[9] Vorbildung deß Welt- und Zeit-Lauffs

Die Sonne:

Es eilet und pfeilet mein güldener Wagen/
den Stunden verbunden in Wolcken getragen:
Vom Morgen biß Abend begleitet die Zeit
das Beten/ die Arbeit und eitele Freud.

Die Betstunden mit Federflügeln:

Wir sind sehr klein und schwach/ und leiten Himmel an/
sogar/ daß man uns offt nicht wohl erkennen kan:
Wir müssen uns gesamt der grössern Brüder schämen/
weil sie/ was uns gebührt/ ohn Scheu und Reue nehmen.

Die Arbeitsstunden mit Muckenflügeln:

Wir sind sehr bemüht zu ziehen/
wenn uns treibet der Gewinn.
Ist des Nutzens Hoffnung hin/
pflegen wir auch schnell zu fliehen.

Die Ergötzlichkeitstunden mit Nacht-Eulenflügeln:

Der meiste Teil der Zeit wird leider! überlassen
der schnöden Eitelkeit/ auf mancher Sündenstrassen:
Nach dieser Welte Lauff sind wir die längsten Stunden/
die offt der tolle Hauf auch mit der Nacht verbunden.

Georg Philipp Harsdörffer
Christliche Welt- und Zeitbetrachtungen
Zwölf Monatslieder

[9] Winterlied/ Zu dem ersten Monat deß Jenners

Nach der Stimme: Frisch auf mein Seel/ verzage nicht/ Gott wil sich dein erbarmen.


Psalm 74. v. 17. Sommer und Winter machest du/Herr!

1
Wir leben in der neuen Zeit/
die alls mit Schnee bedecket:
es trägt das Feld ein graues Kleid/
das Krafft und Safft erstecket.
Frost/ Kält und Eiß
macht alles weiß/
der Regen wird zu Schrollen.
Es ligt zu Feld
die harte Kält;
der Reiff wird gleich der Wollen.
2
Was bringt/ ja vielmehr nimmt uns nicht
der Janus weg für Gaben?
Mit dem gezweyten Angesicht
kan er nichts sonders haben.
Doch wird gesucht
der Dörner Frucht:
Die Hiefen 1/ gleich Korallen/
bringt nun heran
der arme Mann/
dem Reichen zu Gefallen.
[10] [12]3
Obgleich der guldne Sonnen-Strahl
entfernet abgewichen/
ist doch der kalten Nächte Zahl
mehlich herbey geschlichen:
Der Wassermann
hebt wieder an/
die Täge zu ersetzen/
indem sich hat
das Sonnen-Rad
gewendt/ uns zu ergetzen.
4
Was bildet diese Winterszeit?
Anfechtung/ Angst und Leiden.
Doch ist der Hoffnungs-Trost nicht weit/
der niemals pflegt zu scheiden.
Es wird der Lentz
auch dieser Grentz
der Schwalben Bottschaft senden.
Die Heroldin
sagt: Wart dorthin/
es wird sich alles enden.
5
Inzwischen traget nur Gedult:
thut Buß in Staub und Aschen.
Wir wollen uns/ durch Gottes Huld/
[12]
schneeweiß und reinlich waschen.
Die rohte Sünd
acht sich geschwind
wie zärtlich reine Wollen.
Das Hertz wird neu/
durch wahre Reu/
die wir ergreiffen sollen.
6
Wir dancken dir Gott allezeit/
der du stets ob uns wachest;
der du die frühe Sommer-Freud
und auch den Winter machest.
Du ruffst dem Schnee/
und ruffst dem Klee;
alls muß nach Ordnung gehen:
So hört nicht auf
der Wechsel-Lauff/
weil diese Welt wird stehen!

Fußnoten

1 Allhier bey uns ist bräuchlich/ daß arme Leute/ am Neuen Jahrtage/ für den Thüren herüm gehen/ und ruffen/ und zugleich überreichen: Drey Hiefen zum Neuen Jahr. (Hiefe = Hagebutte)

[13] Lied/ Von dem Monat Hornung/ oder Februario

Nach der Stimme: An Wasserflüssen Babylon/ etc.

