[87] [89]Der Buchstabe Schin.

1.

Bist du mir ein liebender Gefährte,
Musst du Wort mir halten treu und wahr
Und im Stübchen, Bad und Rosenhaine
Mir Gesellschaft leisten immerdar.
Gib die Krause der verwirrten Locke
Nimmermehr dem Winde in die Hand;
Sage nicht: »Verwirrung möge herrschen
Im Gemüth, das Liebe nur empfand!«
Wenn an Chiser's Seite dich zu setzen
Ein Gefühl der Sehnsucht dich beschlich,
Nun, so sei dem Lebenswasser ähnlich
Und verbirg vor Alexandern dich!
Schmeichlerische Liebespsalmen singen
Kann nicht jeder Vogel unbedingt:
Komm denn du und sei die junge Rose
Dieses Sprossers, der Ghasele singt!
Fortzuwandeln auf des Dienstes Pfade,
Und der Pflicht der Knechtschaft mich zu weih'n.
O gestatt' es mir um Gotteswillen
Und du selber sollst mein Sultan sein!
Hüte dich und falle ja nicht wieder
Mit dem Schwert die heil'ge Beute an,
Und empfinde Reue über Alles,
Was du meinem Herzen angethan!
Bist des Kreises Kerzenlicht; drum habe
Eine Zunge nur und nur Ein Herz,
Und im Geist des Falters Streben schauend,
Lächle freundlich auch im grössten Schmerz!
[89][91]
Nur im Augenspiele zeigt vollendet
Schönheit sich und Liebenswürdigkeit:
Sei daher durch Zärtlichkeit der Blicke
Einer von den Selt'nen deiner Zeit!
Schweig', Hafis, und ist der Freund auch grausam,
So beklage dich darüber nicht:
Denn wer hatte staunen dich geheissen,
Schautest du ein schönes Angesicht?

[91] [93]2.

Du an Gestalt so voll von Anmuth
Und Wonne gebend jedem Ort!
Es füllt sich mir das Herz mit Wonne,
Spricht dein Rubin ein Zuckerwort.
An Zartheit gleichet deinem Leibe
Das frische Blatt der Rose nur;
Vom Haupt zum Fusse bist du Wonne,
Zipressen gleich auf Eden's Flur.
Süss ist dein Kosen und dein Trotzen,
Voll Wohlgeschmack dein Maal und Flaum;
Schön ist dein Aug' und deine Braue,
Voll Wonne deines Wuchses Baum.
Nicht nur mein Phantasiegefilde
Füllst du mit Bildern hell und klar,
Auch dem Geruchsinn meines Herzens
Beut Wonne dein Jasminenhaar.
Vor deinem Auge lass mich sterben: –
Wenn gleich Gesundheit ihm gebricht.
Verwandelt's doch den Schmerz in Wonne,
Schaut es dein schönes Angesicht.
Wenn auf dem Liebespfad ich nimmer
Den Unglücksstrom durchwaten kann.
Erfüll' ich mein Gemüth mit Wonne,
Denn deine Reize blick' ich an.
Droh'n in der Wüste, des Verlangens
Gefahren auch an jedem Ort,
Dich liebend, schreitet doch voll Wonne
Hafis, der Herzberaubte, fort.

[93] [95]3.

