[176] Leonore
(Magdalene Eleonore Jachmann)

Dresden August 1719 – Breslau Herbst 1720

[177] [179]Auf der Abreise von Dresden in sein geliebtes Schlesien

Den 2. Sept. An. 1719.


Kommt, tröstet mich, ihr alten Tage,
Und last euch einmahl wiedersehn,
Sonst muß ich bey so scharfer Plage
Den Tod um Hülf und Rettung flehn.
Ihr martert mein bedrängtes Herze,
Ihr seyd es, was mein Leid verstärckt,
Denn wüst ich nichts von eurem Schmerze,
So hätt ich kaum die Noth gemerckt.
Ihr habt mir dort durch Lenchens Küße
Mund, Sehnsucht und Geschmack verwöhnt,
Sobald mir die geneigten Schlüße
Den Weg ins Paradies gebähnt.
Auf Zucker wächst des Wermuths Schärfe
Wie jezt mein Creuz auf eurer Lust;
Denn wenn ich dies in mir entwerfe,
So ächzet die gedrange Brust.
Dort saß ich noch im Rosengarthen,
Dort wüntscht ich nichts als Ewigkeit,
Der süßen Arbeit abzuwarthen,
Mit der mich Lenchens Gunst erfreut.
Dort spielt ich mit dem lieben Kinde
Früh, mittags, abends, durch die Nacht
Und hielt den Augenblick vor Sünde,
Den ich und sie getrennt vollbracht.
Kein Plaz war unserm Lager enge,
Kein Winckel unsrer Lust zu klein,
Wir hatten ganz besondre Gänge
Und nennten Glück und Angst gemein.
Viel Wächter stunden uns im Lichte,
Doch Arglist ward durch List berückt,
[179]
Da wurden die verbothnen Früchte
Mit größrer Sehnsucht abgepflückt.
Wie viel vergnügt- und gute Lieder
Geriethen mir an ihrer Hand!
Ich ging die Weistriz auf und nieder,
Bis daß ich sie am Ufer fand;
Hier scherzten wir in allem Wetter,
Oft eh der Tag die Wolcken brach,
Und rauschten denn die Erlenblätter,
So ahmten unsre Küße nach.
Kehrt, güldne Zeiten, kehrt zurücke
Und führt mich gleich persönlich hin,
Da, wo ich mit entferntem Blicke
Und sehnlichen Gedancken bin.
Wie? Hat mein Wuntsch ein solch Vermögen?
Ich seh, ihr kommt bereits gerand;
Doch nein, ich zieh euch selbst entgegen
Und seh bereits ins Vaterland.
Dies ahnt vielleicht dem holden Kinde,
Weil Neigung die Gemüther zieht;
Wer weis, wie brünstig und geschwinde
Ihr Blick auf alle Straßen sieht!
Mein Engel, las dich nicht verlangen,
Die Freude bringt das Warthen ein,
Es mahlt sich mir auf deinen Wangen
Des beßern Glückes Morgenschein.
Nun gute Nacht, du edles Sachsen,
Behalt die Thränen meiner Qual!
Wie viel davon schon Graß gewachsen,
Das weis dein Speck- und Rosenthal.
Ich will dir gern mein Leid vergeben,
Nur gieb dem kleinen Lorchen Ruh,
Denn weil die Sterne widerstreben,
So sag ich ihm nur Freundschaft zu.
[180]
Du aber, seeliges Gefilde,
Sey hunderttausendmahl gegrüßt!
Nun seh ich, wie gerecht und milde
Des Himmels weise Führung ist;
Nunmehr erfahr ich deßen Freude,
Der dort den Rauch von Ithaca
Nach glücklich überstandnem Leide,
Wie ich mein Striegau, wiedersah.
Du weis- und ewiges Erbarmen,
Das überschwenglich ist und thut,
Vergnüge mich in Lenchens Armen
Und schenck uns nur ein kleines Gut;
Erhalt mir Weißheit, Kunst und Dichten
Und las mich, wenn mein Cörper fällt,
Kein blind und giftig Urtheil richten,
So neid ich keinen auf der Welt.

[181] Ode

Damon.

Als Lenchen noch mit treuem Herzen
Allein an Damons Lippen hing
Und durch kein frech und eitles Scherzen
Bey andren Buhlern naschen gieng,
Da hätt ich mit dem grösten Kayser
Warhaftig keinen Tausch gethan,
Da sah ich auch die reichsten Häuser
Ohn Ärgernüß und Sehnsucht an.
Lenchen.

So lang als Damons rein Gewißen
Mir freundlich unter Augen trat,
So lange noch kein andres Küßen
Dem armen Lenchen Eintrag that,
So lange machte mein Gerüchte
Bey zärtlicher Zufriedenheit
Den Ruhm Penelopens zu nichte;
Allein was ändert nicht die Zeit?
Damon.

Jezt tröst ich mich mit Leonoren
In heiß- und angenehmer Pein,
Mein Vers ergözt ihr Geist und Ohren
Und bringt mir manche Nachtlust ein.
Sie ist ein Kind von edlen Sitten,
Und eh ich sie verlieren kan,
Eh will ich selbst den Himmel bitten,
Er fang an mir die Trennung an.
Lenchen.

Mich feßeln auch Selanders Blicke,
Und ihn entzückt mein weicher Arm,
Die Eintracht schenckt uns Ruh und Glücke
Und macht uns unter Rosen warm.
Ich weis, wie viel ich an ihm habe,
Wir sind ein Herz und auch ein Sinn;
Erlöst ich ihn dadurch vom Grabe,
So fiel ich selber zehnmahl hin.
[182] Damon.

Wie, wenn ich Leonoren haste?
Wie, wenn ich dich, mein erstes Licht,
Mit neuer Reu und Huld umfaste?
Ach, alte Liebe rostet nicht.
Wie, wenn es zur Versöhnung käme
Und Lenchen vor Selanders Brust
Den treuen Damon wieder nähme?
Ein kurzer Krieg mehrt oft die Lust.
Lenchen.

So scharf ich gegen ihn entbrenne,
So schön, galant und treu er ist,
So gut ich deine Regung kenne
Und weis, was vor ein Rohr du bist,
So wenig kan ich mich bezwingen,
Dem Damon länger gram zu seyn.
Komm, las uns miteinander singen:
Ich leb und sterbe dir allein.

[183] Ode an seine harte Schöne

O geh nur, harter Sinn, begieb dich außer Landes,
Fleuch an das Eußerste des kalten Cymberstrandes,
Fleuch hin, wo Sonn und Tag des Jahres einmahl wacht,
Du solt mich folgen sehn, und wenn mich Frost und Klagen
Vor deiner Thür erstickt, mit schwerem Herzen sagen:
Das hätt ich nicht gedacht.
Allein, verstocktes Herz, das läst sich leicht gedencken,
Du hörest Tag und Nacht mein ungewöhnlich Kräncken,
Du siehst mich schwach und blos vor Haus und Fenster stehn,
Der Nordwind pfeift ums Dach und heulet in den Linden,
Ich lieg auf Eiß und Schnee, die mehr als du empfinden
Und selbst vor Leid zergehn.
Ach, grausam schönes Kind, ach las den Hochmuth fahren,
Die Lieb ist Stolzen gram und stürzt sie mit den Jahren,
Es ist noch kurze Zeit, so wendet sich das Blat;
Du folgst Penelopen, ja, folg ihr auch am Stande,
Die wegen seiner Höh und ihres Ehherrn Schande
Zu halten Ursach hat.
Denn ob gleich, gutes Kind, die Klug- und Schönheitsgaben
Der Mutter aller Welt dein Herz bereichert haben,
Obgleich kein heißes Flehn dies Herz in Feßel bringt,
Obgleich dein Angesicht im ersten Lenze grünet
Und Kunst und Wißenschaft, so treu sie dich bedienet,
Nur tauben Ohren singt:
So spotte darum nicht, du solt es näher geben,
Es bleibt nicht immer so, ich will es wohl erleben,
Daß Iris, die jezt lacht, sich selber strafen soll;
Wie manche ward vor dir von Freyern hochgepriesen!
Jezt macht ihr Schimpf den Korb, mit dem sie viel verwiesen,
An Flederwischen voll.