1
Es muß nunmehr der Sonnen Strahl
sich zu den Fischen neigen;
so daß der Stunden Schatten-Mahl
pflegt höher anzusteigen.
Es schmöget sich der weiche Schnee/
und wird nun schiffbar Strom und See;
der Bächlein Silberbrücken
zerschmeltzen/ und der rauhe Lufft
enthält der Erd vereinten Tufft/
mit Schaur uns zu berücken.
2
Gleichwie der Fisch in heller Flut
gantz frey im Wasser streichet/
so schweben wir in Gottes Hut/
die niemals von uns weichet:
üm/ über/ unter unsrem Pfad
erscheinet Gottes Wunder-Gnad/
daß wir gesichert wallen.
Deß Höchsten grosse Mildigkeit
erhält die Seinen allezeit/
daß sie nicht sündlich fallen.
[14] [16]3
Hinweg mit aller Fatzennacht/
mit Spielen/ Fressen/ Saufen;
weg mit der Larven falschen Pracht/
damit die Thoren lauffen/
und mit der Mummer Freuden-Schein
sich stürtzen in die Höllen-Pein.
Weh solcher Frevler Lachen!
die wißlich Gottes Ebenbild/
dem Lügen-Geiste gleich verhüllt/
sich selbst verwerfflich machen.
4
Lasst uns gedencken dieser Zeit/
daß wir sind Staub und Aschen;
daß unsrer Sünden Hertzenleid
uns mach in Threnen waschen/
so wahre Reu und Busse bringt/
und uns zu manchem Seufftzer zwingt/
die Christi Tod und Schmertzen
bey dieser Fastenzeit erweckt/
dardurch die Weltfreud wird ersteckt
in Gott-ergebnen Hertzen.
5
O milder Gott! gib deine Gnad:
daß wir uns wohl bereiten/
zu preisen deine Liebesthat
zu diesen Marter-Zeiten.
[16]
Der Tod steht auch für unsrer Thür/
wer mit dir leidet/ herrscht mit dir.
Die Trübsal kan behagen.
Dein Reich ist nicht von dieser Welt:
und wer sich gleich demselben stellt/
wird alls gedultig tragen.
6
Es stehet bey uns unser Gott/
wann sich die Unglück' häuffen:
daß uns die Ströme/ Noht und Tod/
auf einmal nicht ersäuffen.
Er reisst uns aus der Flut heraus/
und bringet uns getrost nach Haus:
wann wir ihm nur vertrauen/
und warten gläubig auf die Zeit/
so Gott zur Rettung hat bereit:
Wir werden Hülffe schauen.

[17] Lied/ Von dem Mertzen

In dem Ton: Jesu/ du mein liebstes Leben/ etc.

1
Nun der Winter ist vergangen/
und der Regen ist dahin:
wird der Lentz mit Blumen prangen/
und das Falbe werden grün.
Alle Bäume sich belauben/
und die heissre Turtultauben
girren in dem öden Wald/
daß der Echo gegenhallt.
2
Schauet doch/ die Feigenbäumen
knoten von der Westen Hauch:
die vor trockne Reben schäumen
weinend mit befeuchtem Aug:
da sonst Feld und Wälder lachen/
und die frühen Fittig wachen/
welcher krausses Lufftgesang
schallet mit dem Freudenklang.
3
Nun beginnen wir den Mertzen/
der vom Krieg den Namen hat;
[18][20]
vielleicht/ weil die Sonnenkertzen
sieget ob des Winters Pfad.
Nun die schnellen Schwalben swiren/
und die gute Zeitung führen:
daß der Blumen-reiche Lentz
komm in dieses Landes Grentz.
4
Wie sich nun die Welt verneuet
zu der frohen Frühlings-Zeit;
wie sich Stadt und Feld erfreuet/
und vergißt deß Winters Leid;
also wird nach diesem Leben
Gott das neue Salem geben:
Da wird alles werden neu
bey der Engel Jubelschrey.
5
Was die Lentzen-Sonn erwecket
mit dem jüngst gewendten Lauff/
was der Frost mit Schnee bedecket/
steiget nun verneuet auff:
Also wird es auch ergehen/
wann wir werden aufferstehen;
wann uns weckt nach dieser Zeit
die Sonn der Gerechtigkeit.
[20] 6
Du/ mein Gott! sey hoch gepriesen
wegen deiner milden Gnad/
die du mir anher bewiesen/
daß mich freut die grüne Saat;
da die Mandelbäume blühen
und belaubte Sprossen ziehen.
Hat die Erde solchen Schein/
wie schön wird der Himmel seyn!