Stets denkt der Sprosser an ein Mittel,
Das ihm der Rose Gunst gewinnt,
So wie im Gegentheil die Rose
Auf Kränkung nur der Liebe sinnt.
Wohl kann nicht Herzensräuber heissen,
Wer Liebende dem Tode weiht;
Doch Herr und Meister ist zu nennen,
Wer mitfühlt eines Dieners Leid.
Mit vollem Recht schlägt blut'ge Wellen
In seinem Herzen der Rubin:
Denn thöricht schätzt man auf dem Markte
Die Glaskoralle mehr als ihn.
Der Sprosser dankt die Kunst des Sanges
Der Rose gnäd'gem Unterricht:
Es tönte sonst aus seinem Schnabel
Ein solcher Schwall von Liedern nicht.
Wohl hundert Herzenskarawanen
Zieh'n jenem Vielgereisten nach;
Bewahre ihn, wo er auch weile,
O Herr, vor jedem Ungemach!
Du, der am Dorfe meines Liebchen
Vorbei zu wandeln sich erlaubt.
Sei auf der Hut, denn seine Mauern
Zerschmettern dir gewiss das Haupt!
Wenn von des Heiles Glück zu sprechen,
O Herz, dir Freude auch gemacht,
So ist doch auch die Liebe heilig:
Drum lass sie nimmer ausser Acht!
Es führt – wenn du dich fern gehalten
Von der Begierden eitlem Wahn –
Zum Heiligthume ihres Anblick's
Dich ohne Zweifel deine Bahn.
[95][97]
Der trunk'ne Ssofi, der die Mütze,
Schief auf den Kopf sich hat gesetzt,
Zerwühlt den Turban sich erst völlig,
Trinkt er noch ein paar Gläser jetzt.
Das Herz Hafisens, dem dein Anblick
Zur freundlichen Gewohnheit ward,
Verzärtelt ist's durch Gunst der Liebe:
Drum schmähe es nicht allzu hart!

[97] [99]4.

Komm zurück, um des beklomm'nen Herzens
Seelischer Genoss zu sein,
Und in sein verborgenstes Geheimnis
Weiht dich der Verbrannte ein!
Von dem Wein, den in der Liebe Schenke
Feil man bietet Jedermann,
Gib mir noch zwei oder drei Pocale,
Sei es auch im Rāmăsān!
Weil, o weiser Wanderer, du Feuer
Auf die Kutte hast geschnellt,
Sollst du trachten Oberhaupt zu werden
In dem Zecherkreis der Welt!
Jenem Freunde, der zu dir einst sagte:
»Harrt mein Herz doch immer dein«
Sage du: »Sieh da, ich komme eben:
Harre wohlbehalten mein!«
Lust nach dem Rubin, der Leben spendet,
Füllte ach, das Herz mit Blute mir;
Trage du, Juwelenschrein der Liebe,
Dieses Siegel immerdar an dir!
Dass sich nicht auf's Herz Ihm möge setzen
Nur ein Stäubchen von Verdruss,
Folge du dem Briefe auf der Ferse,
Du, o meiner Thränen Fluss!
Da Hafis sich nach dem Glase sehnet,
Das die ganze Welt uns zeigt,
Mach' er den Ăssāf sich eines Fürsten,
Der Dschemschiden gleicht, geneigt!

[99] [101]5.

Greif' zur Tulpenzeit nach Bechern,
Hüte dich vor Heuchelei'n
Und geselle dich dem Oste,
Wenn dich Rosendüfte freu'n!
Trägst du, wie einst Dschem, Verlangen
Das Geheimste zu erspäh'n,
So geselle dich dem Glase,
Das dich lässt das Weltall seh'n!
Nimmer sag' ich dir: »Dein Götze
Sei durch's ganze Jahr der Wein!«
Durch drei Monde magst du trinken
Und durch neun enthaltsam sein.
Da die alte Pilg'rin: »Liebe«
An den Rebensaft dich weist,
Nun so trinke Gott vertrauend,
Der Erbarmen dir verheisst!
Wenn auch alle ird'schen Dinge,
Knospen gleich, verschlossen sind,
Magst du deine Knoten lösen,
Ähnlich einem Frühlingswind.
Suche ja bei Niemand Treue:
Hörst du aber nicht auf mich,
Mühe fruchtlos um Simurghen
Und den Stein der Weisen dich!
Sei, Hafis, kein Andachtsjünger
Jener, die du nimmer kennst
Und verkehre nur mit Zechern,
Die du deine Priester nennst.

[101] [103]6.