[184] An sein Lenchen

Nach so viel Angst und Neid und mancher trüben Nacht
Ersah ich wiederum des Glückes Morgenröthe.
Auf, Musen, auf und sucht die lang entrißne Flöthe,
Die uns in Schweidniz einst den Abend kurz gemacht!
Ihr habt mit mir geweint, ihr sollt auch mit mir singen
Und Lenchens Gegenwart mit Treu und Lust umringen.
Ach Kind, ach liebstes Kind, ach, könt es möglich seyn,
Dies mein getreues Herz im Blute zu erblicken,
Sein Jauchzen müste dich noch halb so scharf entzücken;
So viel hier Tropfen gehn, so viel auch Wüntsche schreyn,
Dir mit geschickter Hand und tausend Freudenzähren
Die Wollust über dir nachdrücklich zu erklären.
Ich hatte mich nunmehr des Glückes längst verziehn,
Noch einmahl auf der Welt mein Lenchen zu umfangen,
Ich ward in fremder Luft von Freunden hintergangen
Und muste blos und arm bald hier- bald dorthin fliehn;
Die Trübsahl machte mich durch Läng und Größe mürbe,
So daß ich ofters sprach: Ach, gäbe Gott, ich stürbe!
Es wär auch bald geschehn: die Kräfte fielen hin,
Das Fieber grif mich an und warf mich auf das Bette;
Da wüntscht ich, daß ich nur dein Abschiedsmäulchen hätte;
Doch sprach ich: Da ich schon dazu versehen bin,
So las doch nur, mein Gott, nebst viel- und wahrem Seegen
Das Alter, so mir fehlt, zu Lenchens Jahren legen!
Gott hat mich noch so lieb und will dir, werthes Herz,
Das Leben durch mein Grab noch nicht so elend machen.
Verbanne deinen Gram, fang an, aufs neu zu lachen,
Verkläre Blick und Mund mit Freundligkeit und Scherz,
Damit mir, wenn ich dich in nechstem Tage spreche,
Dein Unmuth alle Lust nicht wider Willen schwäche.
[185]
Dies ist der vierte Herbst, seit dem ich dich entbehrt;
Was hab ich in der Zeit vor Ungemach erlidten!
Was hat man nicht auf mich vor Creuze zugeschnidten!
Welch Arbeit hat mir nicht der Glieder Marck verzehrt!
Was hat man mir vor Schimpf statt Wohlthat zugemeßen!
Gnug! Da ich Lenchen seh, sey alles gern vergeßen.
Ach aber, was vor Furcht verringert mir die Lust?
Ach, kräh ich auch zu früh? Ach, werd ich auch betrogen?
Wer weis, ist nicht dein Schwur mit Zeit und Wind verflogen?
Wer weis, steht Günther noch in jener Schwanenbrust?
Vielleicht war meine Noth und langes Außenbleiben
So mächtig, Lenchens Herz in andre Brunst zu treiben?
Dies glaub ich doch wohl nicht. Nein, falscher Argwohn, fleuch!
Sie ist mir zu genau mit Wort und Fleisch verbunden;
Ich habe sie geprüft und allzeit rein befunden,
Und darum hof ich auch ein irdisch Himmelreich,
Wenn endlich Gott und Zeit die Sehnsucht stillen wollen
Und unsre Glieder sich in Myrthen paaren sollen.
Man lacht uns beiderseits, geliebter Engel, aus,
Warum ich armes Kind dich armes Kind erwehle;
Man meint, wo Liebe nicht die güldnen Ringe zehle,
Da komme nach und nach der Mangel in das Haus.
Doch las dich, treues Herz, den blinden Wahn nicht irren;
Gott kan den Rechnungsschluß der Spötter leicht verwirren.
Ich hab es oft gesagt und sag es noch einmahl:
Ich wollte, bliebe mir kein beßer Glück auf Erden,
Bey Salz und Brodt mit dir in Hütten seelig werden
Und halt ein großes Gut im Lieben nur vor Qual.
Mein Fleiß wird endlich auch nach so viel naßen Tagen
Mit Ruhm und Anmuth blühn und reife Früchte tragen.
Gedencke nur zurück und sieh die Schwester an;
So wie ich prophezeit, so ist es auch ergangen.
[186]
Was hilft ihr aller Prast von Kleidern, Perl- und Spangen,
Wenn kein geruhig Herz davon genießen kan?
Ihr Kuß ist lauter Gift, ihr Ehbett eine Hölle,
Und wo ihr Mann nur weicht, füllt Schimpf und Groll die Stelle.
Nur bitt ich, trau nechst Gott sonst keiner Seel als mir!
Du bist mein Schaz und Ruhm, dich will ich auch beschüzen.
Las fahren, was nicht bleibt, las Tadler Pfeile schnizen;
Kein Blutsfreund ist so nah, er schadet mir und dir;
Gott räche mit Gedult und Ablas ihre Sünden,
Wir werden unsern Herd ohn ihren Vorschuß finden.
Ach, breite zum Voraus Hand, Lippen, Brust und Arm,
Ich komm und zitter schon vor Unruh und Verlangen,
Dich, längst erwehltes Herz, von neuem zu umfangen,
Und werde durch ein Bild schon in Gedancken warm.
Ach Himmel, mache bald, damit sie mich entzücke:
Vor zehlt ich Jahr und Tag, jezt Stund und Augenblicke.

[187] Als er 1719. D. 25. September wieder nach Schweidniz kam

Du ehmahls liebster Ort der treuen Leonore,
Wie zärtlich rührt mich nicht der Anblick deiner Thore,
Wodurch ich damahls oft an ihrer Hand spaziert!
Dort merck ich schon den Raum, worauf wir uns versprochen,
Dort blickt der Altan vor, auf dem wir sechzig Wochen
Die Wächter hinters Licht geführt.
Seyd tausendmahl gegrüßt, ihr Felder, Sträuch und Bäume;
Ihr kennt wohl diesen noch, von dem ihr so viel Reime,
So manches Lied gehört, so manchen Kuß gesehn;
Besinnt euch auf die Lust der heitern Sommernächte!
Was meint ihr, wenn mein Wuntsch nur eine wiederbrächte?
Das wird wohl nimmermehr geschehn.
Wo find ich aber nun mein Allerliebstes wieder?
Verräth mir gar kein Graß das Lager ihrer Glieder?
Ich spüre keinen Schritt, die Sommerstub ist leer.
Wie traurig scheinstu mir, du nicht mehr schöner Garthen!
Du hast ja zween gehabt, was soll ich einsam warthen?
Ach, stell auch beyde wieder her!
Du schickst mich in die Stadt; die tref ich desto schlimmer:
Der Wirth, das Volck ist neu, ein Gast entweiht das Zimmer,
Worein sonst nichts als wir und unsre Liebe kam.
Mein Gott, wie ändert sich so viel in wenig Jahren!
Was wird nicht noch geschehn? O sollt ich dies erfahren!
Wie war mir, daß ich Abschied nahm!
Ich geh den Tempel aus, ich suche durch die Gaßen,
Ich such auch, wo sie sich wohl niemahls finden laßen,
Ich ruf ihr um den Wall, der Wall hat schlecht Gehör.
Steig, Schweidniz, steig und sey ein Phoenix in den Flammen,
Bau Marmor, Erz und Gold und Schloß und Thurm zusammen,
Mir bistu doch nicht Schweidniz mehr.

[188] An seine Leonore die immer grünende Hofnung

Stürmt, reißt und rast, ihr Unglückswinde,
Zeigt eure ganze Tyranney!
Verdreht, zerschlizt so Zweig als Rinde
Und brecht den Hofnungsbaum entzwey!
Dies Hagelwetter
Trift Stamm und Blätter,
Die Wurzel bleibt,
Bis Sturm und Regen
Ihr Wüten legen,
Da sie von neuem grünt und Äste treibt.
Mein Herz giebt keinen Diamanten,
Mein Geist den Eichen wenig nach;
Wenn Erd und Himmel mich verbannten,
So troz ich doch mein Ungemach.
Schlagt, bittre Feinde,
Weicht, falschen Freunde!
Mein Heldenmuth
Ist nicht zu dämpfen,
Drum will ich kämpfen
Und sehn, was die Gedult vor Wunder thut.
Die Liebe schenckt aus göldnen Schaalen
Mir einen Wein zur Tapferkeit,
Sie spricht, mir guten Sold zu zahlen,
Und schickt mich in den Unglücksstreit.
Hier will ich kriegen,
Hier will ich siegen;
Ein grünes Feld
Dient meinem Schilde
Zum Wappenbilde,
Bey dem ein Palmenbaum zwey Ancker hält.
[189]
Beständig soll die Losung bleiben:
Beständig lieb ich dich, mein Kind,
Bis dermahleinst die Dichter schreiben,
Daß du und ich nicht sterblich sind.
Das Wort Beständig
Macht alles bändig,
Was Elend heist;
Das stärckste Fieber
Geht bald vorüber,
Wenn man nur mit Gedult den Frost verbeißt.
Nur zweifle nicht an meiner Treue,
Die als ein ewig helles Licht,
Wenn ich des Lebens mich verzeihe,
Die Finsternüß der Gräber bricht.
Kein hartes Glücke,
Ja kein Geschicke
Trennt mich von dir;
Du stirbst die Meine,
Ich bin der Deine,
Drum wirf den Argwohn weg und glaube mir!

