenig sparen,
Und wer fünf Tag umsonst nach Hofnung ausgefahren,
Der muß, wenn endlich auch der sechste Rath verschaft,
Nothwendig mehr verthun als der, so Blut und Kraft
Bey ordentlicher Kost in gleicher Waage nähret.
Ja, wenn noch überdies der Lästrer Maul beschweret
Und mehr zur Sache fügt und niemand uns verhört,
So wird dadurch gewis die Ungedult vermehrt,
Und manchen, welchem man ein Laster angelogen,
Hat Vorwurf . . . . . . . . hernach zur That gezogen.
Ja, wär auch alles wahr, womit man mich verschwärzt,
So dächt ich, wen darauf ein solches Unglück schmerzt,
Der sey gestraft genug; ich will es keinem gönnen,
Sogar auch denen nicht, die wider mich entbrennen.
Wer gar zu Boden liegt und keinen Arm mehr regt,
Dem wincket man umsonst. Was nüzt es, daß man schlägt?
Man spring ihm lieber bey und heb ihn auf die Sohlen,
So lauft er glücklich fort, das Säumnüß einzuholen.
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Man schreyt mir häufig zu: Verlas die Poesie!
Was kan denn ich davor? So oft ich ihr entflieh,
So oft erhascht sie mich mit allzeit größrer Liebe.
Die Reime feßeln mich, es sind nicht falsche Triebe,
Es ist Natur und Hang, ist wie ein schönes Kind
Des Buhlers leichten Zorn durch einen Blick gewinnt,
So nimmt Calliope die schnelle Flucht gefangen,
Und wär ich noch so weit aus ihrer Schoos entgangen.
Ich weis auch eben nicht, ob sie viel Schaden thu;
Sie bleibt in Noth getreu, sie stellt den Geist in Ruh
Und läst . . . . . . . . . . . . von allen Wißenschaften
Die Anmuth und den Kern im Herzen fester haften.
Man wirft ihr täglich vor, sie hab ein höhnisch Maul,
Wie junge Weiber sind; ihr Scherz ist selten faul,
Sie redet etwas hin und meint es nicht so böse
Und spottet wohl mit Recht, so oft ein neuer Zese
Ihr deutsches Kleid verstellt und wenn es ihr gelingt,
Daß der und jener Thor mit Fleiß ins Neze springt.
Und steht es andern frey, ihr Ungemach zu schrauben,
So kan sie sich wohl selbst die Gegenwehr erlauben.
Was will ihr Tadler mehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Viel Dichter klagen blos, Gedancken anzubringen,
Erbetteln ihren Schmerz, zu dem sie sich erst zwingen,
Von fremder Traurigkeit und weinen künstlich toll
Und glauben selber nicht, was uns bewegen soll.
Wen aber rührt die Qual gemahlter armer Sünder,
Es wäre denn ein Weib und noch nicht trockne Kinder.
Die Noth erklärt sich schlecht und redet, wie sie denckt.
Lis, prüfe, theures Haupt, was hier den . . . . . kränckt.
Die Warheit wird sich hier in keine Larve stecken,
Wohl aber überall ein treues Herz entdecken.
Ich habe nie begehrt, was mehr als Nothdurft heist;
Ein Alter kluger Ruh, das vom Erworbnen speist,
Ist jederzeit mein Wuntsch. Mein Satyr muß oft gähnen,
Wenn Männer zärtlich thun und durch ein thöricht Sehnen
Geschlecht und Bart entweihn. Wie jener Cardinal,
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Der, als ihm Pflicht und Amt das Reisen anbefahl,
Ein Wirthshaus sucht und fand. Man lies ihm reinlich decken,
Die Schüßeln kamen voll und gaben viel zu schmecken.
Doch als kein Käß erschien, der Tisch und Magen schloß,
So fehlte wohl nicht viel, daß nicht sein Auge floß.
Er seufzte nach der Höh und sprach mit Creuz und Seegen:
O Gott, was leidet man nicht deiner Kirche wegen.
Mein Gönner, glaub es mir. Es thut empfindlich weh,
Daß, da ich von Natur nach Lob und Weißheit steh
Und soviel Nacht und Schweiß an freye Künste wende,
Gleichwohl kein glücklich Ziel und angenehmes Ende
Den Vorsaz fruchtbahr macht. Ich schwäch in solcher Zeit
Gesundheit, Geist und Blut und alle Fähigkeit,
Mein anvertrautes Pfund mit Wucher auszubiethen.
Man hat wohl so zu thun, sich vor sich selbst zu hüten,
Daß weder Wahn noch Schein noch blinde Prahlerey
Der Warheit hinderlich, der Einsicht schädlich sey.
Was soll nicht erst geschehn, wenn eußerliche Plagen
Die Kräfte der Vernunft mit . . . . . und Ohnmacht schlagen.