Will der Gärtner mit der Rose
Durch fünf Tage' Umgang pflegen,
Muss er bei der Trennung Dornen
Die Geduld des Sprossers hegen.
Sollst, o Herz, nicht über Wirren,
Wenn Sein Haar dich fesselt, klagen:
Fällt in's Netz ein kluger Vogel,
Muss er's mit Ergebung tragen.
Diese Wange, diese Locke
Diene nie dem Blick zum Spiele,
Dem das Antlitz des Jasmines
Und der Sünbül Haar gefiele!
Zecher, die die Welt entzünden,
Taugen nicht für die Geschäfte,
Denn die Staatsgeschäfte fordern
Klugen Rath und Urtheilskräfte.
Gottlos ist, wer auf dem Pfade
Sich auf Rath und Wissen stützet.
Weil ja doch bei hundert Gaben
Nur Vertrau'n dem Wand'rer nützet.
Jener trunkenen Narzisse
Steten Trotz muss es ertragen
Dieses wirre Herz, verlangt es
Jener Locke nah' zu schlagen.
Schenke! Zögerst du noch länger
Uns das Glas herum zu reichen?
Kömmt die Reihe an Verliebte,
Muss sie Kettenringen gleichen.
Doch wer ist Hafis, um immer
Nur beim Saitenklang zu zechen?
Kann ein elender Verliebter
Solchen Prunk's sich nicht entbrechen?

[103] [105]7.

Heil Schĭrās! Nein, keine Lage
Lässt mit seiner sich vergleichen;
Lass, o Gott, von dir beschirmet,
Nie ein Unglück es erreichen!
Unser Rōknăbād vernehme
Hundertmal ein: »Gott bewahre!«
Denn sein süsses Wasser schenket
Chiser's lange Lebensjahre.
Wo Dscha'fērăbād sich scheidet
Von Mossella's Blumentriften,
Kömmt sein Nordwind hergezogen,
Reich durchwürzt mit Ambradüften.
Komm denn nach Schĭrās und bitte
Um des heil'gen Geistes Segen
Jene, die in seinen Mauern
Jeden Zweig des Wissens pflegen!
Selbst Ägyptens Kandelzucker
Waget Niemand hier zu nennen,
Ohne dass die süssen Schönen
Wider ihn in Zorn entbrennen.
Hast du irgend eine Kunde,
Morgenwind, mir zuzuwehen
Von dem schönen, trunk'nen Luli
Und von seinem Wohlergehen?
Wecke doch aus diesem Schlummer
Nimmer mich um Gotteswillen,
Denn Sein Traumgebild entzückt mich
In der Einsamkeit, der stillen!
Wenn nun jener süsse Knabe
Auch mein eig'nes Blut vergösse,
Herz, so lass es ruhig fliessen,
Als ob Muttermilch nur flösse!
Wenn, Hafis, vor Seiner Trennung
Du dich fürchtetest, so sage,
Wesshalb du ihm nimmer danktest
Für der Liebe frohe Tage?

[105] [107]8.

Ruhe, Kraft und Einsicht gingen
An dem Götzen mir verloren
Mit dem marmorharten Herzen
Und dem Silber in den Ohren;
Flink und zart ist dieser Holde,
Schafft, wie Peris, Lust und Freude,
Ist ein vollmondgleicher Türke
Und stolziert in off'nem Kleide;
Durch die heisse Gluth der Liebe,
Die bei ihm mich überfallen,
Muss ich, einem Topfe ähnlich,
Immer siedend überwallen;
Mein Gemüth wird, gleich dem Hemde,
Ruhe wohl erst dann geniessen,
Wenn gleich seinem eig'nen Kleide
Meine Arme ihn umschliessen.
Seine Härte kränkt mich nimmer:
Rosen, die nicht auch verwunden
So wie Honig ohne Stachel,
Hat ja noch kein Mensch gefunden.
Selbst auch dann, wenn in Verwesung
Mein Gebein schon übergangen.
Wird noch immer meine Seele
Liebevoll nach Ihm verlangen.
Was ich glaube, was ich fühle,
Was ich fühle, was ich glaube
Wurde Seiner Brust und Schulter,
Schulter ach, und Brust zum Raube.
Gibt's ein Mittel, gibt's ein Mittel,
Das, Hafis, dich hoffen liesse,
Liegt's in Seiner Lippen Süsse,
Lippen Süsse, Lippen Süsse.

[107] [109]9.