Eher todt als ungetreu

Eher todt als ungetreu!
Dieser Leichentext soll zeigen,
Daß ich, wenn die Wetter steigen,
Gleichwohl Leonorens sey.
Eher todt als ungetreu!
Soll ich dich, mein Kind, nicht heben,
Halt ich alle Lust im Leben
Vor des Himmels Tyranney.
[190]
Eher todt als ungetreu!
Was gewinnt man auf der Erden?
Hofnung, Kummer und Beschwerden
Und zulezt nur späte Reu.
Eher todt als ungetreu!
Irrthum, Sehnsucht und Gedancken
Reißen durch der Jugend Schrancken
Unsre Freude bald vorbey.
Eher todt als ungetreu!
Treue Liebe läst die Plagen
Böser Zeiten noch ertragen
Und erquickt in Sclaverey.
Eher todt als ungetreu!
Du mein Schaz und ich dein Glücke,
So verlachen wir die Stricke
Der vergällten Heucheley.
Eher todt als ungetreu!
Neid und Pöbel kan nicht faßen,
Wenn wir ihm die Güter laßen,
Wie so wohl uns beiden sey.
Eher todt als ungetreu!
Tröste dich mit diesem Spruche,
Neh ihn auf dem Leichentuche
Neben unser Conterfey.
Eher todt als ungetreu!
Glaube das, du treue Seele,
In der finstern Grabeshöhle
Schläft mir auch dein Schatten bey.

[191] Als er sich der ehemals von Flavien genoszenen Gunst noch erinnerte

Erinnert euch mit mir, ihr Blumen, Bäum und Schatten,
Der oft mit Flavien gehaltnen Abendlust!
Die Bäche gleißen noch von Flammen treuer Brust,
In der wir werthes Paar des Himmels Vorschmack hatten.
O göldne Frühlingszeit! Mein Herz, was kommt dir ein?
Du liebest Flavien, sie ist ja nicht mehr dein.
Hier war es, wo ihr Haupt mir oft die Achsel drückte,
Verschweigt, ihr Linden, mehr, als ich nicht sagen darf;
Hier war es, wo sie mich mit Klee und Quendel warf
Und wo ich ihr die Schoos voll junger Blüthen pflückte.
Da war noch gute Zeit. Mein Herz, was kommt dir ein?
Betrübt dich Flavia? Sie ist ja nicht mehr dein.

An Leonoren, als er sie nach 4 Jahren wieder das erste Mahl empfing

Breßlau, d ... December 1719.


Die Regung ist zu scharf, ich muß dich stumm empfangen,
Ein Blick, ein Druck, ein Kuß vertritt der Zunge Pflicht.
Ihr Jahre, die ihr spät und unter Noth vergangen,
Verzeiht mir jeden Fluch, ich klag euch weiter nicht.
Ach, macht das Wiedersehn dergleichen süßes Leben,
So las dir doch, mein Kind, noch ofters Abschied geben.

[192] Schreiben an seine Leonore

Von Breßlau A. 1719. den 22. Decembr.


Ach Kind, ach liebstes Kind, was war das vor Vergnügen!
Der Himmel geb uns doch dergleichen Nächte viel
Und las uns so vertraut bis an das lezte Ziel
Mit Brust und Geist vermehlt in Eintrachtsbanden liegen;
Denn außer jener Welt und ohne diese Lust
Ist doch wohl der Natur kein größrer Schaz bewust.
Wir spielen unverstört mit Redligkeit und Küßen,
Wir haben gleichen Sinn, wir wüntschen einerley,
Sind Sclaven süßer Macht, und niemand lebt so frey;
Wir schwazen, daß uns auch die Worte mangeln müßen,
Wir schencken uns an uns und nähmen, könt es seyn,
Als Seelen wahrer Treu nur einen Cörper ein.
Uns darf kein Modebrief kein Ehverlöbnüß stiften,
Kein Kuppler und kein Geld verbindet unsre Glut,
Dein Mahlschaz ist mein Herz, dein Herz mein Heiratsgut
Und unser beider Ruhm die Dichtkunst meiner Schriften,
In welchen Lieb und Scherz so lange Lob gewinnt,
Als Kunst und Wißenschaft in Deutschland fruchtbahr sind.
Wir haben unsern Bund die Zeit bewähren laßen;
Vor dich ist auf der Welt kein beßrer Mann als ich,
Ich find auch auf der Welt kein treuer Weib als dich,
Wir müsten sonder uns das beste Leben haßen;
Da, wo ich dich nicht seh, da ist mir alles leer,
Und wenn es auch der Schwarm des grösten Hofes wär.
Versuchte mich Eugen und böthe mir der Kayser
Vor dich, du frommes Kind, Gold, Thron und Purpur an,
So spräch ich, wie ich dir mit Warheit schwören kan:
Ich ehre, großer Held, die vielen Siegesreiser,
Ich weis auch, großer Carl, was Macht und Cronen sind –
Behaltet, was ihr habt, und last mir nur mein Kind!
[193]
Geseegnet sey der Tag, geseegnet sey die Kammer,
Der unsern Bund gesehn, die unsern Kuß gehört!
Wer jenen durch Verdruß und die mit Fluch entehrt,
Dem mach ein böses Weib den Ehstand voller Jammer.
Geseegnet sey auch gar der Kummer und der Neid,
Der wegen deiner Gunst mir manchen Stoß verleiht!
O könt ich doch, mein Kind, in allen Sprachen dichten
(So wüntsch ich dann und wann wie einst Petrarchens Mund),
So thät ich deinen Werth den meisten Ländern kund,
So lies ich jedes Volck von unsrer Liebe richten;
Die Klügsten würden sehn, wie zärtlich meine Treu,
Wie redlich meine Brust, wie rein dein Herze sey.
Ich thu, so viel ich kan, dein Denckmahl auszubreiten,
Um bey der späten Welt durch deinen Ruhm zu blühn;
Wie mancher wird noch Trost aus meinen Liedern ziehn,
Wie manchen wird mein Vers zur süßen Regung leiten!
So merck ich, wenn mein Mund der Alten Arbeit list,
Daß unsre Liebe schon vordem gewesen ist.
Was hat wohl unser Wuntsch mehr auf der Welt zu suchen,
Und welches Glück ist noch wohl unsers Neides werth?
Wenn mir des Himmels Huld dich vollends ganz gewährt,
So wüte Feind und Groll, so mag der Spötter fluchen;
Drey Dinge sind mein Trost: Gott, Wißenschaft und du;
Bey diesen seh ich stets den Stürmen ruhig zu.

[Mein Herz, was fangen wir noch miteinander an?]

[194] . . . . . . . . . . . . . . . .

Breßlau, den 25. December 1719.


Mein Herz, was fangen wir noch miteinander an?
Es scheint, wir werden bald dem Kummer weichen müßen;
Vor alles, was wir sonst dem Nechsten Guts gethan,
Muß unsre Redligkeit mit Noth und Elend büßen.
Die Weißheit bringt kein Brodt, die Arbeit keine Lust,
Uns jagt des Himmels Zorn durch Ruthen, Land und Jahre.
Ein Fehltritt, den du nur aus Übereilung thust,
Wird, ob er dich gleich reut, ein neuer Schritt zur Baare.
Der Eltern Angst ist dein, der Schwester Gram trift mich;
Die Lästrer plagen uns mit unverschämten Zungen,
Die Armuth macht mich auch den Thoren lächerlich,
Und was nur Schaden bringt, das wird mir aufgedrungen.
Du kanst das von Natur dir anvertraute Pfund
Aus Mangel hoher Gunst auf keinen Wucher legen;
Kein Zufall macht den Werth von meinem Wißen kund,
Und was dir gütig scheint, wird elend meinetwegen.
Man würdigt meine Noth der Untersuchung nicht,
Die Spötter nennen sie theils Strafe, theils Gedichte;
Und wer in Gegenwart auch noch so freundlich spricht,
... mir hinterwärts ein ... Gerichte.
Nunmehr ist endlich auch der Jahre Lenz vorbey;
Wem will ein solches Creuz nicht die Gedult ermüden?
Die Musen sind mir hold, und Lorchen bleibt noch treu,
Mein Herz, was wiltu mehr? Ich gebe mich zufrieden.

