Fünfzehnter Auftritt.
Das Innere einer Mühle. Alles liegt unordentlich umher. – Zeugen von schneller Flucht. – Umher zerstreute Kleider, Handwerkszeug. Auf einem Tisch liegt eine Mühlaxt, ein Frauenschleyer, zwey Lichter brennen – ein grosses Fenster zur Seite. Günther kommt – hernach der Geist. –
GÜNTHER
sieht sich um.
Ha! diese Unordnung zeuget von der Eil, mit welcher der, der zuletzt hier war, die Flucht ergriffen haben mag, um irgend einem Feinde zu entgehen. Hier eine Mühlaxt – und hier ein blutiger Frauenschleyer – zwey seltsam gepaarte Dinge! – Ein schrecklicher Wind schauer durch das Gemach. Donner und Blitz. Der Geist erscheint.
GÜNTHER
zieht seine Klinge.
Auf meinem Schwert ruht das heilige Kreuz – ich beschwöre dich bey dem allmächtigen Gott, steh mir zur Rede. – Wer bist du, und was ist dein Begehren?
GEIST
mit hohler Stimme.
Ich war einst die Bewohnerinn dieser Mühle. Edel war mein Stamm, denn ich zählte grosse Männer unter meinen Ahnen. Mein Gemahl war Ritter, aber er verband sich mit einer Räuberhorde, zog in diese Mühle, und ward im ganzen Gau gefürchtet, und bekannt durch seine Lasterthaten. – Ich ward ermordet und suche Ruhe –
GÜNTHER.
Warum bist du der Ruhe verlustig, und wer ermordete dich?
GEIST.
Mein Mann! Ich rettete Grafen Heinrich von Senftenberg durch einen heimlichen Gang, weil er – wie so viele Unschuldige unter den schneidenden Rädern sein Leben enden sollte – meine Gebeine liegen in dem alten Brunnen an der nördlichen Seite – meinem Geist wehet aus tiefer Ferne Ruhe entgegen, aber ich kann noch nicht dazu gelangen.
GÜNTHER.
Entdecke mir – wie kann ich deinen Schatten versöhnen?
GEIST.
Bis nicht der Aufenthalt meines Mannes, der nach vollbrachtem Mord aus der Mühle floh, entdeckt ist, und meine modernden Gebeine neben seinem Leichnahm ruhen – vermag ich nicht, die Wonne der Seeligen zu geniessen. Diese Bedingung kannst du erfüllen – die zweyte, die Gottes Barmherzigkeit über mich verhieng, muß ich zu vollbringen suchen.
GÜNTHER.
Und diese ist?
[187]GEIST.
Ich habe einen Sohn – ein fürchterliches Schicksal waltet über ihn und mich! Er kennt seinen Vater und Mutter nicht – ist von der Vorsicht bestimmt, sie nie kennen zu lernen. Siebenfacher Mörder muß er werden, ehe er zum 24ten Jahre gelangt, und hat er dieses Jahr erreicht, so stirbt er den Tod der Rache von seiner Mutter Hand. –
GÜNTHER.
Schreckliches Verhängniß!
GEIST.
Eile, Jüngling! meine Erlösung zu beginnen, wenn du gutes Muthes und reines Herzens bist.
GÜNTHER.
Unglücklichen zu helfen, ist mein Wunsch. Gott sieht in mein Herz, es ist rein von Lastern.
GEIST.
Wohl dann mir und dir! ich kann mich bald in die Gefilde der Seeligen schwingen; schon die Hoffnung erfüllt mich mit nie empfundener Wonne, und du erreichst den Höchsten deiner Wünsche – Mathilden!
GÜNTHER.
Soll diese Hoffnung zur Gewißheit werden? Aber ich bin arm!
GEIST.
Du sollst reich werden! Hier in der Mühle ist ein grosser Schatz begraben, der für dich bestimmt ist. Schwacher Windschauer. doch – die Stunde der Mitternacht beginnt – Günther! gedenke meiner Leiden – gedenke Mathilden! – Ein Blitzstrahl mit einem Donnerschlag begleitet, fährt durch das Gemach, der Geist verschwindet, Günther senkt sich auf seine Knie nieder, und hebt sein Schwert empor.
GÜNTHER.
Nie will ich ruhen, nie mich des Lebens mehr freuen, bis ich dich, unglücklicher Geist! gerettet habe. Keine Gefahr will ich scheuen, Leiden und Beschwerden mit Muth und Geduld ertragen, – aber dann, wenn ich den rauhen Pfad ohne Scheu wanderte, wenn ich siege – dann – Gott! dann schenk mir Mathilden. Eine feyerliche Harmonie ertönt, mit sanften Flötentönen begleitet. Jeriel als Genius steht hinter ihm mit einem Palmenzweig.
Final-Musik.
JERIEL.
Die Gottheit höret deine Bitte,
Ertrage willig dein Geschick;
Und folgt auch Unglück deinem Schritte,
So lächelt dir am Ende, Glück!
JERIEL
führt ihn ab.
– Die Glocke schlägt 12mal – unter diesem kommt Käsperle furchtsam herein, und sagt.
KÄSPERLE.
So hat mich doch der Teufel an den verdammten Ort herführen [188] müssen. Wo ist denn mein Ritter? den hat vielleicht schon der Böse – Nach dem 12ten Schlag geschieht ein Donnerschlag, der Sturm heult, alle Räder der Mühle kommen in Bewegung. Geister und Herren kommen als Müllerknechte und Mägde, tragen Säcke, werfen Korn in die Multe, und haben verschiedene Beschäftigungen. Käsperle retirirt sich unter den Tisch, und schaut hervor.
Fürchterlicher Chor.
Zur Arbeit, ihr Geister der Mitternachtsstunde!
Der Sturm heult durch den Wald!
Hört! fürchterlich brüllen die Donner dem Bunde,
Daß Berg und Thal erschallt!
KÄSPERLE
schaut hervor.
Ach du lieber Gott! wenn ich nur dießmal aus der Kompagnie da weg wäre. – Der Sturmchor geht in einen fröhlichen Tanz über, die Geister nähern sich dem Tisch.
Geister-Chor.
ALLE.
Hurrah tax! wer ist denn da?
KÄSPERLE.
Laßt mich aus! kein Mensch ist da!
ALLE.
Fremdling! komm durch Berg und Klüfte,
Sie tanzen um ihn.
Fahre mit uns durch die Lüfte –
Rechts und Links, die Kreuz und Quer,
Oben, unten – hin und her –
Hurrah tax – mit uns von hier,
Fort aus diesem Nachtquartier!
Donnerschlag – Jeriel erscheint, winkt – alle Geister stehen in Gruppen – Pause in der Musik. – Der Tisch verwandelt sich in einen Mülleresel, worauf Käsperle sitzt, er reitet durch das Fenster, welches unter schrecklichem Gepolter herabfällt.
Der Vorhang fällt.