Mein Herz erschrack und mir, dem Armen,
Ward bis zur Stunde nicht bekannt
Was jenem widerspänst'gen Wilde
So plötzlich in den Weg gerannt?
Besorgt für meinen eig'nen Glauben,
Erbeb' ich, gleich dem Weidenblatt:
Ein Ketzer hält mein Herz gefangen,
Der bogengleiche Brauen hat.
Ich nähre immer den Gedanken,
Ich sei ein Meer; doch weit gefehlt!
Was spukt im Kopfe dieses Tropfens,
Der nur Unmögliches sich wählt?
Ich preise jene kühne Wimper,
Die alles Heil zu Grabe trägt
Und der auf ihres Dolches Spitze
Das Lebenswasser Wellen schlägt
Blut träufelt wohl an tausend Stellen
Den Ärzten von des Ärmels Rand.
Wenn, um mein wundes Herz zu prüfen,
Sie es befühlen mit der Hand.
Nur weinend geh' ich in die Schenke,
Und stets mit tief gesenktem Haupt,
Weil ich mich vor den Thaten schäme,
Die ich zu üben mir erlaubt.
Das Leben Chiser's ist entschwunden
Sammt Alexander's Herrlichkeit:
Drum reize nied're Weltlust nimmer
Dich armen Mann zu eitlem Streit!
Ein Diener bist du, Freund; beklage
Dich über deine Freunde nicht;
Das Jammern über Viel und Wenig
Verletzt der Liebe heil'ge Pflicht.
Hafis! An jenen Gürtel reichet
Nicht eines jeden Bettlers Hand:
Drum greife du nach einem Schatze,
Viel reicher als Kărūn ihn fand.

[109] [111]10.

Ein erfahr'ner Mann voll Scharfsinn
Sagte gestern heimlich mir:
»Nimmer kann des Wirth's Geheimniss
Länger man verbergen dir.«
Sprach: »Erleicht're dir die Sachen,
Denn, wie sich's von selbst versteht,
Macht die Welt nur dem Beschwerde,
Der das Schwere suchen geht.«
Gab mir dann ein Glas, so funkelnd,
Dass Sŏhrē im Himmelshaus
Sich zum Tanz erhob. Dann sprach er,
Zither spielend: »Trinke d'raus!«
Horch, o Sohn, auf meine Lehre:
Gräme dich um Ird'sches nie;
»Diese Worte gleichen Perlen:
Kannst du es, so fasse sie!
Selbst mit einem blut'gen Herzen
Lächle, gleich dem Glas, dein Mund;
Stöhne nicht, gleich einer Harfe,
Schlägt man dich auch noch so wund!
Bis du nicht bekannt geworden,
Hörst du nichts von diesem Klang:
Denn das Ohr der Ungeweihten
Ist kein Ort für Engelssang.
In dem Heiligthum der Liebe
Trägt man nur die Wahrheit vor:
Denn dort müssen alle Glieder
Nichts als Auge sein und Ohr.
Auf dem Teppich weiser Männer
Steht dir Selbstlob übel an:
Sprich entweder als ein Kenner,
Oder schweige, kluger Mann!«
Schenke, gib mir Wein! Erfahren
Hat Hafisens Trunkenheit
Der Ăssāf des mächt'gen Helden,
Der voll Nachsicht gern verzeiht.

[111] [113]11.

Zu des Kaisers Zeit, der Nachsicht
Übt an Sündern allzumal.
Trinkt der Mufti aus dem Becher
Und Hafis aus dem Pocal.
Von der Zelle Winkel setzte
Sich der Ssofi zu dem Fass,
Seit er sah, dass auf der Achsel
Selbst dem Vogt die Kanne sass.
Um des Scheïches und des Richters
Judentrunk hab' ich befragt
Den bejahrten Weinverkäufer.
Als es eben kaum getagt.
Und er sprach: »Ich darf nicht sprechen,
Magst du eingeweiht auch sein;
Halte nur die Zung' im Zaume,
Birg' dich und dann trinke Wein!«
Schenke! Schon erscheint der Frühling
Und kein Weingeld blieb mir mehr:
Denke wie mein Herzblut brause,
Denn dies grämt mich gar zu sehr,
Liebe, gänzliche Verarmung,
Jugendzeit und Lenz sind da;
Halte mich damit entschuldigt
Und verzeih' was ich versah!
Wirst du wohl noch länger züngeln,
Ähnlich einem Kerzenlicht?
Kam ja doch der Wünsche Falter:
Drum, Geliebter, plaudre nicht!
Kaiser du des Bild's und Sinnes,
Dessen Gleichen nie zuvor
Hat geschaut ein Menschenauge,
Noch gehört ein Menschenohr!
Lebe, bis dein Glück, das junge,
Einst die blaue Kutt' empfängt
Aus der Hand des alten Himmels,
Der mit Lappen sich behängt.