[195] An Leonoren

Ach Kind, verschone mich in dir
Und las mich unbetrübt von hier!
Was quälstu dich mit so viel Thränen?
Es sind die Kräfte meiner Brust.
Ach, hastu denn bey so viel Sehnen
Noch gar zu meiner Ohnmacht Lust?
Ich bin wohl so genug geplagt,
Verfolgt, verleumdet und verjagt,
Und du wilst noch die Angst verstärcken?
Was Günther fühlt, das weis sein Herz,
Ich las es kaum die Hälfte mercken,
Sonst macht ich dir noch schärfern Schmerz.
Du bist ja meiner Treu gewis,
Dies ist ein Band vor diesen Riß,
An dem die Hofnung auch schon heilet.
Ach, mildre doch nur den Verdruß,
Dieweil die Zeit, so jezo theilet,
Uns endlich wieder binden muß.
Gesezt, du würdest ungetreu,
Wovor doch Glück und Himmel sey,
Ich könte dich unmöglich haßen;
Mir wär es zwar die ärgste Pein.
Hat sie dich, dächt ich, doch verlaßen,
Will ich um desto treuer seyn.
Ich weis, man tadelt mich darum;
Der schilt mich weibisch, jener tumm.
Die Großmuth adelt mein Gemüthe,
Und daß ich zärtlich lieben kan,
Das nehm ich von des Schöpfers Güte
Wohl vor die gröste Wohlthat an.
[196]
Sey arm, verlaßen und veracht,
Verliere, was gefällig macht,
Las Zahn und Farb und Jugend schwinden,
Du bleibst in meinen Augen schön
Und solt sie allemahl entzünden,
So lange sie noch ofen stehn.
Ein Augenblick der süßen Zeit,
In welchem mich dein Scherz erfreut,
Gilt mehr als alle Freudenfeste,
Wo Dresden, jezt die halbe Welt,
Das Herz der hohen Hochzeitgäste
Mit tausend Wollust unterhält.
Der Frühling ist nun nicht mehr weit;
Spazier in grüner Einsamkeit
In euren schönen Erlengängen
Und denck in allem Ungemach,
So sehr dich Neid und Freunde drängen,
Den oft gegebnen Lehren nach.
Dort soll der jungen Vögel Schreyn
Die Botschaft meiner Sehnsucht seyn,
Und scherzt der West mit Kleid und Wangen,
So wiß und glaube sicherlich:
Er meldet dir mein heiß Verlangen
Und küst dich tausendmahl vor mich.

[197] An Leonoren

Ich nehm in Brust und Armen
Den schweren Abschiedskuß.
Der Himmel hat Erbarmen,
Indem er trennen muß.
Ich küß, ich wein und liebe,
Mein treues Lorchen spricht,
Sie habe gleiche Triebe;
Wie aber, weint sie nicht?

Leonorens Antwort:


Du suchest ja dein Glücke,
Das hier wohl nicht mehr blüht.
Ich haße das Geschicke,
Das uns vonsammen zieht.
Ach, sähstu meine Schmerzen –
Ich schweige, werthes Licht;
Ich liebe dich von Herzen,
Und darum wein ich nicht.

[198] An Leonoren

Gedenck an mich und sey zufrieden
Mit dem, was Glück und Zeit bescheert;
Wir werden noch einmahl geschieden
Und scheinen solcher Prüfung werth.
Die wahre Treu erinnert dich:
Halt an, halt aus und denck an mich!
Gedencke der vergangnen Tage,
Wie manches Creuz, wie manche List,
Wie manche Lust, wie manche Plage
Bereits damit vergangen ist;
Gedenck an Altan, Hof und Herd,
Wobey sich dir mein Herz erklärt.
Gedenck an unser Abschiednehmen,
Insonders an die lezte Nacht,
In der wir mit Gebeth und Grämen
Die kurzen Stunden hingebracht;
Gedenck auch an den treuen Schwur,
Der dort aus deinen Lippen fuhr.
Gedenck an mich an jedem Morgen
Und wenn die Sonne täglich weicht,
Gedenck an mich bey Fleiß und Sorgen,
Mein Bildnüß macht sie süß und leicht.
Verlezt dich auch der Misgunst Stich,
Der beste Trost: Gedenck an mich.
Gedenck auch an die frohen Zeiten,
Die noch in Wuntsch und Zukunft sind;
Die Vorsicht wird uns glücklich leiten,
Bis Lieb und Treu den Kranz gewinnt.
Ein Augenblick vergnügter Eh
Bezahlt ein Jahr voll Angst und Weh.
[199]
Gedenck auch an mein heutig Küßen,
Es giebt der Hofnung frische Kraft,
Es wird dein Warthen trösten müßen,
Es nährt die alte Leidenschaft;
Doch denck auch endlich, liebstu mich,
Allzeit und überall an dich!

[200] An Leonoren bey dem andern Abschiede

Du daurest mich, du allerliebstes Kind.
Du fühlst mein Weh, ich leide deine Schmerzen,
Da Glück und Zeit so lange grausam sind
Und mit dem Flehn getreuer Seelen scherzen;
Du leidest viel, doch gieb der Treu Gehör:
Ich leide mehr.
Ich leide mehr, als jemand kan und glaubt,
Ich muß von dir, der Riß macht schwere Plagen;
Ich seh den Trost, den dir mein Abschied raubt,
So wird mein Herz auch zweyfach wund geschlagen,
Du liebest mich so wohl getreu als klug,
Das ist genug.
Das ist genug, die Unruh zu verstehn,
Die Lorchen kränckt und mich in ihr verzehret;
Ach, sollt ich bald davor zu Grabe gehn,
Ich würde wohl so heftig nicht beschweret.
Wer weis, was kommt! Vielleicht beschliest der Tod
Die lange Noth.
Die lange Noth ist dennoch nicht so starck,
Uns, werther Schaz, dem Geiste nach zu trennen.
Erwarth ich mir statt deiner Schoos den Sarg,
So soll mir doch der Neid den Nachruhm gönnen,
Daß leicht kein Mensch so rein als ich geliebt,
Obgleich betrübt.
Obgleich betrübt, jedennoch unverzagt.
Der Himmel zürnt, wer will mit diesem zancken?
Wohin mich auch mein hart Verhängnüß jagt,
Da bleibest du ein Trostbild der Gedancken;
Wirst du mir nicht, so haß ich Lieb und Eh.
Nun, Kind, ich geh.
[201]
Nun, Kind, ich geh. Geh auch und nimm den Kuß,
Wir martern nur einander durch dies Lezen.
Ich zwinge mich, den ungewißen Fuß,
Den du verweilst, Gott weis wohin zu sezen;
Das Unglück stürmt, die Lästrer stimmen ein,
Ergieb dich drein!
Ergieb dich drein! Es bliz auch nah und fern;
Ein schneller Wind kan leicht das Wetter ändern.
Mein Vaterland versagt mir Glück und Stern,
Dies blüht vielleicht in unbekandten Ländern.
Mein Fleiß ist froh, nur dich noch zu erhöhn,
Viel auszustehn.
Viel auszustehn und gleichwohl frey zu seyn,
Vermag kein Geist, den Lieb und Ruhm nicht stärcken.
Kind, gute Nacht! Mein Anblick mehrt die Pein,
Ich kan die Angst an Farb und Sprache mercken.
Sieh mich noch an und lebe wohl und sprich:
Du daurest mich.

[202] An seine Leonore

Bistu denn noch Leonore,
Der so manch verliebter Schwur
(Sinne nach, bey welchem Thore!)
Unter Kuß und Schmerz entfuhr,
Ach, so nimm die stummen Lieder
Eben noch mit dieser Hand,
Die mir ehmahls Herz und Glieder
Mit der stärcksten Reizung band.
Durch dein sehnliches Entbehren
Werd ich vor den Jahren grau,
Und der Zufluß meiner Zähren
Mehrt schon lange Reif und Thau;
Meine Schwachheit, mein Verbleichen
Und die Brust, so stündlich lechst,
Wird des Kummers Siegeszeichen,
Der aus unsrer Trennung wächst.
Lust und Muth und Geist zum Dichten,
Feuer, Jugend, Ruhm und Fleiß
Suchen mit Gewalt zu flüchten
Und verlieren ihren Preis,
Weil der Zunder deiner Küße
Meinen Trieb nicht mehr erweckt
Und die Führung harter Schlüße
Ein betrübtes Ziel gesteckt.
Alle Bilder meiner Sinnen
Sind mir Eckel und Verdruß,
Da sie nichts als Gram gewinnen,
Weil ich dich noch suchen muß;
Nichts ergözt mich mehr auf Erden
Als das Weinen in der Nacht,
Wenn es unter viel Beschwerden
Dein Gedächtnüß munter macht.
[203]
Jedes Blat von deinen Händen
Ist ein Blat voll Klag und Weh,
Und ich kan es niemahls wenden,
Daß kein Stich ans Herze geh;
Die Versichrung leerer Zeilen
Giebt den Leibern wenig Kraft,
Welche Luft und Ort zertheilen.
O bedrängte Leidenschaft!