[21] Lied/ Von dem Monat April

Nach der Melodey: Wacht auf/ rufft uns die Stimme/etc.

1
Die Sonn ist aufgegangen/
der Lentz hat angefangen/
zu malen das verödte Feld.
Das früe Morgentauen
versilbert Thal und Auen/
und blumt der hohen Berge Zelt.
Der linde Westen-Wind
beküsset Florä Kind:
das Freuden-Lied
der Nachtigall bestimmt den Thal
und reimet mit dem Gegenschall.
2
Die Erd ist aufgeschlossen/
daß Bäum und Stauden sprossen/
und treiben ihren Wurtzelsafft.
Das Graß ist durchgedrungen/
die Blätlein gleichen Zungen/
zu preisen Gottes Wunderkrafft.
Denn aller Menschen Hand/
Kunst/ Arbeit und Verstand
ist viel zu schwach/
[22][24]
daß er allein ein Blümelein
solt bringen aus der Erden Schrein.
3
Das Haar der grünen Wälder
und die smaragden Felder
bezieren sich nun in die Wett:
Die Blüte stehen offen/
und machen Früchte hoffen/
beschönend manches Gartenbeet;
der bunte Blumen-Krantz/
beschminkt mit neuem Glantz/
krönt die Matten.
Deß Winters Leid entweichet weit
deß frohen Frühlings Freudenzeit.
4
Der Augentrost erscheinet/
vom Morgentau beweinet/
und weiset auf die Gottes-Gnad.
Vergiß-mein-nicht/ das blühet/
das Engelsüß nicht fliehet:
der Frühling Tausendschöne hat.
Die Blum Dreyfaltigkeit
beharr zu jeder Zeit
in dem Hertzen.
Blum Passion/ im bunten Thron/
stellt uns vor der Mariä Sohn.
[24] 5
Gott! dir sey Danck gesaget/
daß uns die Zeit behaget/
in welcher weichet Angst und Weh:
So wirst du alls erneuen/
und ewig uns erfreuen
mit dem verlangten Himmelsklee.
Inzwischen bringen wir
dir Lob und Danck herfür.
Halleluja!
Die Salemsstadt mehr Schöne hat
als dieser Erden Blumenpfad!

[25] Betrachtung der Majenblumen

Nach der Stimme: Hertzlich thut mich erfreuen/ etc.

1
Wir wollen uns erfreuen
ob dieser Majenzeit:
da sich pflegt zu verneuen
der Erden grünes Kleid.
Die Sonn in Zwilling stralet:
die Schönheit der Natur
mit guldnen Flammen malet
der freyen Felder Flur.
2
Es muß dargegen weichen
deß Salomonis Kleid;
der Blume kan nicht gleichen
deß Königs Herrlichkeit.
Die reine Lilje stehet
von aller Sünden frey:
der König sich vergehet
mit viel Abgötterey.
3
Indem die Westen schertzen
mit diesem Blumen-Plan/
vergleich ich mit dem Hertzen
die rohte Tulipan:
[26][28]
So bald sie nur genossen
den höchsten Sonnenschein/
so wird sie aufgeschlossen
wie frommer Hertzen Schrein.
4
Es hat der Nord beraubet
den falben Rosenstock;
den nun der Maj belaubet
mit einem Dörner-Rock/
der weißlich-roht gestücket
mit mancher Rosen-Blüt:
Der Hoffnungs-Trost erquicket/
wann wir deß Jammers müd.
5
Der angenehme Majen
erwecket neue Lieb/
daß Thier und Menschen freien
aus holdem Gegentrieb.
Deß Höchsten reicher Segen
hat die Geschöpff ernehrt/
und hat sie allerwegen
zu unsrem Dienst vermehrt.
6
Was webet und was schwebet/
befeucht der Majentau/
[28]
mit neuer Kraft belebet/
und schmeltzet in der Au:
Also wird uns verneuen
an jenem jüngsten Tag
Gott! der pflegt zu erfreuen
in aller Angst und Plag.