[113] [115]12.

Eine Stimme rief des Morgens
In mein Ohr dies Freudenwort:
»Schah Schědschā' sitzt auf dem Throne,
Darum trinke tapfer fort!«
Nimmer birgt in einer Ecke
Sich der Augenspieler Schaar,
Tausend Worte in dem Munde,
Aber stumm das Lippenpaar.
Nun will ich beim Harfenklange
Alles sagen was gescheh'n,
Denn, verschwieg' ich's, fühlt' ich wallend
Mir den Brusttopf übergeh'n.
Lasst uns Hauswein, der da furchtsam
Vor dem Vogte ist und bang,
Vor des Freundes Antlitz trinken
Und bei lautem: »Lebelang!«
Gestern trug man aus der Schenke
Auf der Achsel den Imām,
Der den Teppich des Gebetes
Mit auf seiner Achsel nahm.
Herz, ich leite dich zum Guten
Auf der Bahn die Heil verspricht:
Aber prahle nicht mit Sünden,
Sei auch stolz auf Tugend nicht!
Des Verklärungslichtes Quelle
Ist des König's heller Geist;
Doch du darfst nur dann ihm nahen
Wenn dein Zweck sich rein erweist;
Nur mit seines Ruhmes Lobe
Soll man dich beschäftigt schau'n,
Da selbst Engel ihre Botschaft
Seinem Herzensohr vertrau'n.
Die geheimen Reichsgeschäfte
Kennen Fürsten nur allein:
Doch du bist ein Winkelbettler,
Musst, Hafis, fein ruhig sein.

[115] [117]13.

Ich verlange nach dem bitt'ren Weine,
Der den Mann zu Boden wirft mit Kraft,
Denn ein Weilchen möcht' ich Ruhe finden
Vor der Welt, die nichts als Böses schafft.
Bringe Wein, denn vor des Himmels Tücke
Fühlt wohl Niemand völlig sicher sich
Durch Sŏhrē, des Harfenmädchens, Spiele
Und durch seinen Waffenknecht Měrrīh.
Auf dem Tisch der nied'ren Erde gibt es
Keinen Honig der Zufriedenheit:
Wasche, Herz, den Gaum der Lust und Gierde
Rein von Herbe und von Bitterkeit!
Wirf das Jägernetz Běhrām's bei Seite,
Halte hoch den Becher Dschem's empor!
Denn es fand, als ich dies Feld durchmessen,
Nicht Běhrām und nicht sein Grab sich vor.
Auf Derwische seine Blicke heften
Kann der Grösse keinen Eintrag thun:
Salomon, trotz seiner hohen Würde,
Liess die Blicke auf der Ämse ruh'n.
Komm, ich lasse dich im reinen Weine
Das Geheimniss des Geschickes schau'n;
Doch versprich mir es nicht schiefen Seelen
Oder blinden Herzen zu vertrau'n.
Aus smaragd'nem Glase will ich trinken
Einen Wein, so funkelnd wie Rubin,
Denn der Frömmler ist des Lebens Schlange,
Und dadurch mach' ich erblinden ihn.
Zwar des Seelenfreundes Brauenbogen
Wendet nimmer von Hafis sich ab;
Doch es macht ihn unwillkürlich lachen
Dieser Arm, so kraftlos und so schlapp.

[117] [119]14.