[204] Bey der Wiederkunft der Nacht auf den 2. April

1720. in Lauban


Ach, kan Natur und Jahr dich ja nicht ganz vermißen,
So schleich doch unvermerckt, du sonst beliebte Nacht,
Und las mich jezt nur nichts von Lust und Schweidniz wißen,
Bis daß ein beßrer Stern die Ankunft froher macht.
Ich bin ja nicht geschickt, dich würdig zu empfangen,
Ich kan dir nicht mit Wein wie sonst entgegen gehn;
Du siehst den Tempel an, er ist mit Flor umhangen,
Und vor den Perlenschmuck gesalzne Thränen stehn.
Ich kenne dein Verdienst so gut als meine Pflichten,
Du hast mir auf der Welt den grösten Wuntsch erfüllt,
Und da fast alles schwur, den Anschlag zu zernichten,
Mit Leonorens Gunst viel süße Furcht gestillt.
Der Sieg, den Höchstädt gab, gebahr viel Jubelpsalmen,
Doch dacht ich, als mein Flehn die Schönheit überwand:
Eugen und Marlborough, behaltet eure Palmen,
Die Liebe wirft sie mir viel reicher in die Hand.
Die Beute, so euch schmückt, ist oft verbannte Wahre,
Der Lorbeer und der Ruhm mit Blut und Zorn befleckt;
Ihr rühmt des Friedens Frucht, ja warthet wenig Jahre,
Wer weis, wie bald der Wurm in ihrer Blüthe steckt!
Mir flicht die Ehrligkeit die immer grünen Kränze,
Die Wollust kluger Treu ist über allen Werth,
Der frische Myrthenzweig, in dem ich heute glänze,
Verlacht den Bliz, der oft in eure Lorbeern fährt.
Die Hofnung triumphiert auf Leonorens Küßen,
Wozu der volle Mund bequeme Lippen trägt,
Von nun an ist sie mein und wird's auch bleiben müßen,
So lange sich noch Blut in beider Adern regt.
[205]
Die Ferne zeigt mir schon mein Paradies auf Erden,
Und ob es gleich mein Fleiß noch sieben Jahr verschiebt,
So sollen diese doch zu einzeln Tagen werden;
Was fällt wohl einem schwer, der solche Rahel liebt?
Sie wird mir auch entfernt die Sorgen leichter machen,
Ihr Bildnüß wird ein Trost zu Kunst und Weißheit seyn,
Und wenn Vernunft und Sinn bey klugen Schriften wachen,
Den Geistern und der Lust viel Nahrungssaft verleihn.
Gelang ich auch hernach zum vorgesteckten Ziele,
So wird mein süßer Lohn in ihrem Schooße ruhn;
Da soll die Zärtligkeit von unserm Liebesspiele
Der Jugend Blumen streun, dem Alter gütlich thun.
Schau, seegensvolle Nacht, wie viel du mir gewonnen;
Doch glaube dies dabey, du kommst mich hoch zu stehn.
Was hab ich nicht geseufzt, gedichtet und gesonnen,
Wie ofters must ich nicht zu Bette wachen gehn!
Und durft ich auch darum nicht erst Philister schlagen,
Noch dies mein goldnes Vlies von Drachenglut befreyn,
Ich muste dennoch wohl viel schwere Streiche wagen;
Wer kennt, was Lieben ist, der weis auch deßen Pein.
Was ist es nicht vor Qual, drey Vierthel Jahr zu schweigen,
Wenn Gegenwart und Wort die stumme Lieb erhizt,
Wie viel bedarf es Kunst, die Flammen recht zu zeigen,
Was fühlt man, wenn das Kind dem andern näher sizt!
Jedoch ein Augenblick macht aller Müh vergeßen;
Ja, seegensvolle Nacht, dies that dein Augenblick,
Ich kan das süße Wort nicht oft genug ermeßen:
Behalt, mein Kind, das Herz, ich will es nicht zurück.
O seegensvolle Nacht, nun zieh ich dir zu Ehren
Den Mond der Sonne vor, so blaß er immer scheint;
[206]
Dein Schatten müße nichts von Mord und Schröcken hören,
Und was gebohren wird, das sey dem Glück vereint!
Dein helles Abendroth begleit' ein froher Morgen,
Dein Thau sey Engelbrodt, dein Einfluß Fruchtbarkeit;
Es schände dich kein Geiz mit ungerechten Sorgen,
Dein Denckmahl dringe sich durch aller Zeiten Zeit!
Dein freundlicher April sey Herr von seines gleichen!
Verliebte, zehlt von ihm des Jahres Circkellauf!
Er las ihm Herbst und Lenz Geschmack und Farben reichen
Und thu dem Nahmen nach des Jahres Vorrath auf!
Nach jener, die vordem das Licht der Welt gegeben,
Bist du mir allemahl die schönste Finsternüß;
O warum fing ich doch in dir nicht an zu leben!
Es war ein kurzer Raum, der diesen Wuntsch zerriß.
Ich feyre Jahr vor Jahr in dir das Fest des Bundes
Und opfre, was und wie Gelübd und Recht versprach,
Mit Bechern auf das Heil des allerliebsten Mundes,
Aus dem das freye Ja mit keuschem Zittern brach.
Nur heuer weis ich dich nicht würdig zu empfangen,
Hier, wo ich Fremdling bin und Noth Calender macht;
Das Glücke sündigt nur, nicht aber mein Verlangen,
Drum schleich nur unvermerckt, du sonst beliebte Nacht!

[207] Als er sie mit einer Bitte beschwerte

Ich thu vor diesmahl was, das mir noch weher thut,
Als wenn ich mich gleich selbst ins Herze stoßen müste;
Du Himmel weist es wohl, wenn die es gleich nicht wüste,
Die jezt mein Wuntsch beschwert und die mein treues Blut
Vielleicht zwar etwas kennt, doch noch nicht recht erkennet,
Daß kein genieslich Docht bey meiner Liebe brennet.
Indeßen, da die Noth das Eußerste befiehlt,
Zu wem soll ich wohl sonst die lezte Zuflucht nehmen,
Da Eltern, Freund und Neid mich überall beschämen
Und so viel Ärgernüß mit meinen Thränen spielt?
Und würd auch dir, mein Kind, mein redlich Herz verdächtig,
So faß ich mich hiermit: Der Himmel ist noch mächtig.
Die Schwermuth schlägt die Feder hin
Und schreibt nichts mehr als: Leonore!
Gedenck an Schweidniz, Roschkwiz, Bore;
Dies, was ich dort gewesen bin,
Das werd ich ewig seyn und bleiben.
Und läst mich auch zulezt dein Herz,
So soll vor deinen Kuß der Schmerz
Mir noch den kurzen Rest der Zeit mit Lust vertreiben.

[208] An Leonoren

Mein Kummer weint allein um dich,
Mit mir ist's so verloren,
Die Umständ überweisen mich,
Ich sey zur Noth gebohren.
Ach, spare Seufzer, Wuntsch und Flehn,
Du wirst mich wohl nicht wiedersehn
Als etwan in den Auen,
Die Glaub und Hofnung schauen.
Vor diesem, da mir Fleiß und Kunst
Auf künftig Glücke blühte
Und mancher sich um Günthers Gunst
Schon zum Voraus bemühte,
Da dacht ich, wider Feind und Neid
Die Palmen der Beständigkeit
Mit selbst erworbnem Seegen
Dir noch in Schoos zu legen.
Der gute Vorsaz geht in Wind;
Ich soll im Staube liegen
Und als das ärmste Findelkind
Mich unter Leuten schmiegen.
Man läst mich nicht, man stöst mich gar
Noch stündlich tiefer in Gefahr
Und sucht mein schönstes Leben
Der Marter preiszugeben.
So wird auch wohl mein Alter seyn;
Ich bin des Klagens müde
Und mag nichts mehr gen Himmel schreyn
Als: Herr, nun las im Friede!
Kraft, Muth und Jugend sind fast hin,
Daher ich nicht mehr fähig bin,
Durch auserlesne Sachen
Mir Gut und Ruhm zu machen.
[209]
Nimm also, liebstes Kind, dein Herz,
O schweres Wort, zurücke
Und kehre dich an keinen Schmerz,
Womit ich's wiederschicke;
Es ist zu edel und zu treu,
Als daß es mein Gefehrte sey
Und wegen fremder Plage
Sein eignes Heil verschlage.
Du kanst dir durch dies theure Pfand
Was Köstlichers erwerben,
Mir mehrt es nur den Jammerstand
Und läst mich schwerer sterben;
Denn weil du mich so zärtlich liebst
Und alles vor mein Wohlseyn giebst,
So fühl ich halbe Leiche
Auch zweyfach scharfe Streiche.
Ich schwur vor diesem: Nur der Tod,
Sonst soll uns wohl nichts trennen;
Verzeih es jezo meiner Noth,
Die kan ich dir nicht gönnen;
Ich liebe dich zu rein und scharf,
Als daß ich noch begehren darf,
Daß Lorchen auf der Erde
Durch mich zur Wittwen werde.
So brich nur Bild und Ring entzwey
Und las die Briefe lodern;
Ich gebe dich dem ersten frey
Und habe nichts zu fodern.
Es küße dich ein andrer Mann,
Der zwar nicht treuer küßen kan,
Jedoch mit größerm Glücke
Dein würdig Brautkleid schmücke.
Vergiß mich stets und schlag mein Bild
Von nun an aus dem Sinne;
[210]
Mein leztes Wüntschen ist erfüllt,
Wofern ich dies gewinne,
Daß mit der Zeit noch jemand spricht:
Wenn Philimen die Ketten bricht,
So sind's nicht Falschheitstriebe,
Er hast sie nur aus Liebe.