Zu diesem kam die Furcht, die, wo es länger kracht,
Den Muth, der übrig ist, noch gar zu Schanden macht.
Je mehr ein Schneeball rollt, dies wist ihr Schweizerhügel,
Je mehr bekommt er auch vom Laufen Größ und Flügel.
Mein . . . . . . . . ist schon starck, und nach dem Augenschein
Kan wohl mein Untergang nicht gar zu weit mehr seyn.
Jedennoch könt es noch ein . . . . . . . . . . . . hemmen.
Wenn Salz und Feuchtigkeit sich um die Nerven stremmen
Und Blut und Luft verstockt, ist freylich viel Gefahr.
Indeßen läst der Arzt den krancken Leib nicht gar;
Er thut, so viel er weis, das Leben aufzuhalten,
Und muß sein schönes Amt gleichwohl mit Trost verwalten.
Verzweiflen will ich nicht, mein Elend hat Vernunft,
Und dächten Glück und Heil an keine Wiederkunft,
Ja, müst ich Brodt und Licht mit Waßerziehn erschwingen,
Verkürzt ich doch den Schlaf, mich noch emporzubringen.
Es dürfte mancher seyn, der, wenn er erstlich säh,
Mit was vor Ehrligkeit der gute Vorsaz fleh,
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Aus Großmuth und Verstand den Musen Vorschub thäte.
Allein er kennt mich nicht, indem mein arm Geräthe
Der ungezwungnen Tracht den frommen Sinn verstellt.
Dies macht mich liederlich. Die, so vor aller Welt
Von Huren, Sof und Fraß an Händ und Füßen zittern,
Die Weste von Damast mit stummen Schulden füttern,
Dem Nechsten Unrecht thun, mehr plaudern als verstehn
Und allzeit nur dabey wie Drechslerdocken gehn,
Die schielen, wenn man grüßt, verächtlich nach der Seite
Und heißen überall galant- und kluge Leute.
Verzeih mir, großer Mann. Gerechter Schmerz entfährt.
Ich küße dein Verdienst und wär der Huld nicht werth.
Als Fremdling sucht ich längst in Menckens Huld zu kommen,
Als Fremdling hastu mich mit Sanftmuth angenommen.
Dein Nahme trieb mich an. Vor diesem wüntscht ich mir
Nur dieses Glück allein, berühmter Mann, von dir
Und deiner Wißenschaft ein gutes Wort zu heben;
Du aber hast auch gar den Musen Brodt gegeben.
Ist's möglich, daß auch ich der Welt noch nüzen kan,
So gieb mir auch zulezt . . . . . . . . . Mittel an.
Ich will gern alles thun und von der Pique dienen,
Kan endlich nur mein Fleiß bey andrer . . . . grünen.
Man läst den Bäumen Zeit, die Brand und Fäule schwächt,
Und was man Bäumen gönnt, begehr auch ich mit Recht.
Man seh der . . . . . . nach, ich will viel Fehler beßern,
Die . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Auch sag ich dieses nicht, als macht ich Gönnern Müh,
Damit mein . . . . . . durch Fremder Unruh blüh;
Ich hab ein . . . . . Herz, es lernt sich stets bescheiden
Und will, das glaube mir, viel lieber Mangel leiden
Als Gönner . . . . . . . . . beschwerlich seyn
Ein Rath, ein gutes Wort . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Was raubt dir der Verlust? Mich kan . . . . schüzen.
Kein Zuwurf ist so schlecht, er wird mir jezo nüzen,
Mir, welchem alles fehlt, sogar der Glieder Ruh.
Nun ist die Welt mein Haus, die . . . . . . . . . dazu
(Als w . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . hätte)
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Und wirft den krancken Fuß in fremder Luft aufs Bette,
Wo anders Stroh und Holz den weichen Tittel führt.
Und was noch überdies . . . . . . . . . . . . . . . . gebiehrt,
Ist, daß ich um und um auch wider Gottes Ehre
Auf Theurung, Krieg, Accis und . . . . . fluchen höre.
Gott führt mich wunderlich, vielleicht auf deinen Ruhm.
Ist Großmuth und Gedult der Weisen Eigenthum,
So hof ich, dir einmahl auf unsers Pindus Schrancken,
Gelehrter Mäcenat, mein Wohlergehn zu dancken.
Das Glücke sey dein Freund und breite durch dein Haus
Den Seegen des Geschlechts dir noch vor Augen aus
Und laße deinen Sohn, den hofnungsvollen Erben,
An Wachsthum und Verdienst dem Alter Trost erwerben.

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TextGrid Repository (2012). Günther, Johann Christian. An Herrn Johann Burchard Mencken. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-2572-C