Pflücke Rosen, Ssofi, und den Dornen
Schenke dann das abgeflickte Kleid.
Und dem Weine der so lieblich mundet,
Schenke diese bitt're Frömmigkeit!
Lege Mönchsgebrauch und Klostersitte
Auf der klangerfüllten Harfe Bahn,
Und dem Weine und dem Trunkenbolde
Schenke Rosenkranz und Thāilĭssān!
Jene schwere Tugend, die der Schöne
Und der Schenke schnöde von sich weist,
Schenke du dem Abendwind des Lenzes
Der den Ring des Wiesengrund's umkreist!
Auf dem Weg, o Herrscher der Verliebten,
Überfiel mich kühn des Wein's Rubin:
Schenke denn das Blut das ich verwirkte
Jenem Brunnen in des Freundes Kinn!
Herr, verzeihe wenn zur Zeit der Rosen
Sich der Knecht zu sünd'gen unterstand:
Schenke Alles was da vorgefallen
Der Zipresse an des Baches Rand!
Du der auf dem eingeschlag'nen Pfade
Deines Wunsches Tränke hast erreicht.
Schenke mir ein Tröpfchen dieses Meeres,
Mir, dem Armen, der dem Staube gleicht!
Und, zum Danke dass sich deinem Auge
Nie ein Götzenantlitz noch gezeigt,
Schenke mich dem mächtigem Gebieter
Der zur Huld und Nachsicht ist geneigt!
Weil, o Schenke, sich der hohe Meister
Morgenwein zu trinken hat erlaubt,
Schenke er das gold'ne Glas Hafisen
Der bei Nacht des Schlummers ist beraubt!

[119] [121]15.

Ein Bachesrand, ein Stamm des Weidenbaumes
Ein holder Freund, ein dichtendes Gemüth,
Ein süsser Herzensräuber als Genosse,
Ein holder Schenke, der wie Rosen blüht,
O du Begünstigter von den Gestirnen,
Der du erkennst der flücht'gen Tage Werth,
Wohl möge diese Wonne dir bekommen!
Ein holdes Leben wurde dir beschert,
Wer Liebe fühlt für einen Herzensräuber,
Und diese Bürde trägt auf seiner Brust,
Der werfe Rautenkraut in's helle Feuer,
Denn er erfreut sich hoher Lebenslust.
Mit reichem Schmuck jungfräulicher Gedanken
Ward des Gemüthes Braut geschmückt von mir,
Und ich erhalte von der Zeit Gemälden
Vielleicht dereinst ein holdes Bild dafür.
Benütze klug die nächtlichen Gespräche,
Und nimm den Zoll der Herzenswonne ein:
Denn herzerleuchtend ist des Mondes Schimmer,
Und hold auch ist der bachdurchströmte Rain.
Wein perlet in des Schenken Augenschale,
Und Gottes Name leiste Zeugenschaft
Dass den Verstand er eben so berausche
Wie er dem Haupte holde Schmerzen schafft!
Schon ist das Leben sorglos hingeschwunden;
Hafis, begleit' uns in das Weinhaus nun,
Denn holde Räuber sind daselbst zu finden,
Und holde Dinge lehren sie dich thun.

[121] [123]16.

Seine Mondeswange ist der Schönheit
Und der Anmuth lieblichster Verein:
Doch die Liebe fehlet und die Treue:
Wolle sie, Allmächt'ger, Ihm verleih'n!
Nur ein Kind noch ist mein Herzensräuber
Der, zum Spiele blos, mich armen Mann
Grausam tödtet, ohne dass ein Urtheil
Des Gesetzes ihn bestrafen kann;
Darum ist das Beste was ich thue,
Mir vor ihm das Herz zu wahren gut:
Noch erfuhr er Gutes nie und Böses,
Schätzt mein Herz nicht, weiss nicht was er thut.
Ja, ein Götze ist's von vierzehn Jahren,
Flink und süss, den ich mir auserkohr,
Und für den der Mond von vierzehn Tagen
Freudig trägt den Sclavenring im Ohr;
Milchgeruch entströmet seiner Lippe,
Die so süss wie reiner Zucker ist,
Wenn auch Blut aus seinem schwarzen Auge,
Das so schelmisch blicket, niederfliesst.
Jener neuentblühten Rose Spuren
Folgt mein Herz beständig nach, o Herr!
Doch, wo ist es endlich hingerathen?
Läng're Zeit schon seh' ich es nicht mehr.
Bricht der Freund der mir das Herz entwendet,
Sich so kühn durch's Mitteltreffen Bahn,
So vertraut der Kaiser ihm in Eile
Eines Waffenträgers Würde an.
Dankbar will ich meine Seele opfern
Wenn sich jene selt'ne Perle nun
In der Muschel von Hafisens Auge
Einen Platz erwählt um auszuruh'n.