[211] Leonorens Antwort

Ach, liebster Schaz, verdient mein Herz,
So hart versucht zu werden?
Es leidet ja wohl anderwärts
Vorhin genug Beschwerden;
Und dennoch fehlt ihm niemahls Lust,
Erlaub ihm nur in deiner Brust
Auf kurz genoßne Freuden
Die Ehre mit zu leiden.
Ich hab es ja nur dir geschenckt,
Nicht aber deinem Glücke;
Du irrst dich, wo dein Argwohn denckt,
Ich fluche dem Geschicke.
Ich weine zwar, doch blos um dich;
Der Trost ist starck genug vor mich,
Wenn Philimen erkennet,
Wie rein die Flamme brennet.
Auch mir hat ja wohl die Natur
Kein Holz vor Fleisch gegeben.
Dein Umgang half mir auf die Spur,
Der Weißheit nachzustreben.
Du hältst mich schwächer als ich bin;
Ich schleiche zwar in Einfalt hin,
Doch weis ich Lust und Plagen
Schon mit Vernunft zu tragen.
Ich bin auch zärtlich, wie du weist,
Ich zittre bey den Schlägen;
Besinnt sich aber nur mein Geist,
Ich leide deinetwegen,
So bin ich tapfrer als ein Weib;
Es koste Güter, Ruh und Leib,
Ich will mich allen Fällen
Beherzt entgegenstellen.
[212]
Kein andrer traut mir freylich zu,
Du kanst und must es glauben,
Nichts soll mir meine Seelenruh
In deiner Liebe rauben.
Bedenck es selbst, was macht ein Kuß,
Den oft die Unschuld leiden muß?
Ich kan's gleichwohl nicht wagen,
Dir einen zu vertragen.
Bleib wo, wie lang und wer du wilst,
Nur lieb und bleib mein Eigen;
So wenig du auch jezo giltst,
So plözlich kanstu steigen.
Gesezt, es sey dir nichts bescheert,
Ach, halt mich deines Elends werth;
Ich will mit viel Vergnügen
Bey dir in Hütten liegen.
Der Geiz besizt nicht, was er hat,
Uns läst die Armuth lachen;
Die Liebe weis die Lagerstatt
Auf Rasen weich zu machen.
Mein Herz sucht manches zu verstehn,
Da will ich erst zur Schule gehn
Und unter deinen Lehren
Viel fremde Wunder hören.
Da soll mir dein beredter Fleiß
Mit untermengten Küßen,
Mit Sachen, die er meint und weis,
So Tisch als Traum versüßen;
Da werd ich viel, was längst geschehn,
Mit lüstern Ohren wiedersehn
Und auch wohl an den Sternen
Des Schöpfers Allmacht lernen.
Geht hin, ihr Docken stolzer Welt,
Macht höhnische Gesichter,
[213]
Erfreut euch unter Stand und Geld,
Ich habe meinen Dichter.
Er liebt wie ich und ich wie er,
Was macht mir mehr das Herze schwer?
Die Möglichkeit, das Leben
Nach ihm erst aufzugeben.
Verdien ich ja noch diese Qual
Mit unerkandten Sünden,
So soll die Welt im Hospital
Mich wohl nicht weiter finden;
Da soll mein Herz dein Leichenstein
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

[214] An Leonoren, als sie sich betrübte, dasz Leute ihres Geschlechts des Studirens beraubt wären, und dahero eine Deutschgeschriebene Anleitung zu den höhern Wiszenschaften von Gott und dem Weltgebäude verlangte

Begehre nicht so viel zu hören;
Wer wenig weis, der sündigt schlecht,
Der Umfang unsrer Weißheitslehren
Ist nicht vor jeden Kopf gerecht.
Die Warheit schadet viel Gemüthern
Wie blöden Augen scharfes Licht;
Behilf dich mit geringern Gütern,
Zu diesem Schaze kommst du nicht.
Du kanst gleichwohl zufrieden leben
Und einmahl froh zu Grabe gehn
Und brauchst, ach glaube doch, nicht eben
Den hohen Leibniz zu verstehn.
Du hast genung vor dein Geschlechte,
Nachdem dein lobenswerther Fleiß
Die Wirthschaft und des Höchsten Rechte
So wie des Umgangs Regeln weis.
Verrichte nur dein Amt mit Freuden,
Mit Zuversicht auf Gottes Schuz;
Kommt ohngefehr ein schweres Leiden,
So bieth ihm mit der Hofnung Truz.
Verliere nie den wahren Glauben,
Er dient dir zur Gerechtigkeit,
Und wenn dich lose Mäuler schrauben,
So siege mit Gelaßenheit.
Ein klug- und thätiges Erbarmen
Kan wider Sünd und Fluch bestehn;
[215]
Las, wenn du kanst, nicht einen Armen
Betrübt und hülflos von dir gehn.
Vergieb und habe mit den Schwachen
So viel als mit dir selbst Gedult;
Will Glück und Wetter gar nicht lachen,
So sey dein Trost: Ich bin nicht schuld.
Ergöze dich mit Hofnungsblicken
An jenes Lebens Lust und Pracht;
Dort wird dich andre Schönheit schmücken
Als die, so hier dich lieblich macht.
Dort wirstu nicht mehr Stückwerck wißen,
Du wirst der Wunder Ursprung sehn,
Dort werd ich dich noch reiner küßen,
Als niemahls unter uns geschehn.
So wird dein Wandel auf der Erden
Gott und der Welt gefällig seyn.
Was nie genug gelernt kan werden,
Das prägt man nie zu häufig ein;
Darum ermahnt dich meine Liebe:
Gedencke fleißig an den Tod,
Empfang ihn mit gelaßnem Triebe
Und seufze dies in lezter Noth:
Hier lieg ich, großer Gott, und schwize
Das Waßer meines Unrechts aus;
Ich fühle deines Eifers Hize,
Sie kehrt den Leib in Asch und Graus.
Es plagen Satan und Gewißen;
Herr, geh nicht zornig ins Gericht;
Du thatest mir dein Wort zu wißen,
Ich glaubte, mehr vermocht ich nicht.
Ich habe nach dem kleinen Maaße
Von Geist, Erfahrung und Verstand
Den Weg der engen Himmelsstraße
[216]
So weit beschritten als erkand.
Verdien ich keine Gnadenblicke,
So sieh doch, eh du mich verbannst,
Vorher auf Golgatha zurücke
Und dann verstoß mich, wenn du kanst.

[217] Auf die Morgenzeit bey Erinnerung Leonorens

Den 10. Jul. 1720.


Ich seh dich zwar, du angenehmer Morgen,
Und zwar nicht sonder Zärtligkeit,
Und diese zwar zu Lust und Leid
Vergangner Ruh und gegenwärtger Sorgen;
Denn wenn bey deinem Blick mir ins Gedächtnüß fällt,
Wie oft dein holder Stern auf Leonorens Wangen
Durch seinen Widerschein mir doppelt aufgegangen,
So fühl ich einen Trost, der Noth und Kummer hält.
Ich lies den Schlaf vergebens auf mich warthen,
Und wenn mein Fleiß die finstre Nacht
Mit Kuß und Büchern zugebracht,
So zogstu mich gleichwohl noch in den Garthen;
Da träufelte mir erst das süße Mannabrodt
Noch reicher als dein Thau vom allerliebsten Munde,
Da macht ich oftermahls mit unserm süßen Bunde,
Ich glaub aus Eifersucht, Auroren noch so roth.
Dies war ein Rest der ehmals güldnen Zeiten,
Die blos die Liebe wieder schenckt,
Die Liebe, so auf nichts gedenckt,
Als durch die Bahn des Lebens froh zu schreiten.
Da hatt ich noch ein Herz, dem kont ich mich vertraun,
Da scheut ich keinen Fall, der unser treu Gespräche
Durch Argwohn oder Neid und Lügen unterbräche;
Da sprach ich oft mit Recht: Hier last uns Hütten baun!
Da sagt ich ihr die heimlichsten Gedancken,
Und was auch ihr von Freud und Gram
Sonst niemahls auf die Zunge kam,
Das brach vor mir des Herzens enge Schrancken;
Die Geister übten sich bey selbst gelaßner Ruh,
An Scherz und Redligkeit einander zu besiegen,
Die Leiber wusten auch ihr Theil davon zu kriegen
Und sazten durch den Kuß einander feurig zu.
[218]
Ach Schweidniz, ach du Bild von Salems Thoren,
Du Lustplaz meiner jungen Zeit,
Die sich den Musen ganz geweiht,
Was hab ich nicht mit dir vor Fried und Heil verloren!
Ich seh durch Thrän und Angst, und sieh, du bist nicht da,
Des Tages tausendmahl mit größrer Angst zurücke
Als jen gefangnes Volck, das mit betrübtem Blicke
Die Gegend Canaans aus Babels Fenstern sah.
Jezt hab ich nichts, Verdruß und Angst zu stillen,
Als etwan die Verzweiflungslust;
Jedoch was quäl ich selbst die Brust?
Verliert euch nur, ihr angenehmen Grillen,
Verliert euch, bis mir einst ein beßrer Glücksstern scheint.
Jezt will ich durch Gefahr mit Fleiß und Hofnung wagen;
Zwey Pfeiler helfen mir die schwere Bürde tragen:
Die Vorsicht in der Höh und hier mein treuer Freund.