[29] Lied/ Von dem Brachmonat

Nach der Stimme: Werde munter/ mein Gemüthe/etc.

1
Nun der güldne Sonnen-Wagen
fähret nächst der höchsten Ban/
und erleuchtet mit Behagen
den smaragden Erdenplan;
weil ihr Weg wird gleichsam krumm/
kehret sie nun wieder um:
wie der Krebs zurücke weichet/
dessen Zeichen sie bestreichet.
2
Dieses sol uns Menschen lehren/
wie nichts so erhaben sey/
das sich nicht bald solt verkehren
und beharren Wandel-frey.
Unser Thun ist Unbestand
und deß Wechsels Unterpfand:
wie wir fast in allem sehen/
was geschicht/ und was geschehen.
3
Die nun öden Felder brachen/
und sind doch nicht in der Ruh;
[30][32]
weil sie viel geschlachter machen
die bespitzten Egenschuh.
Also muß der Menschen Fleiß
und der Arbeit saurer Schweiß
Speiß und Brot zuwegen bringen/
durch das Hacken/ Pflügen/ Düngen.
4
Durch den milden Himmels-Regen
machet Gott die Furchen weich;
das Gepflügte hat den Segen/
daß es Saam- und Früchte-reich.
Gottes Güte krönt das Jahr/
und betrieft der Bäume Haar:
also daß des Himmels Gnade
machet fett der Erden Pfade.
5
Wann deß Morgens Purpurflügel
decken dieser Auen Thal/
siehet man die grünen Hügel
voller Schaffe sonder Zahl.
Also gibt die fette Weid/
nächst der Speiß/ das Wollen-Kleid.
Ihnen wird ein Rock genommen/
der uns muß zu nutzen kommen.
[32] 6
Mein Gott/ der du Joseph hütest/
(der vermehrten Kirchen Heerd)
Gott/ der du dein Volck behütest/
und hilfst dem/ der dein begehrt!
gib uns allen deine Gnad/
die noch Maß/ noch Ende hat!
Gib uns Früh- und Abendregen/
daß wir preisen deinen Segen.
7
Frölich/ frölich sey die Erde/
und der Himmel freue sich:
daß dein Nam gepreiset werde/
Feld und Berge loben dich.
Ja die Baumen in dem Wald/
von den Bächlein untermahlt/
reichen Gottes reiche Gaben/
die wir Ihm zu danken haben.

[33] Lied/ Von dem Heumonat

Nach der Stimme: Wie schön leucht uns der Morgenstern/ etc.