[123] [125]17.

Erprobt hab' ich mein Schicksal
In dieser Stadt, mithin
Muss fort ich aus dem Wirbel
Mit meinem Bündel zieh'n.
Weil ich so häufig seufze
Und nage an der Hand,
Setzt' ich den Leib, wie Rosen,
Mir Stück für Stück in Brand.
Wie schön hat nicht der Sprosser
Gesungen gestern Nacht,
Als auf dem Zweig die Rose
Ihr Ohr weit aufgemacht:
»O Herz, sei frohen Muthes!
Den Freund mit rauhem Sinn
Setzt das Geschick, zur Strafe,
Auch nur auf Rauhes hin.
Willst du, die Welt behandle
Dich weder weich noch hart,
So meide weiche Bande,
Und Worte harter Art.
Stieg auch die Unglückswoge
Empor zum Himmel schon,
Des Weisen Glück und Bündel
Wird doch nicht nass davon;
Und wären die Genüsse
Von Dauer, o Hafis,
Auf seinem Throne sässe
Dschěmschīd noch ganz gewiss.«

[125] [127]18.

Eine Stimme rief mir gestern
Aus der Schenke Winkel zu:
»Was du sündigend verbrochen
Wird verzieh'n: d'rum trinke du!
Und die göttliche Vergebung
Waltet gnädig fort und fort,
Und ein Engel überbringet
Der Erbarmung Freudenwort.
Grösser ist die Gnade Gottes
Als die Fülle uns'rer Schuld;
Schweige! Kennst du denn die Gründe,
Die verborgenen, der Huld?«
Trage diese rohe Weisheit
In das Haus des Weines hin,
Dass ihr Blut in Wallung komme
Durch den Wein, roth wie Rubin!
Wenn man auch durch keine Mühe
Sich mit Ihm vereinen kann,
Dennoch wend', o Herz, nach Kräften,
Alle deine Mühe d'ran!
Meines Freundes Ringellocke
Schlinge stets sich um mein Ohr.
Und mein Antlitz lieg' im Staube
An des Weinverkäufers Thor!
Nicht für eine schwere Sünde
Gilt Hafisens Trunkenheit
Bei des Kaisers Huld, der Fehler
Stets zu decken ist bereit;
Schah Schědschā's, des Herrn des Glaubens,
Dessen mächt'gen Herrscherring
Selbst der heiligste der Geister
Sclaven gleich in's Ohr sich hing.
Fürst des Himmelsthron's, erfülle
Seine Wünsche immerdar,
Und, wenn böse Blicke drohen,
Schütze ihn vor der Gefahr!

[127] [129]19.

Jene Rose, jung und lächelnd,
Die du, Herr, empfohlen mir,
Jedem Neideraug' der Wiese
Zu entzieh'n, empfehl' ich dir;
Hält sie sich auch hundert Meilen
Fern vom Dorf der Treue auf,
Bleib' ihr doch von Leib und Seele
Fern des Mondes Unglückslauf.
Morgenwind, kömmst du vorüber
An Sělmā's geliebtem Haus,
Hoffe ich, du richtest freundlich
Einen Gruss ihr von mir aus.
Löse jener schwarzen Haare
Moschus unbehutsam nie:
Theure Herzen wohnen drinnen:
D'rum durchwühle nimmer sie.
Sprich: »Es hat auf Flaum und Maale
Mein getreues Herz ein Recht:
D'rum behandle es mit Achtung
Dort im Ambra-Haargeflecht!«
Wo auf's Wohl man Ihrer Lippe
Wein geniesst in froher Lust,
Ist der Trunk'ne zu verachten
Der sich seiner bleibt bewusst.
Man erwirbt am Thor der Schenke
Ehr' und Reichthum nimmermehr:
Wer von diesem Wasser trinket
Wirft ja sein Gepäck in's Meer!
Dem, der sich vor Trauer fürchtet,
Ist kein Liebesgram erlaubt:
Liebchens Mund an meiner Lippe,
Liebchens Fuss auf meinem Haupt!
Als des Wissens Grundvers pranget
Was Hafis sang im Gedicht:
Wie entzückend ist sein Odem
Und wie lieblich was er spricht!