[219] Der klagende Liebhaber

Damit genung! Es ist vergebens.
In Einsamkeit
Begehrt mein Leid
Den Schluß des schweren Lebens.
Mein treues Lieben
Bringt nur Betrüben
Und schliest mich mit der stummen Pein
Hier zwischen Berg und Thäler ein.
Den sanften West bewegt mein Klagen,
Es rauscht die Bach
Den Seufzern nach
Aus Mitleid meiner Plagen;
Die Vögel schweigen,
Um nur zu zeigen,
Daß deine schöne Tyranney
Auch Thieren überlegen sey.
Was soll ich thun? Was soll ich bitten?
Um Hülf in Noth?
Nein, um den Tod.
Den hab ich längst erlidten;
Denn bey dem Triebe
Verworfner Liebe
Stirbt jeder mit vermehrter Qual
Des Tages mehr als tausendmahl.
So sterb auch ich; ja, wenn ich stürbe,
So wüst ich doch,
Daß dies mein Joch
Zugleich mit mir verdürbe;
Ich läg und schliefe
In jener Tiefe,
Wo keine Last, die mich bedeckt,
Das ungebohrne Volck erschröckt.
[220]
Wer sagt mir, ob und wo ich lebe?
Mein Kind, in dir,
Um das ich hier
Mein Blut dem Kummer gebe,
Mein Blut vom Herzen,
Das in den Schmerzen,
Die dein verstockter Sinn ernährt,
Sich durch und in sich selbst verzehrt.
Ich sage viel; doch, Engel, wiße,
Ich dencke mehr.
Gieb noch Gehör
Und stärcke mich durch Küße!
Sonst bringt mein Sterben
Auch dein Verderben
Durch dieses tief geholte Weh,
Mit dem ich gleich zur Grube geh.

[221] Als er im Garthen mit ihr spazieren gieng

Vratislaviae, d. 10. August. 1720.


Ach, liebstes Lenchen, sähstu hier
Mein Herz im Blute wallen,
Ich weis vorwahr, es würde dir
Sogar sein Schmerz gefallen;
Denn dieser kommt aus Zärtligkeit
Und aus der . . . Liebe,
Womit ich mich bey . . . Zeit
Um deine Qual betrübe.
Ich soll dich in der . . . . .
Bey fremden Leuten laßen;
Der Himmel sende doch die Zeit,
Dich glücklich zu umfaßen.
Die andern, so mit mir studirt,
Erlangen Ruhm und Glücke,
Und ob mir eben das gebierth,
So bleib ich weit zurücke.
Es thut mir deinetwegen weh
Und macht mich ganz zu Schanden,
Sodaß ich wie im Traume geh,
Kein Scherz ist mehr vorhanden.
Das Feuer läst in Adern nach,
. . . . Muth und Kräfte schwinden,
Da Laster, . . . . . Schmach
Mich allenthalben binden.
Was that dein liebstes Herze nicht
Um meinetwillen tragen,
. . . . . . . . . . . . . . mir geschicht,
. . . . . . . . . . . . Plagen.
Was hab ich dir nicht vor Gefahr
In Zedliz aufgeladen,
Allwo dein . . . . Labsahl war,
Mein Unrecht auszubaden.
[222]
Ach . . . . . . tausendmahl
Vor deine Liebe sterben,
So würd ich doch . . . solche Qual
Kein danckbar Lob erwerben,
Denn wie ich überwiesen bin,
So bleibstu noch mein Eigen
Und läst mir deinen frommen Sinn
So viele Neigung zeigen.
Ach, Engel, ich empfinde noch
In . . . . Lust zum Leben
Und will mir . . .das süße Joch
Von deiner Liebe geben.
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Ich traute mir, bey Salz und Brodt
Die Fürsten auszulachen
Und in der eußerlichen Noth
Ein Eden . . . . machen;
Ich weis auch, daß ich alles Weh
Im Augenblick vergäße,
Wofern ich nur . . . . . . . . . Eh
Dich kurze Zeit besäße.

[223] Leonorens Antwort

So soll mich auch durchaus nichts kräncken,
Es geh mir noch so wunderlich;
Ich muß in aller Noth gedencken:
Der Himmel thut's und prüfet dich;
Er ist ein Vater, der zwar schlägt,
Doch auch nicht ewig Ruthen trägt.
Wir Menschen können unser Glücke
Unmöglich allzeit selbst verstehn,
Wir fallen in Gefahr und Stricke,
So oft wir vor uns selber gehn;
Wir wehlen falsch und wandeln blind,
So oft wir ohne Creuze sind.
Ein ruhig Herz und rein Gewißen
Wird doch von außen nicht verstört;
Daß treue Seelen leiden müßen,
Das wird wohl überall gehört,
Doch daß sie niemahls Hülfe sehn,
Das sieht man nimmermehr geschehn.
Die Spötter thun mir freylich bange,
Man sezt mir ein gefehrlich Ziel,
Die Wetter stehn so schwer als lange,
Der Trauernächte werden viel;
Jedoch Gedult, Vernunft und Zeit
Versprechen Palmen auf den Streit.
Wer weis, wie bald mein Glücke steige,
Es kan mir unverhoft noch blühn;
Die Großmuth, so ich stets bezeige,
Muß durch Gefahr dem Feind entfliehn.
Ein treuer Gott und kluger Mann
Macht, daß man alles dulden kan.
[224]
Mein Leben wird noch um das Ende
Ein Himmel voll Vergnügung seyn;
Die Hofnung reicht mir schon die Hände,
Die keusche Liebe stimmt mit ein:
Geht, Winde, bringt den stillen Kuß
Dem, der mir bleiben will und muß.

[Will ich dich doch gerne meiden]

[225]
Will ich dich doch gerne meiden,
Gieb mir nur noch einen Kuß,
Eh ich sonst das Lezte leiden
Und den Ring zerbrechen muß.
Fühle doch die starcken Triebe
Und des Herzens bange Qual!
Also bitter schmeckt der Liebe
So ein schönes Henckermahl.
Las dich etwas Beßers küßen,
Alles gönn und wüntsch ich dir;
Aber frag auch dein Gewißen,
Dieser Zeuge bleibet mir.
Lerne doch nur weiter dencken:
Dörft es dich auch einmahl reun?
Dörft auch mein verstoßnes Kräncken
Deines Ehstands Hölle seyn?
Sieh, die Tropfen an den Bircken
Thun dir selbst ihr Mitleid kund;
Weil verliebte Thränen würcken,
Weinen sie um unsern Bund.
Diese zährenvolle Rinden
Rizt die Unschuld und mein Flehn,
Denn sie haben dem Verbinden
Und der Trennung zugesehn.
Dieses rührt die todten Bäume,
Dich, mein Kind, ach, rührt es nicht;
Aber daß ich mich noch säume,
Da dein Scheiden gar nichts spricht,
Gönnt mir doch, ihr holden Lippen,
Eine kurze gute Nacht,
[226]
Eh der Traum an solchen Klippen
Mein Gemüthe scheitern macht.
Gute Nacht, ihr liebsten Armen!
Meiner Glieder Müdigkeit
Wird nicht mehr in euch erwarmen;
Ach, wie quält die alte Zeit!
Gute Nacht, ihr schönsten Brüste,
Macht nun andre Hände voll;
Jezo geh ich in die Wüste,
Wo mein Elend schlafen soll.
In den Wäldern will ich irren,
Vor den Menschen will ich fliehn,
Mit verwaisten Tauben girren,
Mit verscheuchtem Wilde ziehn,
Bis der Gram mein Leben raube,
Bis die Kräfte sich verschreyn,
Und da soll ein Grab voll Laube
Milder als dein Herze seyn.
Kan ich dich an Treu beschämen,
Will ich noch dein Conterfey
In dem Tod ans Herze nehmen,
Daß er recht beweglich sey;
Sieht es niemand von den Leuten,
Sieht es doch der Himmel an,
Der dich bey gelegnen Zeiten
Wohl damit noch strafen kan.
Wirstu einmahl durch die Sträuche
Halb verirrt spazieren gehn,
Ey, so bleib bey meiner Leiche
Nur mit andern Augen stehn;
Zeige sie dem neuen Schaze,
Der dir das Geleite giebt,
Und vermeld ihm auf dem Plaze:
Dieser hat mich auch geliebt.
[227]
Ach, wo bleibt ihr theuren Schwüre?
Ach, wo ist dein treuer Sinn,
Den ich schmerzlicher verliere,
Als ich selbst gebohren bin?
Nimm das lezte Sehnsuchtszeichen;
Nun, mein Kind, besinne dich!
Dieses kan dich nicht erweichen,
Nimm es und gedenck an mich.