1
Die helle Sonn am höchsten steht/
und in deß Löwens Zeichen geht
mit überheissen Flammen.
Sie hat verkocht den Erdensafft/
und weist der grünen Farbe Krafft
auf jedes Baumens Stammen.
Die Weid
erfreut/
sie beschönen
Himmels-Threnen:
daß die Heiden
sich mit gelbem Klee bekleiden.
2
Man schlägt die krumme Sichel an;
der abgesensste Wiesenplan
macht uns deß Tods gedencken:
daß nemlich alles Fleisch ist Heu/
der Menschen Ehre Gras und Spreu/
dem leichten Wind zu schencken.
Der Ruhm/
die Blum/
welckt geschwinde
mit dem Winde:
[34][36]
unser Hoffen
hat ein schneller Fall betroffen.
3
Die angeglute Sommers-Hitz
erregt der Wolcken schnellen Blitz/
daß Mensch und Vieh erstaunet;
doch sind wir aller Sorgen frey/
weil Gottes Gnad uns stehet bey/
und unser Gut umzaunet.
Er tränckt
und schenckt
diesen Auen
Perlentauen;
und der Regen
bringt der Felder reichen Segen.
4
Man führt das Heu nun häuffig ein/
gedorret von dem Sonnenschein/
die Heerden zu ernehren;
doch wächset eben an dem Ort
deß Grases Wurtzel fort und fort/
das Menschen-Volk zu lehren:
Auf daß
wie Gras
wir mit allen
grabwärts fallen:
aus der Erden
unsre Beine grunen werden.
[36] 5
Der allem Fleisch/ zu rechter Zeit/
hat ein vergnügtes Mahl bereit/
wil uns mit Gut erfüllen.
So manchem guten Unterpfand
mißtrauet unser Unverstand
mit eitlen Sorgengrillen:
Er nehrt
und mehrt
unsre Heerde/
Thier und Pferde/
auch die Raben:
solten wir denn Mangel haben?
6
Was ist/ O Herr! deß Menschen Kind/
das gleich dem unbejochten Rind
deß Danckes nicht gedencket:
da doch von dir das Leben hat/
was wallet auf der Erden Pfad/
was Lufft und Meer beschrencket.
Erweist/
lobt/ preist/
gebt dem Ehre/
den die Heere
aller Orten
rühmen mit fast stummen Worten!

[37] Lied/ Von dem Erndmonat/ oder August

Nach der Stimme: Jesu/ der du meine Seele/ etc.

1
Nun die Sonnenstrahlen weichen/
und die Tage nehmen ab/
weil auch in dem Jungfer-Zeichen
reiffen unsrer Felder Gab:
mitten in den schweren Garben
prangen mancher Blumen Farben/
und die Kühlung dieser Zeit
lindert alle Mattigkeit.
2
Wie Gott wolt die Erstling haben
zu dem Opffer und Altar/
und ob solchen freyen Gaben
krönte Gott der Herr das Jahr:
also last uns Ihm lobsingen/
und der Lippen Opffer bringen/
daß die Andacht im Gebet
unsre Felder mache fett.
3
Wer versaumt die Frücht der Erden/
und schläfft zu der Ernde Zeit/
[38][40]
der wird bald ein Bettler werden
ob der trägen Lässigkeit:
Müh und Arbeit bringet Segen/
und ernehrt uns allerwegen;
ja/ der Schweiß im Angesicht
süsset jedes Feldgericht.
4
Hierbey lasset uns betrachten/
daß die Kirchen-Ernde groß:
wenig/ die der Arbeit achten/
wehren da deß Unkrauts Schoß.
So lasst uns den Herren flehen/
daß Er woll das Elend sehen/
senden treuer Schnitter Schaar/
die der Ernde nehmen wahr.
5
Unser Land ist so gepflüget/
und gedeyet fort und fort/
daß es andre reich vergnüget/
auch an weit entlegnem Ort/
wo die Hungersplage drücket;
unser Überfluß erquicket:
darum wir zu aller Zeit
preisen Gottes Gütigkeit.
[40] 6
Alle Freude dieser Zeiten/
aller Schnitter Jubelschall
heist uns gleicherweis bereiten
zu des Himmels Freudenmahl.
Die mit Blut besprengten Farben
bringen edle Himmelsgarben.
Welcher sät Gerechtigkeit/
erndet Freude nach dem Leid.

[41] Lied/ Von dem Monat September/ in welchem man die Baum-Früchte pfleget abzunehmen

Nach der Stimme: Wohl dem/ der weit von hohen Dingen/ etc.

