[290] Als ein guter Bekandter A. 1718. seinen Geburthstag in Leipzig begieng

Schicke dich, gelehrter Freund!
Es erscheint
Des Geburthstags holder Morgen.
Unterbrich der Bücher Fleiß
Und den Schweiß
Aller klugen Sorgen!
Las des edlen Tages Schein
Unser seyn!
Las die freyen Jauchzer klingen!
Las des Bacchus Traubenblut
Wie den Muth
In dem Glase springen!
Eben darum bind ich dich
Sicherlich
Mit den schlecht gestimmten Saythen,
Daß du dich durch eine Lust
Lösen must
Nach Manier der Zeiten.
Unsre Väter hielten auch
Den Gebrauch,
Mit einander froh zu leben;
Hätten wir als ihr Geschlecht
Wohl das Recht,
Solches aufzuheben?
Nein, mein Bruder, auch dein Sinn
Geht dahin,
Junger Jahre Lust zu schmecken;
Du gehörst nicht in die Schaar,
[291]
Die so gar
Immer Grillen hecken.
Bacchus und der Venus Sohn
Kennen schon
Dein nicht murrisches Gemüthe,
Und durch ihren Zeitvertreib
Fühlt dein Leib
Feuriges Geblüte.
Manche liebe lange Nacht
Hat gewacht,
Wenn wir auf dem Faße schliefen
Oder auch, nachdem es kam,
In den Kram
Artger Mägdgen liefen.
Haben wir uns nicht zulezt
Erst ergözt
Und den Tummel ausgelaßen,
Als wir neulich, weist du wo?
Auf dem Stroh
Adamsäpfel aßen?
Dencke nur, wie wir zugleich
Manchen Streich
Heimlich list- und lustig spielten
Und wie wir auf Amors Höh
In dem Schnee
Warmer Brüste wühlten.
Doch Vergangnes hilft nicht mehr.
Gieb Gehör!
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Heute geht es von dem Frischen,
Heute soll sich Rauch und Tranck
Und Gesang
In der Gurgel mischen.
Frey seyn ist der Götter Art,
Nichts gespart,
Was des Herzens Wuntsch begehret
Und was die Gelegenheit
Jezt verleiht,
Künftig nicht bescheeret.
Menschen haben, sind sie klug,
Ursach gnug,
Alle Stunden mitzunehmen
Und, so lang es Rosen schneyt,
Sich der Zeit
Klüglich zu bequemen.
Jener Weise hat gewis
Auch den Riß
Unsers Ebenbilds getrofen;
Schwalben, rief er, baut das Nest,
Denn man läst
Euch nicht ewig Sommer hofen!
Pfeile, Ströme, Bliz und Wind
Fliehn geschwind,
Noch geschwinder unsre Jahre;
Nicht ein einzger Augenblick
Kehrt zurück,
Täglich droht die Baare.
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Bleibt es demnach festgestellt,
Auf der Welt
Minder Wirth als Gast zu heißen,
Ey, so last uns, weil es währt,
Eh man fährt,
Unsrer Lust befleißen.
Bruder, thu es auf mein Wort,
Schicke fort,
Las den Kellner scharf besprechen,
Da dein angebrochnes Fest
Melden läst,
Daß wir tapfer zechen.
Lade Gäste, doch nicht viel,
Denn das Spiel
Wird gemeiniglich verdorben;
Wenig, die sich wohl verstehn,
Gut begehn,
Haben Ruhm erworben.
Knaster, Coffee, Wein und Bier,
Die wie wir
Sich zusammen gut vertragen,
Sollen sich durch Kraft des Schalls
Durch den Hals
Mit einander jagen.
Daß man auch, was nöthig ist,
Nicht vergißt,
Las die Violinen holen!
Stimme sie wie unsern Sinn!
Mars, lauf hin
Und bereite Kohlen!
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Trinck ein jeder, was er mag,
Diesen Tag,
Trinckt zu meines Freundes Ehren!
Wie so müßig? Nicht gepast!
Sauft und last
Tausend Vivat hören!
Lehrt Herrn Pfeifers Wohlseyn aus,
Bis der Schmaus
Unsern Köpfen Schwindel gebe!
Überschreyt selbst das Geschrey,
Singt dabey:
Seine Riebe lebe!
Seht, der Wirth versteht den Scherz,
Denn sein Herz
Hängt an diesem schönen Kinde,
Darum zieht er ihm so nah,
Daß er da
Süßen Zutritt finde.
Dieses wüntsch ich und darzu
Alle Ruh
Von dem hoch- und heitern Glücke,
Daß sein Auge sonder Qual
Tausendmahl
Diesen Tag erblicke.

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TextGrid Repository (2012). Günther, Johann Christian. Gedichte. Gedichte. Liebesgedichte und Studentenlieder. Studentenlieder. Als ein Bekandter seinen Geburthstag begieng. Als ein Bekandter seinen Geburthstag begieng. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-2587-D