[228] Als Leonore die Unterredung eiligst unterbrechen muste

Nach vieler Müh und Zeit und Schmachten,
Die warlich nicht gering zu achten,
Kam einmahl auch ein Augenblick
Der alt- und edlen Zeit zurück.
Ich küste Leonorens Wangen,
Doch eh ich noch die Hand,
Sie gänzlich zu empfangen,
Gewand,
So fiel der neunte Seigerschlag
Sowohl in Herz als Ohren.
Ach, sprach sie, Kind, ich bin verloren;
Denn daß ich jezt nicht bleiben mag,
Das thut Befehl und Zeit, die Vögel abzufüttern.
Sie küste mich noch halb und lief mit Zittern;
Ich aber schrie:
Ach Himmel, hältstu uns doch härter als das Vieh!

[229] An seine Leonore

Hier hastu nun den dritten Schwur,
Wodurch ich Himmel und Natur
Zu Zeugen unsres Bundes seze;
Bleib treu, getrost und achte nicht,
Wenn manche Lästerzunge sticht,
Der falschen Freunde Mordgeschweze.
Das Glücke hält uns freylich auf,
Doch las ihm nur den faulen Lauf,
Es sucht fein langsam auszurasen.
So starck der Nord sich hören läst,
So zärtlich wird auch bald der West
In unsre Liebesflaggen blasen.
Die Weltlust zeigt mir nichts mehr an,
Worein ich mich verlieben kan,
Als dein Gesicht und meine Baare;
Bekomm ich nun das erste nicht,
So las ich freudig Tag und Licht
Auch mitten um die besten Jahre.
Ich fühl am besten innerlich
So manchen tiefen Herzensstich
Und bin schon ziemlich umgetrieben;
Doch will mir Gott genädig seyn,
So läst er mich nach aller Pein
Dich einmahl noch und sicher lieben.
Vertrau der Vorsicht, liebster Schaz,
Sie wird uns einen Ruheplaz,
Es sey auch wo es will, bereiten;
Alsdenn belachen wir mit Lust
Aus froh- und eintrachtsvoller Brust
Die Thorheit unsrer bösen Zeiten.
[230]
Besinne dich, was Schweidniz wies:
Von innen zwar ein Paradies,
Von außen Unruh, Zanck und Plagen;
Und kommt dir Roschkwiz in den Sinn,
So denck auch dort nach Borau hin,
Wo mich dein Abschied wund geschlagen.
Sobald des Bruders Hochzeitsfest
Dich bey der Tafel lachen läst,
So trinck mein Wohlseyn in Gedancken,
Und wenn dir der Verlobten Kuß
Zu stiller Reizung dienen muß,
So wiße: Günther kan nicht wancken.
Es hat mich innerlich ergözt,
Daß Lorchen meine Lieder schäzt
Und dann und wann noch Lieder fodert;
Dein Nahme soll auch ganz allein
Die Zierrath meiner Reime seyn,
In welchen unsre Liebe lodert.
Mein Engel, nimm es selbst aus dir,
Wie schwer, wie scharf und ängstlich mir
Dein drittes Abschiedsküßen falle;
Jedoch Gedult, Vernunft und Zeit
Crönt endlich die Beständigkeit
Und schenckt uns Zucker auf die Galle.
Nun gute Nacht, du treues Kind!
Es wird noch mancher saurer Wind
Mir künftig in das Antliz streichen;
Doch darum mache dir nicht Schmerz,
Dein Angedencken stärckt mein Herz
Und bleibt mein festes Hofnungszeichen.

[231] An Leonoren

Gedenck an mich und meine Liebe,
Du mit Gewalt entrißnes Kind,
Und glaube, daß die reinen Triebe
Dir jezt und allzeit dienstbahr sind
Und daß ich ewig auf der Erde
Sonst nichts als dich verehren werde.
Gedenck an mich in allem Leiden
Und tröste dich mit meiner Treu!
Die Luft mag jezt empfindlich schneiden,
Die Wetter gehn doch all vorbey,
Und nach dem ungeheuren Knallen
Wird auch ein fruchtbahr Regen fallen.
Gedenck an mich in deinem Glück,
Und wenn es dir nach Wuntsche geht,
So seze nie den Freund zurücke,
Der blos um dich in Sorgen steht!
Auch mir kan bey dem besten Leben
Nichts mehr als du Entzückung geben.
Gedenck an mich in deinem Sterben;
Der Himmel halte dies noch auf,
Doch sollen wir uns nicht erwerben
Und zürnt der Sterne böser Lauf,
So soll mir auch das Sterbeküßen
Die Hinfahrt durch dein Bild versüßen.
Gedenck an mich und meine Thränen,
Die dir so oft das Herz gerührt
Und die dich durch mein kräftig Sehnen
Zum ersten auf die Bahn geführt,
Wo Kuß und Liebe treuer Herzen
Des Lebens Ungemach verschmerzen.
[232]
Gedenck auch endlich an die Stunde,
Die mir das Herz vor Wehmuth brach,
Als ich wie du mit schwachem Munde
Die lezten Abschiedsworte sprach;
Gedenck an mich und meine Plagen!
Mehr will und kan ich jezt nicht sagen.

[233] Die verliebte Gedult

Aria.

Sey immerhin der Hand entrißen,
Im Herzen bleistu dennoch mein.
Das Glücke mag das Bündnüß brechen.
Die Schickung mag mir widersprechen
Ich troze noch ihr künftig Nein
Und will dich stets im Bilde küßen.
Da Capo.
Recitat.

Ach Kind!
Ach frage nur den Wind,
Wie viel und naße Klagen
Sein müder Flug nach Anklam hingetragen,
Seitdem ein harter Schluß
Dich anderwärts verbunden.
Dies ist der Brunnquell tiefer Wunden,
Woran ich Krancker seufzen muß,
So lang ich Blut und Adern fühle.
Ja, wäre hier
Die Vorsicht nicht im Spiele,
So würd ich dir,
So würd ich deiner Untreu fluchen
Und etwan so die Rache suchen:
Aria.

Erzürnt euch, ihr Geister der höllischen Klüfte,
Eröfnet den Abgrund und schwefelt die Lüfte
Und zündet die Fackeln der Eifersucht an!
Bestraft nur die Falsche und weckt ihr Gewißen
Und last sie durch Feuer und Peinigung wißen,
Es werde kein Meineid vergebens gethan.
Da Capo.
[234] Recitat.

Dergleichen Hochzeitseegen
Begrüste deinen Wanckelmuth,
Verstünd ich nicht, was Gottes Finger thut.
Allein der Liebe wegen,
Womit du mich so hoch geschäzt,
Womit du mich so oft ergözt,
Erlas ich dir die Schuld,
Worein dich das Verhängnüß führet.
Ich werde zärtlich scharf regieret,
Doch leid ich mit Gedult
Und stelle mir die alten Zeiten
Zum Troste dieses Kummers vor.
Mich deucht, es hört mein Ohr
Die angenehme Stimme rufen,
Mich deucht, ich sehe deine Stufen
Mit mir spazieren gehn.
Du bist mir jezt noch schön,
Du strahlst mir noch entfernt ins Auge,
So daß ich frischen Zunder sauge,
Wenn Schlaf und Nacht
Gedancken zollfrey macht
Und Träume deinen Abriß bringen,
Mit dem ich bis an Morgen ringen
Und sicher spielen kan,
So daß dein neuer Mann
Kein Wort von unsrer Lust erfährt;
Gewis, die Lust ist schlafenswerth.
Aria.

Dies Betriegen
Zeigt Vergnügen
Und erhält den ersten Trieb;
Kan ich dich nicht würcklich küßen,
Muß ich Mund und Warheit mißen,
Hab ich auch den Schatten lieb.
Da Capo.
[235] Recitat.

So bleiben Funcken in der Asche,
So rostet alte Liebe nicht;
Denn daß ich mein Gesicht
So oft mit Thränen wasche,
Das macht dein köstlicher Verlust.
Vertragen sich drey fromme Herzen
In einer Brust,
So mindre meine Schmerzen
Und las mir jezt zur Ruh
Auch dort ein Räumchen zu,
Wo jezt dein Liebster Plaz genommen;
Ich will ihm nicht zu nahe kommen.
Die Hälfte mag sein Eigen seyn,
Ich nehme nur das Drittel ein,
Und dies mit gutem Rechte,
Dieweil mein Fuß zu deiner Lagerstatt
Den nechsten Anspruch hat,
Und weil ich hier schon Rosen abgelesen,
Eh seiner noch gedacht gewesen.
Es trift mich, wie gesagt, zwar scharf,
Doch mag ich deine Ruh nicht stören,
Und was ich nicht besizen darf,
Das will ich still und ewig ehren.
Aria.

Bis die schwere Zunge stammlet,
Bis mich ein gedrungnes Haus
Zu der Väter Beinen sammlet,
Sprech ich deinen Nahmen aus.
Deine Schönheit, dein Gemüthe,
Deine Tugend, deine Güte
Soll mit mir zu Grabe gehn.
Dich nur wieder zu umfangen,
Will ich, wenn die Welt vergangen,
Noch so rüstig auferstehn.
Da Capo.

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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Günther, Johann Christian. Leonore [1]. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-257B-9