1
Der Sonnen Lauf belangt die Waage/
das Regenwetter kömmt herbey;
die Nächte gleichen nun dem Tage/
die Bäume werden Blätter-frey/
und fällt derselben reiffe Frucht/
die mancher mit Belusten sucht.
2
Der Baum muß gute Früchte bringen/
wann er nicht werden sol ein Brand;
er muß den Gipffel hoch an schwingen/
sonst irrt er nur das gute Land;
und wann er keine Früchte trägt/
wird er bald von der Art erlegt.
3
So sol ein Christen-Mensch sich mühen/
zu weisen seines Glaubens Frucht/
[42][44]
die Sünd als eine Schlange fliehen/
und lieben Tugend/ Ehr und Zucht:
sonst wird er bald/ mit Leib und Seel/
geworffen werden in die Höll.
4
Der Unterschied ist bey den Bäumen
und bey der gantzen Menschen-Schaar/
daß jene jährlich sich nicht säumen/
zu neuren ihre grünen Haar.
Hingegen/ fällt der Mensch dahin/
so ligt er sonder Ruckbeginn.
5
Die Bäumen allen Menschen dienen/
zu bauen/ fahren/ und dem Brand;
sie blühen/ fruchten/ grauen/ grünen/
zu Nutz und Schutz/ in jedem Land:
sie speisen uns auf manche Weiß/
und lohnen ihres Gärtners Fleiß.
6
Nun wird die Frucht vom Stamm genommen/
bedeckt von manchem falben Blat:
[44]
da sol uns ja zu gutem kommen
deß Höchsten Segen-volle Gnad.
Wir dancken Gott/ für solche Gab/
und dieses reichen Herbstes Haab!

[45] Lied/ Von dem Weinmonat

Nach der Stimme: Singen wir aus Hertzensgrund/etc.

1
Jauchtzet/ ihr Wintzer! alle zugleich/
unsere Trauben werden nun weich;
kommet/ empfahet mit Freuden den Lohn/
welchen die Arbeit bringet darvon:
Reiffende Reben schencken uns ein/
heissen/ die trauren/ frölicher seyn/
füllend die leeren Keller mit Wein.
2
Noe legt erstlich saftige Feser/
lehrte die Häcker/ warbe die Leser/
schniedte deß Rebens Blätter vom Stamm/
bande sie an die Pfäle zusamm/
presste der Kelter lieblichen Saft/
welcher den Hertzen giebet die Krafft/
Sorgen und Kummer ferne wegschafft.
3
Lobet und liebt den herrlichen Most/
welcher versüsst die niedliche Kost;
ehret der Thäler edele Frucht/
welche man zu den Kelleren sucht!
[46][48]
Aber doch haltet im Trincken das Ziel/
weilen deß Weins zu wenig und viel
leichtlich verderbt das lustigste Spiel.
4
Weinen ist unser Leben ohn Wein/
einsam und ohne Freunde zu sein;
Trincken verbindet menschlichen Sinn/
nimmet Verdacht und argen Wahn hin:
Freunde sind gleich dem freudigen Mahl/
welche man kieset in mehrerer Zahl/
mittels des Weins/ mit offener Wahl.
5
Schauet! Die Sonne den Scorpion trifft/
(sothanes Thier verletzet durch Gifft);
hüte dich vor der Trunckenheit Lust/
welcher die Reue stetig bewust:
gleichet der krumme Rebe der Schlang/
glänzet im Glase/ schwächet den Gang/
machet dem Säuffer schmertzlichsten bang.
6
Jauchtzet/ ihr Liebsten! alle zugleich/
Trincken macht oft die Ärmesten reich;
Trincken beschwert das ruhige Hertz/
bringet mit sich der Kranckheiten Schmertz.
[48]
Jeder ist edel/ voller Verstand/
jeder rühmt seine Güter im Land/
weilen ihn hält der Trunckenheit Band.
7
Brauchet nun recht und mässig den Tranck;
saget dem Höchsten hertziglich Danck!
Lobet ihn für die treffliche Gab,
lobet Gott in der sicheren Haab!
welcher uns giebet freudigen Muth/
speiset uns mit der Kelterpreß Blut;
lobet Gott/ der alls Gutes uns tut.

[49] Lied/ Von dem Monat November

Nach der Stimme: Von Gott wil ich nicht lassen/ etc.


Oder: Last uns Gottes Güte preisen/ ihr lieben Kinderlein/ etc.