[129] [131]20.

Als Seine Ambralocke
Vom Oste ward durchwühlt,
Hat Jeder der Gebroch'nen
Sich frisch beseelt gefühlt.
Wo weilt ein Gleichgestimmter?
Gern theilte ich ihm mit
Das was durch Seine Trennung
Mein armes Herz schon litt.
Dem Briefe, den zum Freunde
Der Morgenbote trägt,
Hab' ich das Blut des Auges
Als Siegel aufgelegt.
Aus Rosenblättern formte
Natur dein Antlitz; doch,
Sie birgt, vor dir sich schämend,
Sie in der Knospe noch.
Stets schläfst du, und die Liebe
Kennt Grenzen nimmermehr:
Darum sei Gott gepriesen,
Denn endlos ist auch er.
Der Ca'ba Reiz heischt Nachsicht
Vom Pilger der, verbrannt
Und aufgeregten Herzens,
Die Wüste durchgerannt.
Wer bringt vom Herzens-Josef
In's Haus der Trauer hier
Aus seines Kinnes Brunnen
Erwünschte Nachricht mir?
Ich lege jene Locke
Dem Meister in die Hand:
Er wird das Recht mir schaffen
Das mir Sein Trug entwand.
Ich hörte was der Sprosser
Früh auf der Wiese sang:
Es war ein Lied Hafisens
Von holdem Sinn und Klang.

[131] [133]21.

Verwüstet durch den wüsten Freund
Erliege ich dem Schmerz:
Den Schmerzenspfeil der Wimper drückt
Er mir in's wunde Herz;
Fängt er das Kreuz des Lockenhaar's
Hold zu zerlegen an,
Bethöret jener Glaubensfeind
Gar manchen Musulman.
An dich gebunden ist mein Herz,
Von Ander'n bleibt's getrennt:
Nicht Fremde noch Verwandte wünscht
Wer dich, Geliebter, kennt.
O blicke mit der Gnade Blick
Mich Herzberaubten an,
Weil, fehlt der Beistand deiner Huld,
Nichts vorwärts schreiten kann.
Des Anmuthsreiches Kaiser du!
Bestreue immerhin
Das wunde Herz mir mit dem Salz
Aus deines Mund's Rubin.
Es hat die Garben meiner Ruh'
Dem Winde anvertraut
Dein trunk'nes Aug' das, lauernd stets.
So vor- als rückwärts schaut.
Aus jener Honigbüchse leg'
Ein Pflaster dem Hafis
Auf's Herz das, wie mit Fliet' und Dolch,
Die Wimper wund ihm riss.

[133] [135]22.

Leer' ich deiner Lippe Becher,
Wo verweilt die Klugheit dann?
Schau' ich dein berauschtes Auge,
Wer dann wohl mich halten kann?
Bin dein Sclave; wolltest aber
Du von mir befreien dich,
So verkaufe in der Schenke
An den Krugverkäufer mich.
Hoffend in der Schenke fänd' ich
Einen Krug gefüllt mit Wein,
Geh' ich, eine Zecherkanne
Auf der Achsel, nun hinein.
Lust nach deiner Lippe zwinget
Den Săkā des Trinkergau's
Augenwasser aufzugiessen
Vor des Weinverkäufers Haus.
Sage mir doch nimmer: »Schweige,
Oder zieh' den Athem ein!«
Kann man doch nicht: »Schweige!« sagen,
Zu dem Vogel in dem Hain.
Forsche ich nach deinen Spuren,
Die Geduld, wo bleibt sie dann?
Spreche ich von deinen Thaten,
Wer dann masst Verstand sich an?
Seelen mit erstarrtem Herzen
Gibt man Wein, gekocht und gahr;
Wein ist helle Gluth; es sieden
Die Gekochten immerdar.
Als man mit des Liebesultan's
Ehrenkleid mich angethan,
Rief man laut: »Du mög'st es tragen,
O Hafis, doch schweigen dann!«

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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Ḥāfeẓ, Šams o'd-din Moḥammad. Der Buchstabe Schin. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-2AD1-E