1
Der Sommer ist entwichen
mit seiner Flammen-Hitz;
der Herbst herangeschlichen/
und herrschet nun der Schütz:
Der treibt die trüben Wind/
und in dem Nebel-Regen
beschüttet allerwegen/
die auf dem Felde sind.
2
Man samlet Kraut und Ruben/
es giert der trübe Most;
man suchet warme Stuben/
und liebt der Vögel Kost;
das Feld liegt ohne Frucht:
doch muß es Wildpret tragen/
das man/ mit schnellem Jagen
durch Berg und Thäler sucht.
[50] [52]3
Die Müh und Arbeit schencket/
was sonst kein Mensch vermag;
wohl dem/ der stets gedencket/
Gott nehr ihn alle Tag/
auf viel und manche Weiß:
wenn wir Gott nicht vergessen/
und das Brot wollen essen
in unsrer Arbeit Schweiß.
4
Indem die Blätter falben/
verschwindt der Bäumen Zier;
es wandern fort die Schwalben/
der Winter bricht herfür.
Man sucht das warme Kleid/
und pfleget Holtz zu spalten;
dardurch wir uns erhalten
im Frost und kalter Zeit.
5
Mein Gott! der du uns liebest/
und segnest dieses Jahr;
der du uns reichlich giebest/
was uns vonnöthen war:
[52]
Wir dancken deiner Gnad!
Du wollest uns bewahren/
daß wir kein Leid erfahren.
Dich lob'/ was Odem hat!

[53] Lied/ Von dem Christmonat

Nach der Stimme: Kan ich Unglück nicht widerstahn/ etc.

1
Das Aug der Welt ist dieser Zeit
entfernet weit/
und muß fast alles frieren;
das Feld ist wie ein alter Greiß
voll weisses Eiß;
die Kräfften sich verlieren.
Der weisse Schnee
bedeckt den Klee;
ein hartes Dach
bebrückt den Bach/
den Winter zu vollführen.
2
Doch wendet sich der Sonnenschein
und tritt gleich ein
in deß Steinbockes Zeichen.
Dadurch sie wieder kehrt zurück;
mit schwachem Blick
wird sie nun zu uns weichen.
Es wächst die Kält/
das Feur erhält
[54][56]
die armen Leut
in Winters Zeit/
den Frühling zu erreichen.
3
Indem die Sonne nordwärts geht
und ferne steht/
so wollen wir uns freuen:
Die Sonne der Gerechtigkeit
ist nun nicht weit/
wann wir die Sünd bereuen.
Das Jesulein
wil bey uns seyn;
die heilge Nacht
hat Heil gebracht/
wenn wir uns nur erneuen.
4
Deß Feldes Wollen-weisses Kleid
verhüllt die Weid/
das Menschen-Volck zu lehren:
daß ihnen gleiche weisse Tracht
in guter Acht
der Höchste wil bescheren.
Das Erden-Land
ist Spott und Schand/
Gott wird behend
und sonder End
das Leid in Freude kehren!
[56] 5
Inzwischen preiset Gottes Sohn/
den Gnaden-Thron/
der sich zu uns geneiget:
Es ist der Heiland jeder Seel/
Immanuel:
der kan die Feinde beugen.
Steht Er uns bey/
so sind wir frey
von aller Noth.
Ja! in dem Tod
wird Er uns Gnad erzeigen!

Notizen
Erstdruck 1657, in einem Erbauungsbuch des 17. Jahrhunderts; vollständiger Titel: »Christliche Betrachtungen deß Glänzenden Himmels/ flüchtigen Zeit- und nichtigen Weltlauffs: darinnen Die schöne und wunderbare Geschöpffe deß Allmächtigen himmelischen Werckmeisters Dem andächtigen Leser/ zu heilsamer Erbauung seines Christenthums/ fürgestellet werden; Von Johann Michael Dilherrn/ Predigern und Professorn in Nürnberg. Nürnberg/ In Verlegung Wolffgang deß Jüngern/ und Johann Andreae Endtern. Anno M.DC.LVII.«
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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Harsdörffer, Georg Philipp. Christliche Welt- und Zeitbetrachtungen. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-351D-D